24.04.2014FDPFDP

BEER-Interview für die „Neue Osnabrücker Zeitung“

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MELANIE HEIKE SCHMIDT:

Frage: Frau Beer, Sie sind seit viereinhalb Monaten Generalsekretärin der FDP. Wie weit sind Sie mit der Erneuerung Ihrer Partei?

BEER: Wir sind die ersten Schritte gegangen. Aber wir sind uns bewusst, dass wir einen Marathon laufen, mit wichtigen Wegmarken wie der Europawahl und den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern in diesem Jahr. Der Weg, der vor uns liegt, geht in der Regel bergauf und ist steinig und steil. Wir liegen alles in allem im Plan, was den internen Umbau angeht, insbesondere atmosphärisch und in der gemeinsamen Arbeits- und Diskussionskultur. Aber es wird noch Zeit brauchen, bis wir dort ankommen sind, wo wir hinwollen.

Frage: Die Aussichten für die Europawahl sind recht gut. Wie viel Prozent erreichen Sie?

BEER: Wir wollen ein respektables Ergebnis. Es ist wichtig, dass es weiter eine starke liberale Fraktion im Europäischen Parlament gibt und darin eine starke FDP. Wir sind zurzeit mit der liberalen Fraktion die drittstärkste Fraktion im Europäischen Parlament. Wir wollen weiter den Ausschlag dafür geben, dass es mehr Marktwirtschaft, mehr finanzielle Solidität und auch mehr Achtung von Bürgerrechten in Europa gibt.

Frage: Nur drei Prozent der Deutschen finden die FDP sympathisch. Wie gewinnen Sie die Herzen zurück?

BEER: Unser Ziel ist, die Menschen nicht nur über den Verstand, sondern über die Herzen anzusprechen. Wir wollen klar machen, dass die Idee von Freiheit und Verantwortung etwas für jeden Menschen ist. Dementsprechend zeigen wir ganz bewusst, wie bunt und vielfältig diese Partei ist. Wir haben es auf der Bundesebene mit der Neuaufstellung des Bundesvorstandes gezeigt, aber wir zeigen es momentan auch an allen Ecken und Enden vor Ort, in den Städten, den Gemeinden, den Kreisen. Unsere Mitglieder vor Ort, die dort bekannt sind und Vertrauen genießen, sind unsere Sympathieträger für die liberalen Botschaften.

Frage: Ist der Wandel eine Pflichtübung, weil die FPD nach der Schlappe sparen muss?

BEER: Wir haben eine wesentlich dünnere hauptamtliche Struktur, das ist völlig klar. Das bedeutet, dass wir stärker in Kooperation über die verschiedenen Ebenen miteinander arbeiten. Ich sehe darin die Chance, diese Partei aus den Kommunen und den Landesverbänden heraus neu aufzubauen. Dort ist der Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern schon immer unmittelbarer gewesen. Davon profitieren wir jetzt. Wir wollen jenseits von Satzungsfragen zu Arbeits- und Diskussionsforen kommen und so Potenziale in der Breite der Mitgliedschaft heben. Hier stecken Ideen und Kreativität.

Frage: Klingt fast, als wäre die Niederlage das Beste, was der FDP passieren konnte.

BEER: So würde ich das nicht ausdrücken. Aber letztlich hat diese doch sehr brutale Konfrontation mit vielem, was in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen ist, die Chance geschaffen, aus diesem Tal herauszukommen und sich neue Strukturen zu erarbeiten. Ich erlebe momentan in der Partei eine Offenheit für einen solchen Prozess, die ich vorher nicht erlebt habe.

Frage: Wie sehr stört da, dass Rainer Brüderle mit seiner jüngsten Buchvorstellung alte Themen, etwa die die just überstandene Sexismusdebatte, neu aufrollt?

BEER: Ich schätze Rainer Brüderle als Politiker und als Menschen. Ich habe das Buch als einen persönlichen Abschluss eines sehr, sehr harten Jahres in seinem Leben empfunden. Er strebt kein Amt mehr an, insofern steht das Buch neben der aktuellen Arbeit der FDP.

Frage: Wie stehen Sie zum Thema Vorratsdatenspeicherung?

BEER: Wir sind froh, dass es mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gelungen ist, einen langen Kampf der Liberalen gegen die Vorratsdatenspeicherung juristisch zu untermauern. Es darf keine Neuauflage einer Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie auf europäischer Ebene geben. Die Diskussion in Deutschland, wie man das doch noch irgendwie hinbekommen kann, ist zu beenden. Wir sollten uns vielmehr darum kümmern, wie wir als Europäer sicherstellen, dass Menschen in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten nicht permanent abgehört werden, auch nicht von ausländischen Diensten.

Frage: Die Befürworter sagten, mithilfe der Daten könnten Verbrecher überführt werden. Was entgegnen Sie?

BEER: Wenn es einen Anlass und eine richterliche Verfügung gibt, ja. Wenn aber auf Verdacht 500 Millionen Mitbürger in Europa in ihrer Kommunikation überwacht, abgehört oder ausgespäht werden, ist das absolut unverhältnismäßig.

Frage: Aktuell wird eine Abgabe für Autofahrer diskutiert, um marode Straßen zu erneuern. Eine gute Idee?

BEER: Das ist eine unsägliche Diskussion. Die Menschen, denen jetzt schon durch steigende Sozialabgaben und versteckte Steuererhöhungen durch Nichtabschaffung der kalten Progression in die Tasche gegriffen wird, will man noch zusätzlich schröpfen. Wir haben kein Finanzierungsproblem, sondern eines der Prioritätensetzung im Bundeshaushalt und den Landeshaushalten. Von 23 Milliarden Euro Mehrausgaben der Großen Koalition sind nur 1,8 Milliarden für Investitionen vorgesehen. Da muss sich die Große Koalition den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht genug in die Zukunft investiert. Stattdessen verteilen sie lieber Wahlgeschenke auf Pump.

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