11.08.2013FDP-FraktionEnergiepolitik

BRÜDERLE-Interview für den Euro am Sonntag

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Euro am Sonntag (gestrige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Schmidtutz:

Frage: Herr Brüderle, die Ökostrom-Umlage könnte nach Einschätzung von Fachleuten im kommenden Jahr um rund ein Drittel auf sieben Cent/kWh steigen. Alles nur Panikmache oder halten Sie das für realistisch? 

BRÜDERLE: Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor, aber fest steht: Die Sonne schickt doch eine Rechnung und Rot-Grün hat ein Subventionssystem für die Erneuerbaren Energien hinterlassen, das zur Kostenfalle geworden ist, wie der Anstieg der EEG-Umlage zeigt. FDP und Union haben in den letzten Jahren mit der Kürzung der Solarsubventionen viel getan, um den Anstieg zu verlangsamen. Und hätten sich SPD und Grüne in den Ländern nicht quergestellt, hätten wir bereits eine Strompreisbremse verabschiedet. Alle müssen nach der Wahl zur Vernunft kommen und die rot-rot-grüne Blockadepolitik beenden, sonst gefährden die hohen Stromkosten am Ende Arbeitsplätze. 

Frage: Bei vielen Haushalten und Unternehmen steigt der Unmut über das EEG und den galoppierenden Strompreis. Angesichts dessen soll das EEG nach der Bundestagswahl reformiert werden. Wie müsste aus Sicht der FDP eine entsprechende Neureglung konkret aussehen (Deckelung, Abschmelzung etc.)?

BRÜDERLE: Die Energiewende braucht einen Neustart und das EEG muss grundlegend überarbeiten werden hin zu einem Mengenmodell. Wir Liberalen sprechen uns dafür aus, den EU-Binnenmarkt auch für Erneuerbare Energien entschieden voranzubringen und streben einen garantierten Mindestanteil an. Der Staat gibt also nur noch eine Zielmarke vor, die die Energieversorger erreichen müssen. Ob die Energie dann aus Wind, Sonne, Wasser oder Erdwärme gewonnen wird und wo sie gewonnen wird, kann dem Staat egal sein. Nicht die Subventionshöhe, sondern die Effizienz sollte über den besten Standort entscheiden. Wir hätten endlich echten Wettbewerb zwischen den Erneuerbaren Energien. Bis dahin sollten wir über ein Moratorium nachdenken, denn jeden Tag kommen neue Wind- und Solaranlagen dazu, die wieder für 20 Jahre eine Förderung erhalten, die Schieflage verstärken und Strom teurer machen. 

Frage: Renommierte Ökonomen wie der Düsseldorfer Wettbewerbsexperte Prof. Justus Haucap sprechen mit Blick auf die Energiewende bereits von einer „dezentralen Planverwaltungswirtschaft", und fordern eine Komplett-Abschaffung der fixen Einspeisevergütung. Wäre das ein sinnvoller Ansatz?  

BRÜDERLE: Wir konnten bereits in den letzten vier Jahren beim EEG mehr Wettbewerb durchsetzen, doch mir reicht das noch nicht. Wir müssen daher direkt nach der Wahl das EEG überarbeiten und die von Rot-Grün verordnete teure Überförderung beseitigen. Wir wollen mehr Markt und raus aus der Planwirtschaft. Die Festlegung von Strompreisen durch die Politik darf kein Dauerzustand sein. 

Frage: Gegen das EEG regt sich inzwischen auch in Brüssel Widerstand. Die EU-Kommission will im Oktober ein Beihilfeverfahren wegen der Ausnahmen von der EEG-Umlage für energieintensive Branche eröffnen. Müssen die Ausnahmetatbestände für energieintensive Branchen komplett gestrichen werden oder sollte stattdessen das EEG komplett gestrichen werden? 

BRÜDERLE: Ausnahmen von EEG-Umlage und Stromsteuer für energieintensiv produzierende Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sind zur Sicherung von Beschäftigung und Wirtschaftswachstum am Industriestandort Deutschland unverzichtbar. Anderenfalls drohen Arbeitsplatzverluste durch Abwanderung der Industrie. Das wichtigste Ziel ist jedoch die Begrenzung der Kosten der Energiewende insgesamt. Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, können nicht begünstigt werden, da dies die Umlage für Privathaushalte und den Mittelstand unangemessen erhöht. 

Frage: Den Unternehmen drohen angesichts des möglichen Beihilfeverfahrens der EU im Ernstfall Rückzahlungen für eingesparte EEG-Beiträge und damit zunächst Rückstellungen mit entsprechenden Millionen-Löchern in der Ergebnisrechnung. Muss der Bund den Unternehmen hier eventuell entgegenkommen? 

BRÜDERLE: Wir sollten jetzt erst einmal in Ruhe den Ausgang des Beihilfeverfahrens abwarten. In der EU dauern Entscheidungen mitunter sehr lange und keiner weiß derzeit, wie sie am Ende aussehen wird. Daher sollten wir uns nicht schon jetzt über mögliche Konsequenzen den Kopf zerbrechen, sondern die Probleme dann lösen, wenn sie anstehen. 

Frage: Viele Haushalte mit geringem Einkommen und Hartz-IV-Bezieher trifft die EEG-Umlage besonders hart. Gibt es aus Ihrer Sicht hier Änderungsbedarf, etwa indem der Staat die EEG-Umlage bei Hartz-IV-Empfänger und einkommensschwachen Haushalten dauerhaft übernimmt? 

BRÜDERLE: Deshalb ärgert mich die arrogante rot-grüne Blockade der Strompreisbremse so. Die Herren Trittin und Gabriel verweigern besonders Menschen mit kleinem Geldbeutel eine Entlastung bei den Stromkosten. Deutschland steht mit der Energiewende vor einer großen Herausforderung. Wir müssen die Energieversorgung sicher, bezahlbar und umweltverträglich organisieren – für alle Menschen in Deutschland. Da die Subventionierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien den Strompreis für breite Bevölkerungsschichten über die EEG-Umlage immer weiter in die Höhe treibt, bekommt die Energiewende eine soziale Schieflage, die wir stoppen müssen. Das geht allerdings nicht mit neuen Ausnahmen oder Strom-Sozialtarifen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Strompreise insgesamt und für alle unter Kontrolle bleiben, sonst wird die Akzeptanz der Energiewende noch weiter sinken. Das geht nur mit einer grundlegenden Reform des EEGs.

BRÜDERLE-Interview für den Euro am Sonntag

608-rb_interview_euro_am_sonntag.pdf

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