07.07.2015FDPFDP

LINDNER-Interview: Die Richtung der Erneuerung stimmt

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Frankenpost“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte KERSTIN DOLDE:

Frage: Herr Lindner, wären in Bayern Wahlen, die FDP bekäme laut Umfragen derzeit fünf Prozent der Wählerstimmen. Und Schwarz-Gelb wäre auf Bundesebene möglich. Wie bewerten Sie diese momentanen Umfragewerte?

LINDNER: Wir freuen uns natürlich, dass mancher die FDP wieder auf der Rechnung hat. Es ist noch kein Comeback, sondern nur eine erste Stabilisierung. Es zeigt sich aber, dass die Richtung unserer Erneuerung stimmt. Und Koalitionsüberlegungen haben wir gar keine.

Frage: Nein?

LINDNER: Wir stellen uns ganz eigenständig auf. Die anderen Parteien unterscheiden sich ja nur noch darin, wie sozialdemokratisch sie sein wollen.

Frage: Glauben Sie, dass bei den Menschen diese neue FDP, die Sie präsentieren, angekommen ist? Oder sagen die potenziellen Wähler „Früher war es auch nicht schlecht“?

LINDNER: Das wäre kein Widerspruch, denn wir wollen ja an unsere große liberale Tradition anknüpfen.

Frage: Das heißt?

LINDNER: Wir setzen auf die Marktwirtschaft, den liberalen Rechtsstaat und eine offene, tolerante Gesellschaft. Das sind die Pfeiler, auf denen unser Land steht. Sie erodieren, weil einerseits die Politik sozialdemokratisiert wird und andererseits durch die Pegida-Wutbürger Ressentiments salonfähig gemacht werden. Ohne liberale Stimme ist die innere Liberalität unseres Landes infrage gestellt.

Frage: Was ist seit den Bundestagswahlen 2013 anders als vorher?

LINDNER: 2013 war eine tiefe Zäsur. Die Wähler haben uns den Auftrag gegeben, die FDP zu erneuern. Wir haben den Kern unserer Überzeugung wieder gefunden: Wir wollen den einzelnen Menschen groß machen – und nicht den Staat.

Frage: Wo setzen Sie Ihre Schwerpunkte?

LINDNER: Bildung, wirtschaftliche Vernunft und bürgerliche Freiheitsrechte.

Frage: Das sollen Sie bitte näher erklären.

LINDNER: Bildung, weil sie den Einzelnen in die Lage versetzt, das Leben selbstbestimmt zu führen. Wirtschaftliche Vernunft, weil wir für die Enkel einen handlungsfähigen Staat und die Chance auf Wohlstand garantieren müssen. Und bürgerliche Freiheitsrechte, weil wir unsere Privatsphäre schützen und nicht bevormundet und bespitzelt werden wollen.

Frage: Werden wir bevormundet?

LINDNER: Ja. Flexibilität und Freiheit werden immer mehr begrenzt. Die Agenda 2010 wird zurückgedreht, die Vorratsdatenspeicherung kommt und der Paternoster gilt als zu gefährlich. Jeder Beschränkung der Freiheit folgt eine Kontrollbürokratie.

Frage: Der Bürger vertraut schon gerne mal auf „Vater Staat“. Sie plädieren auf weniger Staat. Muss der aber bei Bildung nicht regulierend eingreifen?

LINDNER: Es geht nicht pauschal um mehr oder weniger Staat, sondern um den richtigen Staat. Ich glaube zum Beispiel, dass wir mehr staatliche Finanzierung im Bildungsbereich brauchen, aber zugleich weniger Bürokratie in der einzelnen Schule.

Frage: Fehlt es Ihrer Meinung nach an der Digitalisierung in den Schulen?

LINDNER: Die Schüler von heute werden morgen in Jobs arbeiten, die es noch nicht gibt. Also dürfen sie nicht mit den Methoden von gestern unterrichtet werden. Die Digitalisierung von Bildung eröffnet neue Möglichkeiten hochindividueller Förderung, wenn sie den klassischen Unterricht klug ergänzt. Ein Tablet-Computer für jeden Schüler wäre keine Utopie, wenn wir das Geld aus dem Rentenpaket der großen Koalition in Bildung investiert hätten.

Frage: Doch wir haben diese Situation: 80000 Schüler verlassen jährlich ohne Abschluss die Schule. Wie würden Sie dieses Problem lösen?

LINDNER: Man müsste schon in der Kita beginnen. Dort muss stärker auf Bildung gesetzt werden. „Sicher, sauber, satt“ reicht nicht. Insbesondere die Sprachförderung muss besser werden. Wer bei der Einschulung nicht Deutsch spricht, der wird nicht gebildet, sondern möglicherweise aggressiv. Später hilft einem schulmüden Jugendlichen vielleicht eine Kombination von praktisch-handwerklicher Tätigkeit mit schulischer Ausbildung.

Frage: Wie stellen Sie sich das genau vor?

LINDNER: Wer dem Mathematik-Unterricht nicht mehr folgen kann oder abgelenkt und frustriert ist, der kann in der Werkstatt bei der Bearbeitung eines Stücks Metall oder Holz vielleicht Freude und neues Selbstbewusstsein finden.

Frage: Die deutsche Wirtschaft steht im Vergleich zu anderen europäischen Staaten bestens da. Wo setzt dann Ihre Kritik an der Politik an?

LINDNER: Ich bin Jahrgang 1979. Und zu meinen Lebzeiten wird sich die gegenwärtige Wirtschaftslage nicht wiederholen, so außergewöhnlich ist die. Noch ist die Babyboomer-Generation der 1960er-Jahre voll aktiv im Berufsleben. Der Staat profitiert von künstlich niedrigen Zinsen, und der für Deutschland zu niedrige Außenwert des Euro beflügelt unsere Exportwirtschaft. Diese Lage müsste man nutzen für Zukunftsinvestitionen, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Vorbereitung des Sozialstaats auf die Alterung der Gesellschaft.

Frage: Die Politik denkt Ihrer Meinung nach also wenig zukunftsgerichtet?

LINDNER: Die Politik ist im Modus der Wohlfühlstagnation. Deutschland hat damit begonnen, seine gegenwärtige Stärke zu verspielen. Deshalb brauchen wir einen Politikwechsel.

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