18.09.2014FDPFDP

LINDNER-Interview: Eines unserer wichtigsten Projekte ist, dass Deutschland das beste Bildungssystem der Welt bekommt

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Bunten“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte TANJA MAY:

LINDNER: Wir sind nie eine Mehrheitsveranstaltung gewesen. 38 Prozent der Deutschen sagen in Umfragen, die FDP wird als Partei gebraucht. Davon wollen wir wieder mehr überzeugen. Das geht nicht im Sprint wie 2012 in Nordrhein-Westfalen. Als ich dort als Spitzenkandidat antrat, lagen wir zwei Monate vor der Wahl bei zwei Prozent. Es wurden dann 8,6 Prozent. Jetzt befinden wir uns bis 2017 auf einer Marathonstrecke. Ich bin aber fest entschlossen, denn mich stört, dass Deutschland in eine träge Selbstgefälligkeit rutscht. Statt unser Land auf die Zukunft mit bester Bildung, Investitionen und soliden Finanzen vorzubereiten, zankt die Große Koalition über die Dobrindt-Maut. Mir fehlen Werte wie Eigenverantwortung, Anstrengung und Unternehmergeist in der Politik. Dafür zu kämpfen, treibt mich an.

Frage: Kennen Sie die aktuelle Sixt-Werbung?

LINDNER: Meinen Sie die mit dem rappenden Roberto Blanco?

Frage: Nein, ich meine die Veräppelung Ihrer Partei. Sixt zeigt ein Mercedes-Cabrio und darunter steht: „Mehr Sitze als die FDP.“

LINDNER: Das muss ein Cabrio-Bus sein, denn wir haben 67 Sitze in Parlamenten. Allerdings ist klar, dass wir die Trendwende noch nicht erreicht haben. Ich habe unmittelbar nach der Bundestagswahl gesagt: Der Wiederaufbau der FDP wird ein Kraftakt.

Frage: Sind Sie und Ihre jungen Parteikollegen nicht selbst schuld daran, dass die FDP kaputtgegangen ist?

LINDNER: Ich trage als Vorsitzender für das Heute Verantwortung – nicht für gestern. Wir haben Fehler aufgearbeitet und den Kurs geklärt. Beispielsweise sind wir die einzige Partei, die in der Energiepolitik die immer neuen Subventionen für Öko-Strom streichen will, weil das die Preise treibt und technische Innovationen bremst. Dafür hatte ich schon zu Regierungszeiten geworben.

Frage: In der Ära Guido Westerwelle ab 2001, später dann unter dem Vorsitzenden Philipp Rösler wirkte die FDP, als würde ihr das ideologische Grundgerüst fehlen.

LINDNER: Ich sehe eher Probleme bei der Umsetzung dessen, was wir als richtig erkannt hatten. Jedenfalls wird die FDP unter meiner Führung weiter eine Partei sein, die zuerst Vertrauen in die Eigenverantwortung der Menschen setzt, weniger in den Staat. Der Einzelne soll aber die faire Chance haben, das Beste aus seiner Freiheit zu machen. Deshalb ist eines unserer wichtigsten Projekte, dass Deutschland das beste Bildungssystem der Welt bekommt.

Frage: Bürgerrechte, Freiheitsrechte, Datenschutz waren doch noch nie so gefährdet wie heute. Doch bei der FDP dreht sich alles nur um Geld- und Steuerthemen. Kein Wunder, dass Ihnen die Wähler davonlaufen und lieber die rechtskonservative AfD wählen.

LINDNER: Erstens lasse ich mir den Vorwurf gern gefallen, der FDP sei wirtschaftliche Vernunft besonders wichtig. Wenn die Große Koalition die Schuldenbremse aufweichen und den Soli bis in alle Ewigkeit verlängern will, gibt es da offenbar Bedarf. Zweitens ist der Datenschutz ein liberales Kernanliegen. Was privat ist, soll auch privat bleiben. Gegenüber kommerziellen Datensammlern wie Google brauchen wir wirksame Regeln, am besten in Europa. Drittens spornt die AfD mich an, noch klarer Gegenpositionen zu beziehen. Diese Formation macht gegen das Freihandelsabkommen mit Nordamerika genauso Stimmung wie die Linkspartei, weil sie sich zurück in nationalstaatliche Romantik träumen wollen. Ich halte dagegen den Freihandel nicht nur für einen Wachstumsturbo, sondern auch für eine einmalige Chance, weltweit beachtete soziale und ökologische Standards zu setzen.

Frage: Wo steckt eigentlich Wolfgang Kubicki? Seitdem er Ihr Stellvertreter ist, hat er als FDP-Kritiker Kreide gefressen ...

LINDNER: Jetzt gehört Wolfgang Kubicki zur Führung. Wir arbeiten gemeinsam an dem, was er früher kritisiert hat. Eine Saison spielen wir in der zweiten Bundesliga. Aber ich garantiere Ihnen, dass wir den Aufstieg schaffen werden. Ich wette sogar mit Ihnen, dass die FDP 2017 wieder im Deutschen Bundestag sein wird.

Frage: Im September 2013 habe ich mit Sigmar Gabriel gewettet, dass die SPD die Wahl verliert. Auf die Flasche Rotwein, die er mir versprach, warte ich heute noch. Aber wir können gern wetten.

LINDNER: Wenn die FDP wieder im Bundestag ist, laufen Sie Marathon. Ich laufe dann mit.

Frage: Abgemacht! Beneiden Sie Philipp Rösler um seinen tollen Job in der freien Wirtschaft? Er reist um die Welt, verdient viel Geld und muss sich nicht mehr ständig öffentlich kritisieren lassen.

LINDNER: Ich wünsche ihm Fortune für seine Aufgabe bei der Stiftung. Ich bin aber leidenschaftlich gern Abgeordneter. Wie könnte ich also jemanden beneiden, der unfreiwillig aus der Politik ausscheiden musste? Philipp Rösler hat sich für einen Wechsel gewiss auch andere Umstände gewünscht. Was mich betrifft, habe ich eine herausfordernde und ziemlich einmalige Aufgabe. Ich würde mit niemandem tauschen.

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