17.12.2014FDPFDP

LINDNER-Interview für den „Kölner Stadt-Anzeiger“: Es geht um eine Idee

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Kröter.

Frage: Herr Lindner, ein Jahr nach der Bundestagswahl sind Union und SPD in den
Umfragen so stark wie bei der Bundestagswahl. Die FDP schafft kaum halb so viel. Was haben Sie falsch gemacht?

LINDNER: Es ist wie im Fußball. Wir haben die FDP nach ihrem Abstieg in die 2. Liga übernommen. Für den Aufstieg 2017 haben wir unsere klassische Haltung wiedergefunden: Wir setzen auf starke Wirtschaft, beste Bildung und Respekt vor der Vielfalt in unserem Land.

Frage: Die Große Koalition macht ziemlich genau die Politik, die Sie ihr unterstellen
- sozialdemokratisch, mit Hang zum Geld verteilen. Trotzdem findet Ihre Kritik wenig Gehör.

LINDNER:  Wir sind Anhänger der Pressefreiheit. Natürlich würde ich mir mehr Platz für unsere Positionen wünschen. Entscheiden müssen aber Sie, welche Argumente Sie präsentieren.

Frage: Wenigstens Angela Merkel wundert sich, dass viele die FDP abschreiben.

LINDNER: Es geht doch nicht um die FDP als Partei, sondern um eine Idee. Im Bundestag fehlt eine Stimme für wirtschaftliche Freiheit und gegen Bürokratie, für die Freude an Chancen und für Bürgerrechte. Keiner denkt trotz staatlicher Rekordeinnahmen und Niedrigzinsen daran, dass die Bürger eine Belastungsgrenze haben. Alle Parteien wollen dem Soli eine Ewigkeitsgarantie verpassen - wie die Sektsteuer von Kaiser Wilhelm.

Frage: Das formulieren Sie sehr schön drastisch. Aber fantasievolle Kampagnen gegen diese Politik gibt es nicht.
LINDNER: Warten Sie mal ab. Wir werden aber seriös bleiben. Ihre Fragen zeigen einen bemerkenswerten Wandel. Vor einem Jahr bin ich gefragt worden: Warum ist die FDP noch nötig? Heute fragen Sie: Wie findet die FDP wieder Gehör?

Frage: Sie betonen ihre Seriosität. Aber wenn ich an Wahlkämpfe denke wie in Hamburg,
wo Ihre Kandidatin Frau Suding als der richtige Mann für die Stadt präsentiert wird...

LINDNER: Das wollen Sie doch nicht in einen Topf werfen.

Frage: Beides sind verzweifelte Versuche, originell zu sein.

LINDNER: Nein, in Zeiten der Frauenquote ist da eine Botschaft. Katja Suding wurde lange als die hübsche Frau der FDP abgetan. Mit dem Klischee spielen wir, denn sie hat ja bewiesen, dass sie ein ganzer Kerl ist. Der FDP liegt die Weltoffenheit und wirtschaftliche Stärke Hamburgs am Herzen, die man gegen grüne Bremser und die aus ehemaligen Schill-Leuten bestehende AfD verteidigen muss.

Frage: Aber der ganze Kerl hat in den Umfragen ganze zwei Prozent.

LINDNER: So habe ich 2012 meinen Wahlkampf auch begonnen. Liberale lieben Herausforderungen. Sichere Karrieren gibt es bei uns keine, aber dafür das gute Gefühl einer inneren Unabhängigkeit.

Frage: Innerparteilich haben sie einen „Zukunftsdialog" begonnen.

LINDNER: Ja, denn Liberalismus hat nichts mit dem Streben nach Einkommen zu tun. Er ist eher wie das Gefühl, als man in die erste eigene Wohnung gezogen ist: Die Freude an der Unabhängigkeit und die Lust, jetzt die eigene Zukunft anzupacken.

Frage: Und dieses Gefühl soll in ein neues Grundsatzprogramm.

LINDNER: Wir werden eine Art Manifest verfassen. Die FDP war für Veränderung und Fortschritt offen. Wir leben jedoch in einer Zeit, die geprägt ist von Sicherheitsdenken, Besitzstandswahrung und Neid.

Frage: Das hat schon Ihr Amtsvorvorgänger Guido Westerwelle behauptet.

LINDNER: Und er hatte Recht. Dann kam die Agenda 2010, die gerade zurückgedreht wird. Wenn Merkel und Gabriel das fortsetzen, sind wir bald wieder so verkrustet wie am Ende der Regierung Helmut Kohl - mit einem Unterschied: Damals hat der Bundesrat
blockiert, der von der SPD unter Oskar Lafontaine geführt war. Heute blockiert die Bundesregierung sich selbst.

Social Media Button