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Merkel hat die Zukunft nicht im Blick

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff
07.10.2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident, Francois Hollande, haben im Europaparlament gesprochen. Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des EU-Parlaments, warf ihnen vor: "Zu viel Vergangenheit, zu wenig Zukunft. Zu viel Beschreibung, zu wenig neue Ideen. Zu viel nationale Befangenheit, zu wenig europäische Vision. Die Bestätigung laufender Projekte ist nicht dasselbe wie eine europäische Grundsatzrede."

Insbesondere in der Syrien-Frage hätten Merkel und Hollande keine gemeinsame Linie, betonte der Freidemokrat. "Sich Assad und den IS hinwegzuwünschen, wie es der französische Präsident tut, ist wohlfeil, denn nach der russischen Intervention sitzt Assad fester im Sattel als je zuvor. Aus Berlin dagegen ist überhaupt nichts zu hören", berichtete er. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es nach über vier Jahren Bürgerkrieg immer noch keine funktionierende Syrien-Kontaktgruppe gibt. Aus Sicht von Lambsdorff ist der Schlüssel zum Erfolg ein Format nach Vorbild der Iran-Verhandlungen unter Vorsitz der EU. Er mahnte: "Nur so werden wir den Zustrom an Flüchtlingen unter Kontrolle bringen und den Menschen eine Rückkehr-Perspektive in ihre Heimat eröffnen können."

Europa brauche eine gemeinsame Asylpolitik, dies versuchten die Mitgliedstaaten bisher allerdings nach Kräften zu verhindern, kritisierte Lambsdorff. "Statt bereits nach dem Bootsunglück vor Lampedusa im Oktober 2013 entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, haben die Staats- und Regierungschefs viel zu lange die Hände in den Schoß gelegt und die Innenminister haben gebremst, wo sie nur konnten."

Deutsch-französische Glaubwürdigkeitskrise

"Aus dem Mund eines französischen Präsidenten, unter dem die französische Wirtschaft nicht aus der Krise kommt und der keine Gelegenheit auslässt, den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufzuweichen", klinge der Ruf nach einem starken Europa hohl, monierte Lambsdorff. In der Außen- und Sicherheitspolitik setze Hollande außerdem auf nationale Alleingänge und die bilaterale Zusammenarbeit mit Großbritannien statt auf gemeinsame europäische Ansätze.

Auch das Bekenntnis zu einer europäischen Zukunft klinge wenig glaubwürdig "aus dem Mund einer Kanzlerin, die die entscheidenden Weichenstellungen ihrer Kanzlerschaft ohne Rücksicht auf die Nachbarn und die gemeinsamen europäischen Regeln vorgenommen hat", resümierte der Freidemokrat. Er führte dabei die Merkel-Entscheidungen aus vier Jahren ins Feld: Von der urplötzlichen Energiewende über den Bruch des ESM-Vertrages bis zur hakenschlagenden Flüchtlingspolitik der letzten Wochen.

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