20.04.2015FDPSteuern

STEINER-Gastbeitrag: Mit der Keule

Berlin. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl LENCKE STEINER schrieb für „The European“ (Online-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Mit dieser Forderung unseres Grundgesetzes muss auch die Erbschaftsteuer vereinbar sein. Wer weniger oder gar keine Erbschaftsteuer zahlen will, muss dafür tragende, dem Gemeinwohl verpflichtete Gründe haben. Der Erhalt von Arbeitsplätzen, Unternehmen und Wachstum zählen dazu. Die Zahlung von Erbschaftsteuer darf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder gar die Existenz von Betrieben nicht gefährden. Der Gesetzgeber hat deshalb – in einem breiten politischen Konsens – Unternehmen bei der Erbschaftsteuer entlastet, wenn diese langfristig weitergeführt werden und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ziel ist der reibungslose Betriebsübergang zum Wohle aller.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die aktuell gültigen Besteuerungsregeln für vererbtes Betriebsvermögen nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar sind. Zu viele Unternehmen hätten davon profitiert. Gleichzeitig hat das Gericht aber auch Wege aufgezeigt, wie eine verfassungskonforme Lösung aussehen könnte – mit einigen überschaubaren Änderungen. Dementsprechend wollte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ursprünglich nur „minimalinvasiv“ ans Werk gehen. Statt des Operationsbestecks hat er jedoch die große Keule hervorgeholt: Familienbetrieben steht eine kräftige Steuererhöhung bevor.

Es droht sogar eine kaum getarnte Vermögensteuer, indem das Privatvermögen der Erben in die Steuerbemessung miteinbezogen werden soll. Zudem laufen die Reformpläne auf bürokratische und streitanfällige Bewertungen von Unternehmenswert und „betriebsnotwendigen Betriebsvermögen“ hinaus. Den schon jetzt seitenlangen Vorschriften zum Betriebsübergang dürften noch ein paar weitere Paragrafen hinzugefügt werden.

Familienbetriebe verdienen aber unseren Respekt, keine neuen Belastungen. Deshalb ist eine schnelle und pragmatische Lösung gefragt, die Rechtssicherheit für die Unternehmen schafft. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass ab einer gewissen Unternehmensgröße das Bedürfnis geprüft werden muss, ob eine Verschonung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer wirklich erforderlich ist. Einverstanden! Aber eine Freigrenze von 20 Millionen Euro, wie Wolfgang Schäuble sie vorsieht, ist viel zu gering. So wird möglicherweise schon bei einem Jahresgewinn von knapp über einer Million Euro eine Bedürfnisprüfung fällig. Damit auch mittelgroße Familienunternehmen einen Betriebsübergang unbeschadet überstehen, sollte die Obergrenze bei mindestens 100 Millionen Euro liegen – und nicht als Freigrenze gestaltet sein, sondern als Freibetrag.

Noch ein wichtiger Punkt: Für Unternehmen mit „einigen wenigen“ Beschäftigten hält das Bundesverfassungsgericht eine automatische Steuerbefreiung für zulässig. Der Verzicht auf die sogenannte „Lohnsummenregelung“ sollte deshalb daran festgemacht werden, ob ein Betrieb weniger als zehn Beschäftigte hat – und nicht an einem nur schwer festzustellenden Unternehmenswert von einer Million Euro.

Alles ganz schön kompliziert. Wäre es da nicht viel leichter, die Erbschaftsteuer einfach für alle abzuschaffen – für Unternehmer und für Privatleute? Auch das würde die Gleichheit vor dem Gesetz herstellen. Der Gedanke hat einiges für sich. Alles, was vererbt wird, wurde bereits mindestens einmal versteuert. Und wäre die Abschaffung der Erbschaftsteuer nicht nachhaltig – im besten Sinne des Wortes?

Es ist höchste Zeit für einen umfassenden Begriff der Nachhaltigkeit, der nicht nur die Umwelt im Blick hat, sondern auch die Staatsfinanzen, die Sozialsysteme und die private Lebensplanung. Eltern, die sparen, wollen, dass ihre Kinder etwas davon haben. Der Landwirt will seine Scholle über Generationen hinweg weitervererben. Und der Unternehmer seinen Betrieb in gute Hände übergeben – davon haben nicht nur die Erben etwas, sondern alle Beschäftigten und ihre Familien. Ihnen allen sollte der Staat nicht im Wege stehen. Mit rund 0,7 Prozent der Steuereinnahmen liegt der Ertrag der Erbschaftsteuer ohnehin in einem überschaubaren Bereich, und insgesamt sprudeln die Steuerquellen Jahr für Jahr kräftiger.

Ein erster Reformschritt könnte darin bestehen, die Erhebung der Erbschaftsteuer auf die Länder zu übertragen. Das Aufkommen steht ihnen ohnehin zu. So käme endlich ein Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern in Gang: Das Land mit der bürger- und unternehmensfreundlichsten Ausgestaltung der Erbschaftsteuer hätte die Nase vorn. Ein Wettstreit um den geringsten Steuersatz wäre zugleich der Einstieg in den Ausstieg aus der Erbschaftsteuer.

Bei alldem dürfen wir unseren Antrieb nicht aus den Augen verlieren: Es geht nicht um die Bankkonten von einigen wenigen; es geht darum, dass unser Land wirtschaftlich stark bleibt und alle davon profitieren. Deutschland zeichnet sich durch die Vielfalt seiner Unternehmen aus: eine Reihe von internationalen Konzernen, viele kleine Betriebe und vor allem ein breiter Mittelstand, der zum Großteil aus familiengeführten Betrieben besteht. Diese Mischung hat wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise gut gemeistert hat.

Nicht zuletzt hat die mittelständische Unternehmensstruktur auch dazu geführt, dass in der deutschen Wirtschaft Augenmaß und menschliche Maßstäbe größer geschrieben werden als anderswo. All das steht auf dem Spiel, wenn die Erbschaftsteuer zum Spielball der Politik oder von ideologischen Verteilungskämpfen wird. Das sollten wir nicht zulassen.

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