FDPDoppelinterview

Wir arbeiten an den Antworten auf die Fragen unserer Zeit

Volker Wissing und Christian LindnerVolker Wissing und Christian Lindner bei der "Rhein-Zeitung"
26.06.2015

FDP-Chef Christian Lindner und FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing sprechen im Doppel-Interview für die "Rhein-Zeitung" über die Chancen der FDP bei den Landtagswahlen in 2016, über die Griechenland-Hängepartie und die Vorratsdatenspeicherung. Gegen die bereite die FDP bereits eine Verfassungsklage vor, kündigt Lindner an. Mit Blick auf die Parteienlandschaft unterstreichen die Freien Demokraten  einmal mehr: "Wir sind ein völliges Kontrastprogramm." Lindner hebt hervor: "Wir arbeiten an marktwirtschaftlichen Antworten auf die Fragen unserer Zeit."

Die Griechen dürfen nicht weiter Tarnen, Tricksen und Täuschen

Gemeinsam mit Volker Wissing hat Chrsitian Lindner im Doppelinterview mit der Rhein-Zeitung auf marktwirtschaftliche Reformen in Griechenland gedrängt und die Wohlfühlstagnation in Deutschland kritisiert.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Frage: Die Griechenland-Hängepartie dauert an. Schauen Sie nachdenklich auf die interne Debatte zurück, als FDP-Rebell Frank Schäffler Hilfen ablehnte?

LINDNER: Die Entscheidungen waren richtig. 2010 drohte eine Kernschmelze im Finanzsystem. Es war richtig, zeitweilig Rettungsschirme aufzuspannen, unter denen marktwirtschaftliche Reformen nachgeholt werden können. Daher ist es nur konsequent: Neue Hilfen für Griechenland kann es nur gegen Reformen geben. Wir sind in Sorge, dass Deutschland und die Institutionen zu nachgiebig sein könnten. Das würde einen politisch gefährlichen Dominoeffekt auslösen. Ich fürchte nur, dass längst Weichmacher in Brüssel unterwegs sind. Aber die Griechen dürfen nicht weiter mit Tarnen, Tricksen und Täuschen ganz Europa am Nasenring herumführen.

Frage: Dann könnte der Internationale Währungsfonds aussteigen.

LINDNER: Genau. Den hat seinerzeit die FDP dringend in die Troika hineingebeten. Dort wachen 188 Mitgliedstaaten darüber, dass Zahlen eingehalten und nicht verdreht werden. Ohne IWF gerät Europa wieder in die Mauschelei – und damit tiefer in die Krise zurück.

Frage: Welche Verantwortung hat Deutschland?

LINDNER: Die Große Koalition trägt eine erhebliche Mitverantwortung an der jetzigen Situation. Entscheidungen wie die Rente mit 63 und ständig neue Staatsausgaben haben schließlich signalisiert, dass auch die deutsche Regierung aus Opportunität den Pfad solider Finanzpolitik verlässt. Und: Auf Betreiben der SPD hat Frankreich auch noch Rabatt beim Stabilitätspakt erhalten. Damit hat auch die Große Koalition Europa auf die schiefe Ebene gebracht.

Frage: Sie planen einen Urlaub in der Sonne – unter griechischer?

LINDNER: Nein, in Spanien.

Frage: Dort machen – von Griechenland angestachelt – auch Linkpopulisten mobil. Ist es nicht alarmierend, dass bei den jüngsten Wahlen in Europa Rechts- wie Linkspopulisten Zulauf haben?

WISSING: Das ist ein Alarmzeichen. Die spanischen Linkspopulisten wollen auch selbst entscheiden, was sie mit dem Geld der anderen machen. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland zeigt: Das ist mit uns nicht zu machen, wir wollen wissen, was mit unserem Geld passiert. Ansonsten wird sich auch in Deutschland die politische Landschaft radikalisieren.

Rückbesinnung auf den Kern

Frage: Sie haben zwei erfolgreiche Wahlen hinter sich, fühlen sich nicht übern Berg, aber im Vorgebirge. Was ist neu an der FDP?

LINDNER: Wir wollen nicht krampfig neu sein, sondern relevante Positionen beziehen. Wir orientieren uns am einzelnen Menschen und seinem Recht, auf seine Weise glücklich werden zu können. Deshalb ist unser erster Schwerpunkt: Wir wollen die weltbeste Bildung. Ohne gute Bildung sind keine Freiheit und Chancengleichheit möglich. Das wird auch in Rheinland-Pfalz für Volker Wissing ein Schwerpunkt. Und: Wir wollen Bürger und Betriebe vor überflüssiger Bürokratie, Bespitzelung, Bevormundung und Abkassieren schützen, damit sie frei entscheiden können. Das ist die FDP. Sagen Sie, ob es neu ist.

Frage: Das klingt nach Rückbesinnung auf die Zeit vor Guido Westerwelle.

WISSING: Das ist eine Rückbesinnung auf den Kern.

Verfassungsklage gegen Vorratsdatenspeicherung

Frage: Wird die FDP gegen die Vorratsdatenspeicherung vors Bundesverfassungsgericht ziehen?

LINDNER: Ja. Wir werden unsere Parteifreunde Gerhart Baum und Burkhard Hirsch als Prozessbevollmächtigte beauftragen. Sie werden für eine größere Gruppe der FDP klagen, wenn das Gesetz vorliegt. Verteidigen Regierung und Bundestag die bürgerlichen Freiheitsrechte nicht, dann tun wir das. Liberale haben das Abwehrrecht gegen den Staat einmal durchgesetzt. Wir werden nicht ohne Widerstand den Marsch zurück in den Kontrollstaat gehen.

Frage: Ist vielen Menschen nicht die Sicherheit wichtiger?

WISSING: Viele Deutsche haben sich aufgeregt, dass gesammelte Daten an andere Staaten weitergeleitet wurden. In dieser Situation dem Staat die Möglichkeit zu geben, mehr Daten zu sammeln, ist nicht zu fassen.

LINDNER: Eine demokratische Verfassung ist keine Frage von Mehrheit, sondern die Frage nach dem Schutz des Einzelnen.

Frage: Besorgt es Sie nicht, dass andere Staaten deutschen Nachrichtendiensten nicht mehr trauen und weniger Daten, sprich auch Sicherheitshinweise austauschen wollen?

LINDNER: Die USA haben seit dem 11. September 2001 eine traurige Entwicklung genommen. Offene westliche Demokratien mit Meinungs- und Pressefreiheit sind verletzbar durch jene, die Freiheit und Offenheit hassen. Wenn wir aber angesichts terroristischer Bedrohung Freiheit und Offenheit opfern, haben Feinde schon kampflos gewonnen. Konsequenz aus Anschlägen wie in Paris muss es doch sein, dass wir unsere Wehrhaftigkeit mit Blick auf die Freiheit stärken – durch bessere Polizeistrukturen und angemessene Ausstattung. Dafür brauchen wir aber keine Grundrechtseingriffe.

Flucht und Zuwanderung

Frage: Wie ist die FDP-Position beim Thema Flucht und Zuwanderung?

WISSING: Der rheinland-pfälzische FDP-Justizminister Peter Caesar hat den ersten und modernsten Entwurf zu einem Einwanderungsgesetz noch in Bonn in den Bundesrat eingebracht. Es scheiterte damals an der Union. Danach wurde das Thema weithin verschlafen. Wir müssen anfangen, bei der Zuwanderung unsere Interessen zu formulieren. Wen wollen wir haben, mit welcher Qualifikation? Das ist doch nichts Schlimmes, sondern ein klares Signal. Beim Asyl tragen wir historische Verantwortung. Jeder, der einen Asylgrund hat, dem ist es zu gewähren. Um dies zu ermöglichen, muss man das Recht vollziehen, wenn es keinen Asylgrund gibt. Diese Rechtskultur brauchen wir, um Vertrauenskrisen zu begegnen.

Marktwirtschaftlichen Antworten auf die Fragen unserer Zeit

Frage: 2009 hat die FDP stark vom Frust über die Große Koalition profitiert. Heute scheinen die Deutschen zufrieden. Oder sehen Sie einen anderen Trend?

LINDNER: Es gibt die Wohlfühlstagnation. Die CDU ist derzeitig sehr stark, weil sie von der außenpolitischen Rolle der Kanzlerin profitiert. Gleichzeitig merken aber auch viele, dass wir Zukunft nur noch verbrauchen – etwa mit der Rente mit 63, den geringen Investitionen in Straßen und ins digitale Netz. Die Große Koalition verwaltet nur den Status quo. Wir arbeiten an marktwirtschaftlichen Antworten auf die Fragen unserer Zeit: Digitalisierung, Globalisierung, die demografische Entwicklung unseres Landes.

Frage: Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat die Digitalisierung zum Großthema erhoben. Passiert genug?

WISSING: Nein. Sie beschäftigt sich damit, wie sie Defizite der Vergangenheit aufarbeitet. Rheinland-Pfalz muss sich aber einen Vorsprung erarbeiten. Ihr Anspruch ist mir zu gering. Wir wollen Rheinland-Pfalz zu einem Vorbildland in der digitalen Struktur machen. Keiner darf eine negative Standortentscheidung treffen, weil er nicht ans Netz kommt. Deshalb müssen Investitionen in die Infrastruktur wieder im Vordergrund stehen – auch im Straßenbau.

Mit diesen Themen will die FDP punkten

rage: Die FDP hat acht Monate vor der Wahl im Land noch ein Wahrnehmungsproblem. Mit welchen Themen wollen Sie im Land punkten?

WISSING: Wir wollen beste Bildung für jeden in Rheinland-Pfalz. Wir wollen eine bessere frühkindliche Bildung, die berufliche Bildung aufwerten. Wir wollen auch mit einem Schulfreiheitsgesetz mehr Verantwortung an die Schulen geben. Wir wollen diesem Land wieder mehr Mut machen – ohne Angst vor neuer Technologie. Die Forschungsmittel für die Universitäten sind viel zu gering. Und wir wollen, dass Unternehmen wieder investieren. Es ist doch ein Alarmsignal, wenn die BASF erstmals nur in die Erhaltung ihrer Substanz investiert. Industrielles Wachstum bleibt hinter dem Bundesdurchschnitt zurück. Das wollen wir wieder ändern. Wir haben sehr gute Gespräche mit den Lehrerverbänden geführt. Die Wirtschaft setzt große Hoffnungen in uns.

Frage: Wo liegen Ihre politischen Präferenzen, wenn Sie zur Stärke zurückfinden, wieder Koalitionspartner zu werden?

WISSING: Wir setzen auf Inhalte, wollen Infrastrukturdefizite aufarbeiten, mehr für Bildung tun.

Frage: Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke warnte ihre Partei vor der Gefahr, beim Duell zwischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und CDU-Herausforderin Julia Klöckner medial unterzugehen? Müssen Sie diese Furcht nicht teilen?

WISSING: Wenn Frau Lemke sagt, dass sie sich vorstellen kann, sowohl mit Frau Dreyer wie Frau Klöckner ihre Wirtschaftspolitik fortzusetzen, sagt dies schon viel über beide Volksparteien. Wir sind ein völliges Kontrastprogramm. Wir wollen eine andere Wirtschaftspolitik – wir wollen zu dem zurück, was wir einmal hatten: 19 Jahre skandalfreie, erfolgreiche Wirtschaftspolitik, 19 Jahre solide Haushaltspolitik und 19 Jahre eine an der Zukunft orientierte technologiefreundliche Politik.

Diesen Artikel:

Social Media Button