FDPRechtspopulismus

AfD nicht zu Märtyrern machen

Christian LindnerChristian Lindner verurteilt die überspitzte Rhetorik der Rechtspopulisten
09.02.2016

Der jüngste AfD-Shitstorm hält an: Nach Äußerungen von Parteichefin Frauke Petry zum Schusswaffengebrauch der Polizei bei illegalen Grenzübertritten verurteilten die Freien Demokraten die rechte Rhetorik. FDP-Chef Christian Lindner warnte aber auch davor, durch überzogene Reaktionen den Rechtsextremen in die Hände zu spielen: "Die schreckliche Schießbefehl-Forderung der AfD ist ein gezielter Tabubruch, um rechtsradikale Wähler zu mobilisieren. Ich frage mich, warum alle Welt denen auf den Leim geht und dem Bedeutung gibt?" FDP-Vize Wolfgang Kubicki mahnte, dass ein Ausschluss der AfD von öffentlich-rechtlichen Fernsehdebatten eher zu einer vermeidbaren Solidarisierung in Teilen der Bevölkerung mit der AfD führen könnte.

"Überzeugte Demokraten sollten die AfD in möglichst vielen Debatten stellen und damit den Zulauf begrenzen, anstatt ihn durch wenig durchdachte Äußerungen zu beschleunigen", unterstrich Kubicki in der "Welt". Das Vorgehen von führenden SPD-Politikern im Vorfeld der "SWR"-Elefantenrunde ist vor diesem Hintergrund für die FDP wenig verständlich.

Deutschland muss aus der Mitte regiert werden

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer kritisierte auf Facebook: "Da wächst offenbar zusammen, was zusammen gehört. Die unsäglichen Äußerungen der AfD zum Schießbefehl machen deutlich, wie nahe der rechte Rand am linken liegt. Die haben in der Geschichte schon einmal einen solchen Befehl an unserer Grenze ausgegeben. Deutschland muss aus der Mitte regiert werden. Sachlich, zukunftsorientiert, menschlich. Dafür stehen die Freien Demokraten."

Strategie der SPD wird nach hinten losgehen

Vom Ton der AfD-Rhetorik zeigte sich auch FDP-Präsidiumsmitglied Alexander Graf Lambsdorff zutiefst angewidert. "Man kann gar nicht so viel essen..." ließ er über Twitter verlauten. Die Reaktion von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der gegenüber der "Bild" meinte, dass die AfD in den Verfassungsbericht gehöre, verfehlt jedoch aus liberaler Sicht ihren Zweck. "Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass die Regierenden in Berlin alles dafür tun, die AfD groß zu machen", kritisierte Kubicki.

"Der Verfassungsschutz braucht keine Aufforderung von Sigmar Gabriel und anderen, die AfD zu beobachten", so Kubicki weiter. Der Freidemokrat stellte klar, dass der Verfassungsschutz einen gesetzlichen Auftrag habe, an den er gebunden sei. "Man sollte auch nicht den Eindruck erwecken, der Verfassungsschutz könne politisch instrumentalisiert werden", verdeutlichte er.

Schusswaffengebrauch an der Grenze

Richtig ist zwar, dass der Schusswaffengebrauch im Grenzdienst nach dem Wortlaut des § 11 UZwG grundsätzlich möglich ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Anwendung des § 11 UZwG nur in sehr engen Grenzen im Einzelfall möglich ist. Und zwar laut dem BGH (Urt. v. 26.10.1988, Az.: 3 StR 198/88) nur  im Interesse einer wirksamen Grenzsicherung vor besonders gefährlichen Tätern.

Bei der unerlaubten Einreise von Flüchtlingen liegen diese Voraussetzungen allerdings faktisch nie vor. Von der Schusswaffe dürfen Grenzbeamte also nur dann Ge-brauch machen, wenn von dem Flüchtenden eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (BGH, NJW 1989, 1811, 1813), insb. von Leib und Leben von Menschen (BGH, NJW 1993, 141, 146) ausgeht, etwa wenn die Flüchtlinge die Beamten ihrerseits mit einer Schusswaffe oder Sprengstoff bedrohen.

Dieser Maßstab wird vom BGH in seinem berühmten Mauerschützen-Urteil (BGH 5 StR 370/92 - Urteil vom 3. November 1992) bestätigt. Darin stellt der BGH klar, dass der Schusswaffengebrauch gegen Menschen angesichts seiner unkontrollierbaren Gefährlichkeit auch im Grenzgebiet (§ 11 UZwG) auf die Verteidigung von Menschen beschränkt werden sollte, mithin auf Fälle, in denen von demjenigen, auf den geschossen wird, eine Gefährdung von Leib oder Leben anderer zu befürchten ist.

Angesichts des geltenden Notwehr- und Notstandsrechts wäre die Vorschrift des § 11 UZwG insofern eigentlich obsolet. Würde ein Grenzbeamte gleichwohl auf einen unbewaffneten, ihn nicht angreifenden Flüchtlingen schießen, würde er sich sogar strafbar machen.

Bei Kindern ist der Schusswaffengebrauch im Übrigen schon nach dem Gesetz ausgeschlossen. Um dies zu erkennen, muss man sich nur die nachfolgende Norm ansehen. Der § 11 UZwG konkretisierende und insofern vorgehende § 12 Absatz 3 UZwG stellt nämlich klar, dass gegen Personen, die sich dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter befinden, Schusswaffen nicht gebraucht werden dürfen.

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