29.11.2016FDPBildung

BEER-Interview: Das Ergebnis der Bildungsstudie ist erschreckend

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER gab der „Huffington Post“ das folgende Interview. Die Fragen stellte JÜRGEN KLÖCKNER:

Frage: Frau Beer, die heute vorgestellte TIMSS-Studie stellt dem deutschen Schulsystem ein miserables Zeugnis aus. Ein schlechtes Omen für die Pisa-Studie?

BEER: Hier ging es vor allem um Mathematik und Naturwissenschaften, PISA ist umfassender. In den letzten Jahren haben wir nach dem PISA-Schock deutlich aufgeholt. Ich bin deshalb auch in diesem Jahr vorsichtig optimistisch.

Frage: Deutsche Schüler sind Durchschnitt in Mathematik, nur jeder Zwanzigste erreicht Top-Niveau. Wächst hier eine Generation von Mathe-Muffeln heran?

BEER: Das Ergebnis ist erschreckend und nicht akzeptabel. Hier muss dringend gegengesteuert werden. Bei Mathematik geht es grundlegend um logisches Denken, das ist Basis weit über die Naturwissenschaften hinaus. Allerdings ist mir schon immer aufgefallen, dass es in Deutschland gesellschaftlich akzeptiert ist, schlecht in Mathematik zu sein. Es ist mir in keinem anderen Land begegnet, dass so viele – auch sehr intelligente Menschen – fast schon kokett erzählen, wie schlecht sie in Mathematik waren. Das ist kein gutes Vorbild.

Frage: Welche Schulnote würden Sie dem deutschen Schulsystem geben?

BEER: Eine Zwei bis Drei.

Frage: Was braucht es für eine Eins?

BEER: Wir müssen unsere Schulen und Lehrer aus der Kreidezeit in das digitale Zeitalter holen. Unseren Lehrer muss klar werden, dass sie Kinder nur fit für die Zukunft machen, wenn sie ihnen digitale Kompetenzen beibringen. Die Zusammenhänge zu verstehen und selbst gestalten zu können, bringt gleichermaßen Schutz und Teilhabe. Wir wissen aus Studien, dass heutige Erstklässler nach ihrem Schulabschluss zu 60 Prozent in Berufen arbeiten werden, die es noch nicht gibt. Was für eine Mammutaufgabe für unsere Lehrer, diese Kinder fit zu machen für eine Welt, die ihnen im Detail noch völlig unbekannt ist!

Frage: Wie kann die gelingen?

BEER: Der Digitalpakt von Bundesbildungsministerin Wanka ist ein Schritt in die richtige Richtung, der aber um die Lehrerfortbildung ergänzt werden muss. Denn es kommt einzig und allein auf die Qualität des Unterrichts an. Und der liegt nicht nur an der Ausstattung, sondern vor allem an der Qualität unserer Lehrer. Wir müssen unsere Lehrer modern aus- und fortbilden. Wir müssen darüber reden, welche Lehrer wir einstellen, und wie wir die Besten der Besten in unsere Klassen bekommen.

Frage: Ist die Verbeamtung noch zeitgemäß?

BEER: Nein, eigentlich braucht es sie nicht mehr. Verbeamtung wirkt motivierend auf Lehrer, aber es zieht die falschen Leute an. Nämlich jene, die Sicherheit suchen – und nicht die Besten der Besten.

Frage: Warum?

BEER: Ich habe nie verstanden, warum der Lehrbereich die einzige Branche ist, die nicht leistungsorientiert bezahlt. Warum kann eine hochmotivierte Lehrkraft an einer Grundschule niemals mehr verdienen als ein schlechter Mathematiklehrer der Oberstufe? Das schreckt viele ab.

Frage: Wie wollen Sie das Beamtenrecht für Lehrer angehen?

BEER: Es wird kurzfristig nicht möglich sein, das Beamtenrecht abzuräumen. Einzelne Bundesländer haben das versucht, sind aber gescheitert, weil Lehrer in andere Bundesländer umgezogen sind. Hier bin ich für eine schrittweise Modernisierung. Wir brauchen leistungsorientierte Bezahlung, damit Einsatz und Qualität bei Lehrkräften auch honoriert wird, und entsprechend Sanktionsmaßnahmen wie verpflichtende Nachschulungen für Lehrer, die hinter der notwendigen Qualität zurückbleiben. Denn wir haben keine Zeit mehr. Wir verlieren gut ausgebildete Köpfe. Lehrer sind Helden des Alltags, sie haben einen unglaublich verantwortungsvollen Job. Da können wir uns keine schlechten Lehrer leisten.

Frage: Gehört in jeden Ranzen ein Tablet?

BEER: Ich finde schon. Wobei es nicht immer Tablet sein muss. Die meisten Schüler besitzen heute schon ein internetfähiges Smartphone, das schon ausreichen kann. Eltern, die finanziell nicht so gestellt sind, dass sie sich die Anschaffung leisten können, müssen unterstützt werden. Der Staat sollte etwa Schülern aus Hartz-IV-Familien ein Tablet zahlen – einen Schulranzen stellt er diesen Schülern sowieso.

Frage: Lehrerfortbildung, bessere Ausstattung, staatliche Hilfen: Was würde das kosten?

BEER: Wenn wir einen Mehrwertsteuerpunkt, also circa zehn Milliarden Euro im Jahr zusätzlich in Bildung investieren würden, wäre das ein Anfang.

Frage: Wie soll das gegenfinanziert werden?

BEER: Wir geben pro Jahr 155 Milliarden Euro für Bildung aus, aber fast 700 Milliarden Euro im Sozialbereich. Das kann nicht richtig sein. Wenn der Staat seine Bürger so gut ausbildet, dass sie ihr Leben selbst gestalten können, können wir am Sozialetat sparen.

Social Media Button