28.01.2019FDPFDP

BEER-Interview: Kohleausstieg besser mit anderen Instrumenten angehen

Die Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl, FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, gab dem „SWR2 Tagesgespräch“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Mirjam Meinhardt. 

Frage: Frau Beer, Sie sagen, Europa soll wieder leuchten. Das hört sich gut an. Was heißt das konkret?

Beer: Das heißt, dass wir aus diesem Kontinent wieder einen Kontinent der Chancen für alle Menschen machen möchten. Das bedeutet, viel zu investieren in Innovationen, in Infrastruktur, damit wir gemeinsam forschen, entwickeln, neue Ideen kreieren, wie man unser Leben einfacher gestalten kann, die Umwelt besser schützen oder auch international wettbewerbsfähiger sein, weil da hängt Wohlstand dran, da hängen Arbeitsplätze, da hängen Ausbildungsplätze dran. Und da wollen wir letztendlich Schwerpunkte setzen, damit Europa wieder vorankommt.

Frage: Welche Schwerpunkte, denn das was Sie gesagt haben, hört sich auch alles nett an, ist aber nicht konkret.

Beer: Na doch, es ist konkret, wenn wir zum Beispiel im europäischen Haushalt Schwerpunkte setzen wollen für mehr Investitionen, für mehr Forschung, für Innovation, weil das die Grundlage dafür ist, dass wir neue Geschäftsmodelle entwickeln, neue Produkte, neue Dienstleistungen, mit denen wir dann international eben auch Vorreiter sein können. Und es hängen dann Arbeitsplätze dran, das heißt, es geht um Qualifikation als Grundlage von Wohlstand für Menschen quer durch Europa in allen Mitgliedsstaaten.

Frage: Sie haben auch gesagt, Sie wollen das EU-Parlament stärken? Es soll eigene Gesetzesinitiativen bekommen. Sie wollen die Kommission verkleinern. Es soll eine gemeinsame europäische Armee geben, einheitliches Asyl und Flüchtlings- und Einwanderungsrecht. Inwieweit sind diese Vorschläge, ich sag mal geeignet, um tatsächlich die Menschen für Europa zu begeistern?

Beer: Das sind alles Vorschläge, die zum einen die Europäische Union handlungsfähiger machen. Ich meine, ein Parlament, das keine eigenen Gesetzesvorschläge einbringen kann, das ist natürlich schwächer als das, was wir zum Beispiel vom deutschen Bundestag oder von den Landtagen kennen. Die Kommission ist zu groß. Sie hat so viele Kommissare, so viele Zuständigkeitsportfolios gibt es gar nicht. Also, da wollen wir schneller entscheiden können, dass endlich eben auch Ergebnisse da sind, dass wir Lösungen finden für Probleme, die zum Teil schon sehr, sehr lange auf dem Tisch liegen. Und ein paar von denen haben Sie gerade eben auch herausgepickt, in der Migrationsfrage haben wir keinerlei gemeinsame, abgestimmte Haltung und das schadet uns. Auf der einen Seite ist dann unser Asyl- und Flüchtlingsrecht eben nicht quer über den Kontinent fair und human geregelt und auf der anderen Seite, Stichwort wirtschaftliche Zuwanderung, haben wir auch keine Transparenten fairen Regeln, um klar zu machen, wen laden wir ein in unseren Arbeitsmarkt und wen nicht. Und genau das möchten wir gerne in der zukünftigen Legislaturperiode in Europa erreichen.

Frage: Jetzt gibt es aber auch eine große Skepsis, mehr Kompetenzen nach Brüssel zu verlagern in der Bevölkerung?

Beer: Schauen Sie, es geht nicht nur um mehr Kompetenzen. Es geht darum, an den richtigen Feldern auf der europäischen Ebene zu arbeiten und bei anderen Sachen es den Mitgliedsstaaten oder sogar den Regionen, also bei uns die Bundesländer oder innerhalb der Bundesländer einzelnen Regionen zu überlassen. Wir glauben, Europa muss sich konzentrieren. Die Europäische Union muss sich der großen Fragen annehmen, gemeinsame Migrationspolitik. Die Frage der inneren und äußeren Sicherheit, wie können wir uns zum Beispiel bei der Terrorismusbekämpfung quer durch Europa besser abstimmen, weil wir ja erlebt haben, Stichwort zum Beispiel im Fall Amri, dass in einzelnen Mitgliedsstaaten Informationen da waren, aber man das nicht zusammengetan hat, um eben hier den Terrorismus zu bekämpfen. Wie können wir auch in der Außenpolitik gewichtiger sein, gerade wenn es um Menschenrechte, wenn es Bürgerrechte, wenn es um Abrüstung, um Frieden geht, das hängt dann auch mit der Verteidigungspolitik zusammen. Aber auf der anderen Seite lass doch die Leute bitte in ihrem Alltag in Ruhe. Da können wir auf die Vielfalt in den Mitgliedsstaaten setzen. Ich halte das sogar für eine Stärke, bei den Sachen, die vor Ort entschieden werden können, unterschiedliche Lösungen zuzulassen, aber in den großen Fragen, wo Deutschland alleine auch zu klein ist, um wirklich international Gewicht zu haben, sich da zusammenzutun und gemeinsam seine Werte, deine Vorstellungen voranzutreiben.

Frage: Dann schauen wir jetzt einmal auf die großen Fragen. Sie haben den Klimawandel auch in Ihrer Rede gestern angesprochen, als eine der größten Herausforderungen weltweit. Jetzt gibt es seit dem Wochenende einen Kompromiss der Kohlekommission. Ihr Parteichef Lindner hat den gleich umgehend gebrandmarkt als Unsinn. Wäre es der FDP also lieber, keinen Fahrplan zu haben und keine Planungssicherheit?

Beer: Uns wäre es lieber, wenn wir mit anderen Instrumenten drangehen. Also auch wir wollen den Klimawandel abmildern oder bekämpfen. Auch wir wollen, dass wir saubere Luft haben, sauberes Wasser.

Frage: Aber wie Frau Beer?

Beer: Ich komm gleich darauf zu, ich will nur klarstellen, es geht nicht um die Ziele, sondern es geht letztendlich um die Mittel. Was wir hier sehen im Vorschlag der Kohlekommission, das sind Subventionen, um jetzt frühzeitig nur in Deutschland Kohlekraftwerke aus der Versorgung zu nehmen. Wir haben aber auch schon ein Zertifikathandel. Das bedeutet, dass, was wir jetzt hier rausnehme, würde an anderer Stelle durch diese Zertifikate dann in die Luft geblasen. Deswegen ist unser Vorschlag, das eben mindestens europäische besser international anzugehen und zum Beispiel das Geld, was jetzt hier investiert besser in Aufrüstungsmaßnahmen in anderen Ländern zu schaffen, weil da können wir einen größeren Erfolg für das Klima erreichen, als das, wo wir bei uns schon relativ weit sind, aber dann noch ein ganz winzigen kleinen Schritt gehen können.

Frage: International immer nach internationalen Regelungen zu rufen, kann natürlich auch heißen, man schiebt das Problem einfach ab und den Emissionshandel, den Sie angesprochen haben, der wirkt ja bisher nicht richtig?

Beer: Also erstens, wir wollen das nicht abschieben, sondern wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass wir schon wesentlich weiter sind als viele andere Länder und dass wir fürs Klima unterm Strich insgesamt, global gesehen mehr erreichen könnten, wenn wir diesen Ländern helfen, bei ihnen Fortschritte zu machen. Das ist der erste Punkt und der zweite Punkt ist, beim Zertifikathandel funktioniert es natürlich dann auch nur, wenn sie auch andere Bereiche, also zum Beispiel den Bereich Mobilität, den Bereich Wärme mit einbeziehen und dafür werben wir. Eben nicht Sonderwege zu machen in einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern gemeinsam über einen Zertifikathandel, wo man dann auch Zertifikate verknappen kann zunehmend, den Emissionen, also alle dem, was umweltschädlich ist, einen Preis zu geben und dann über den Preis zu steuern. Das wird unterm Strich erfolgreicher sein und es wird vor allem auch für Bürgerinnen und Bürger kostengünstiger.

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