FDPMartin Lindner im "taz"-Interview

Berlin muss für den Mittelstand attraktiver werden

Martin Lindner"Kleinere und mittelständische Betriebe brauchen das Gefühl, dass sie hier willkommen sind und dass man sich um sie kümmert."
01.08.2013

Der Berliner FDP-Chef über Flughäfen, Bürgerproteste und die Mängel der Schulausbildung.

Berlin hat viel Potential, bleibt aber unter seinen Möglichkeiten: So sieht es der Vorsitzender des FDP-Landesverbandes, Martin Lindner, gleichzeitig Vizechef der liberalen Bundestagsfraktion. "Berlins Voraussetzungen sind  nicht schlecht: Super attraktiv, die Immobilien sind relativ günstig, im internationalen Maßstab sowieso, wir haben hier eine exzellente Hochschullandschaft, wir haben Flächen und vielleicht ja doch irgendwann mal einen größeren Flughafen", sagt Lindner im Gespräch mit der "taz".

"Den Langzeitarbeitslosen würde helfen, wenn hier auch viele mittelständische Unternehmen ankommen und sich eine gewisse industrielle Fertigung wieder ansiedelt", so der Liberale. Unternehmer bräuchten aber das Gefühl, in der Hauptstadt willkommen zu sein. Hier sieht er einigen Nachholbedarf: In der Wirtschafts- und Steuerpolitik, beim Standortmarketing, beim Schulwesen. Aber auch die verbreitete Dagegen-Kultur erachtet Lindner als eher hinderlich für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt.

In Berlin kann man Geld ausgeben, aber nicht investieren

Beispiel "Media Spree" - hier werde aufgrund der vermeintlichen Verdrängung eine Hysterie entfacht, "selbst wenn das gar keinen Gebäudebestand berührt, sondern nur Industriebrachen. Trotz allem wird da erst mal die Haltung an den Tag gelegt: Das Projekt muss verhindert werden", konstatiert Lindner. Wächst der Tourismus in einigen Stadtteilen, gäbe es Proteste der Anwohner und Touristen würden beschimpft. Hinzu kommt noch das Debakel um den Hauptstadtflughafen BER, und schnell entstehe der Eindruck: "In Berlin kann man vielleicht sein Geld ausgeben, aber nicht investieren."

Der FDP-Landesvorsitzende sprach sich für einen Weiterbetrieb von Tegel aus. "Bevor der BER nicht vollständig in Betrieb ist und auch feststeht, dass die dortigen Kapazitäten in den nächsten zehn, zwanzig Jahren voll ausreichen, sollten wir gar nichts mehr dichtmachen. Und stattdessen eruieren, ob es Sinn macht, Tegel zumindest partiell in Betrieb zu lassen."

Öffentliche Schulen müssen top sein

Lindner sieht aber auch die Schulen in der Pflicht. Sie müssten den Jugendlichen die Fähigkeiten vermitteln, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. "In jeder öffentlichen Schule muss das Ziel sein, nicht nur die kognitiven Fähigkeiten von Kindern zu fördern, sondern auch Benehmen, Haltung und die Kompetenz, zum Beispiel einen flüssigen Vortrag zu halten." Andernfalls sieht der FDP-Politiker die Gefahr, dass die soziale Spreizung zunimmt, denn die Bessergestellten schickten ihre Kinder auf teure Privatschulen oder Internate, während Absolventen von Haupt- oder Realschulen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, auch weil ihnen die wirklichen Defizite ihrer Ausbildung nicht bewusst seien. Lindner betont: "Das muss das Ziel von Schulpolitik sein, sage ich als Wirtschaftspolitiker: dass die öffentliche Schule top ist. Das ist echte Sozialpolitik."

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