12.10.2017FDPFDP

BIRKNER/PIEL-Doppelinterview: Chancen auf Jamaika? Fifty-Fifty!

Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen Stefan Birkner und die Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel im Streitgespräch für die „Welt“ (Donnerstag-Ausgabe). Die Fragen stellte Ulrich Exner:

Frage: Am Sonntag sind Wahlen in Niedersachsen. Ihr Ziel?

Birkner: Drittstärkste Kraft zu werden in Niedersachsen. Vor den Grünen und vor der AfD.

Piel: Wir haben in den vergangenen viereinhalb Jahren gut regiert. Wir haben auch nicht aufgehört, weil es uns mit unserem Koalitionspartner keinen Spaß mehr gemacht hätte. Deshalb machen wir dem Wähler das Angebot, unsere Regierungsarbeit fortzusetzen. Dafür brauchen wir ein starkes grünes Wahlergebnis, am besten zweistellig.

Frage: Mit wem würden Sie gern regieren?

Birkner: Entscheidend ist, dass wir einen Politikwechsel in Niedersachsen erreichen. In der Bildungspolitik, in der Innen- und Rechtspolitik, bei der Digitalisierung, in der Umwelt-, in der Landwirtschaftspolitik. Das ist am ehesten mit der CDU zu erreichen, aber auch mit der SPD nicht ausgeschlossen.

Piel: Mit der SPD.

Frage: Zu einem Zweierbündnis wird es in Niedersachsen absehbar nicht reichen. Was dann, Ampel oder Jamaika?

Birkner: Ein Ampel-Bündnis schließe ich aus. Wir stehen nicht als Mehrheitsbeschaffer für eine abgewählte rot-grüne Landesregierung zur Verfügung. Wir wollen einen Politikwechsel, und den bekommt man nicht, wenn man als dritter Partner in eine bestehende Koalition eintritt. Jamaika würde die Differenzen mit den Grünen zwar nicht per se kleiner machen. Aber falls die Grünen bereit sind, diese lange Strecke zu gehen und einen Politikwechsel mitzutragen, dann ist das eine denkbare, aber keine sehr wahrscheinliche Option.

Piel: Da mache ich mir jetzt doch noch keine Gedanken. Die Umfragen sagen, dass Rot-Grün eindeutig die bei den Wählern beliebteste Koalitionsvariante ist. Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir möglichst allen, die das gesagt haben, klarmachen, dass sie dafür ihr Kreuz bei den Grünen machen müssen.

Frage: Wie überzeugen Sie die Grünen davon, sich auf eine Jamaika-Koalition einzulassen?

Birkner: Darauf habe ich noch keine Antwort. Ehrlicherweise sehe ich schon wegen der verfahrenen Lage zwischen der CDU und den Grünen wenig Raum für Jamaika in Niedersachsen. Hinzu kommen noch die inhaltlichen Differenzen zu uns.

Frage: … Und wie überzeugen Sie die FDP davon, sich auf eine Ampel-Koalition einzulassen?

Piel: Ich habe, Stand heute, überhaupt keinen Anlass zu glauben, dass ich die FDP von irgendwas überzeugen müsste. Wir wollen den Wählern im Wahlkampf klarmachen, dass Rot-Grün knapp machbar und möglich ist. Alles andere können Sie mich am Abend des 15. Oktober fragen.

Frage: Finden Sie es gut, dass in Berlin gerade so lange um mögliche Koalitionen herumgeredet wird, bis die Wahlen in Niedersachsen vorbei sind?

Birkner: Die FDP steht für eine Sondierung bereit. Wenn die Union zwei Wochen benötigt, um sich zu sortieren, macht das zwar keinen besonders guten Eindruck, aber es hat ja auch keinen Zweck, solche Gespräche zu führen, wenn sich die Union noch nicht einmal intern einig ist.

Piel: Der grüne Länderrat hat sehr früh sein Okay für Sondierungsgespräche gegeben. Insofern kann ich nicht sehen, dass wir da lange rumgedaddelt hätten. Wenn die anderen nicht sprechfähig sind, ist das deren Problem. Wir Grünen sind es.

Frage: Kommt Jamaika in Berlin zustande?

Birkner: Schwer zu sagen. Fifty-fifty.

Piel: Das weiß ich nicht einzuschätzen. Man müsste zum Beispiel mal klären, ob CDU und CSU sich jetzt wirklich einig sind. Herr Althusmann, der Spitzenkandidat der Union in Niedersachsen, sagt, dass er eine Obergrenze für Unfug hält. Insofern müssen wir erst mal sehen, wie lange allein dieser Kompromiss innerhalb der Union hält.

Frage: Was müssten SPD und Grüne tun, um Sie in Niedersachsen doch noch zum Umdenken zu bewegen?

Birkner: Nichts. Wir machen definitiv keine Ampel-Koalition.

Frage: ... Und was müssten CDU und FDP tun, um Sie zu einer Jamaika-Koalition zu bewegen?

Piel: Ich kann mir heute beim besten Willen nicht vorstellen, was in Niedersachsen an einer Jamaika-Koalition attraktiv sein könnte.

Frage: Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Grünen und FDP?

Birkner: Wir haben zum Beispiel diametral entgegengesetzte Positionen in der Landwirtschaftspolitik. Die FDP steht für eine unternehmerische Landwirtschaft, die den Bauern die Möglichkeit gibt, sich auch ökonomisch zu behaupten. Die Grünen instrumentalisieren die Landwirtschaft, um ihre urbane Klientel zufriedenzustellen. Wir sind lösungsorientiert, die Grünen sind problemorientiert. Das gilt auch für die Infrastruktur. Null Übereinstimmung, weder beim Straßenbau noch bei der Digitalisierung. In der Bildungspolitik passt schon die ganze Haltung nicht zusammen. Die Grünen marschieren Richtung Einheitsschule. Wir nicht.

Piel: Die FDP hat in ihrem Wahlprogramm zum Beispiel stehen, dass sie mit der „einseitigen Förderung“ des öffentlichen Personennahverkehrs Schluss machen will. Sie will den niedersächsischen „Sonderweg“ für Klimaschutz und Energiewende beenden. In beiden Fällen sind wir als Grüne komplett anders aufgestellt. Wir wollen mehr Klimaschutz, wir wollen die Energiewende und auch mehr öffentlichen Nahverkehr.

Frage: Könnten Sie mit der Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel an einem Kabinettstisch sitzen?

Birkner: Diese Frage wird sich vermutlich nicht stellen.

Frage: ... Und könnten Sie mit dem FDP-Spitzenkandidaten Stefan Birkner an einem Kabinettstisch sitzen?

Piel: Mein Wunschpartner heißt Stephan Weil.

Frage: Wenn Schwarz-Gelb oder Rot-Gelb nicht klappt: Gehen Sie dann wirklich lieber in die Opposition?

Birkner: Ja, klar. Die Oppositionsrolle wird im neuen Parlament wichtig sein, gerade wenn die AfD in den Landtag einzieht.

Frage: ... Und wenn Rot-Grün nicht klappt: Gehen Sie dann wirklich lieber in die Opposition?

Piel: Auch darüber mache ich mir derzeit keine Gedanken.

Frage: Warum herrscht eigentlich im niedersächsischen Parlament so ein rauer Ton?

Birkner: Hart, aber herzlich, würde ich sagen. Man gewöhnt sich dran. Es darf in Parlamenten durchaus mal deutlich zugehen, sollte aber nicht ehrverletzend sein.

Piel: Wir haben eine ziemlich lebendige Demokratie, das stimmt und zeichnet uns auch aus. Ich würde mir trotzdem manchmal mehr Sachlichkeit wünschen, aber grundsätzlich finde ich, dass leidenschaftliche Debatten ein Wert für sich sind.

Frage: Ihre Pläne für die Zukunft?

Birkner: Abgeordneter des niedersächsischen Landtages zu sein.

Piel: Ich war jetzt viereinhalb Jahre mit Leib und Seele Fraktionsvorsitzende und werde meiner Partei und meiner Fraktion nach der Wahl sicherlich das Angebot machen, erneut Verantwortung zu übernehmen.

Frage: Ihr Wahltipp?

Birkner: Eine starke zweistellige FDP als drittstärkste Kraft in Niedersachsen.

Piel: Die SPD wird die größte Partei. Und die Grünen werden zweistellig.

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