FDPEskalation in Hongkong

Die EU muss gegenüber China mit einer Stimme sprechen

Hong KongDie Bundesregierung muss eine deutliche Warnung an China vor einem gewaltsamen Eingreifen in Hongkong senden.
19.08.2019

Die Krise in Hongkong spitzt sich weiter zu. Die Polizei geht immer härter gegen Demonstranten vor. Die Freien Demokraten reagieren mit großer Besorgnis auf die verschärfte Lage in Hongkong. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff sieht Angela Merkel in der Pflicht: Sie sollte seiner Ansicht nach auf ihrer anstehenden China-Reise die Situation in Hongkong thematisieren. "Das bedeutet auch, sich gegenüber Peking für die Einhaltung des Prinzips 'Ein Land, zwei Systeme' einzusetzen, das Hongkong bis 2047 einen hohen Grad an Freiheit garantiert." FDP-Chef Christian Lindner fordert mehr internationale Solidarität für die Demonstranten in Hongkong. Erst im Juli hatte er den Unmut Pekings selbst zu spüren bekommen. Wegducken dürfe man sich dennoch nicht.

Die Stimmung ist angespannt in Hong Kong. Seit Wochen dauern die Proteste der Bürger nun an. Die friedlichen Proteste wurden teilweise gewaltsam aufgelöst. Die Demonstranten fühlen sich vom zunehmenden Einfluss Chinas in ihren Freiheiten bedroht: Peking hat die Regierung in Hong Kong beordert "Ohne Gnade“ gegen die Demonstranten vorzugehen. Die Menschen protestieren gegen ein Gesetzesvorhaben, das Auslieferungen an China ermöglichen soll.

Die FDP respektiere die inneren Angelegenheiten Chinas, ihr sei an guten Beziehungen gelegen. "Aber wir verfolgen nicht nur wirtschaftliche Interessen, uns liegen genauso liberale und demokratische Werte am Herzen", betonte Lindner. Und: Ein offener Austausch sei nötig und lebe auch vom Bekenntnis zu Meinungsverschiedenheiten. "Wir sind hart aneinandergeraten mit Spitzenvertretern der kommunistischen Partei. Aber genau das fordern die Oppositionellen dort, in ihrem Freiheitskampf nicht alleine zu sein", bekräftigte Lindner im ZDF-Sommerinterview.

Keiner könne ein Interesse an einer Eskalation haben, und zwar nicht in der einen, nicht in der anderen Richtung. "Wir müssen die Chinesen an ihre gegebenen Zusagen erinnern. Es gibt die Zusage: ein Land, zwei Systeme. Und genau daran müssen die Chinesen sich halten." Seiner Ansicht nach wäre es das Klügste, es würde ganz einfach der Anlass für diese Proteste - das mittlerweile auf Eis gelegte Auslieferungsabkommen der Sonderregion mit dem kommunistischen Festland  -zurückgenommen werden. "Es gäbe eine klare Ansage der Regierung, wir haben verstanden, das wird hier nicht gewollt."

Für die Freien Demokraten sei aber auch ganz klar: "Wir haben Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen, aber uns liegen liberale und demokratische Werte genauso am Herzen." Für Lindner ist das eine eine Abwägungsfrage: "Ich habe kein Problem zu sagen, wenn es eine Notwendigkeit gibt, dass wir auch unsere Werte wichtiger nehmen als unsere wirtschaftlichen Interessen."

Bundesregierung muss deutliches Signal an Peking senden

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen, wirft Außenminister Heiko Maas vor: "Es ist mir völlig unverständlich, wie der deutsche Außenminister angesichts eines drohenden militärischen Eingreifens Chinas zur Beruhigung ,aller Seiten' aufruft, keine gemeinsame Kommunikation mit anderen liberalen Demokratien sucht und auch jede Initiative zur Vermittlung vermissen lässt". Europa müsse China als Mitglied des UN-Sicherheitsrates an seine besondere Verantwortung erinnern. "China muss wissen, dass wir ein gewaltsames Eingreifen nicht einfach hinnehmen werden."

Peking müsse deutlich gemacht werden, "dass die Achtung von Menschenrechten Grundlage für jede Beziehung mit Deutschland und der Europäischen Union ist", so Jensen. "Die Freiheit von Hongkong, das Prinzip «Ein Land, zwei Systeme» darf in den Beziehungen zu China niemals in Frage gestellt werden." Sie argumentierte weiter: "China ist in der Pflicht, die Situation zu deeskalieren. Die chinesischen Truppenbewegungen an der Grenze zu Hongkong sind dabei das vollkommen falsche Signal. Genauso wie die Meldungen chinesischer Staatsmedien, dass ein militärisches Eingreifen möglich sei." EU-Sanktionen dürften bei einem gewaltsamen Eingreifen Pekings nicht ausgeschlossen werden. "China muss wissen, dass die politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer gewaltsamen Intervention nicht nur Hongkong, sondern Chinas Rolle in der Welt massiv schaden würden", sagte Jensen.

Peking sollte den Druckaufbau unterlassen

Alexander Graf Lambsdorff befürchtet, dass die Proteste weitergehen werden und sich möglicherweise weiter radikalisieren. Er meint: "Peking sollte den Druckaufbau unterlassen und Regierungschefin Carrie Lam die Möglichkeit geben, auf die Protestbewegung zuzugehen." Aus seiner Sicht lässt sich der Konflikt entschärfen, wenn die Regierung von Hongkong den Gesetzentwurf zur Auslieferung komplett zurückziehen würde. "Anklagen gegen Verhaftete sollten nur erhoben werden, wenn es nachweislich um Gewalttaten geht", so lambsdorff weiter. Deeskalierend wäre auch, wenn die Protestbewegung von offizieller Seite nicht als "Aufruhr" bezeichnet würde. "Aufrührern" drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die EU müsse gegenüber China mit einer Stimme sprechen: "Sie darf sich bei Fragen von Freiheitsrechten und Werten nicht auseinanderdividieren lassen. Die Voraussetzungen für Sanktionen gegen China sehe er derzeit allerdings nicht erfüllt. Zugleich mahnt er, "jetzt ganz aktuell die Protestbewegung schon allein deswegen nicht aktiv unterstützen, um der Kommunistischen Partei in China keinen Vorwand zu liefern, die Proteste als angeblich vom Westen gesteuert zu diffamieren."

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel, der auch zur FDP-Delegation in Asien gehörte, unterstrich: "Wir werden mit der Realität einer enormen chinesischen Stärke und eines enormen chinesischen Einflusses im 21. Jahrhundert umgehen müssen." Zuerst einmal aus der Position einer außenpolitischen Handlungsfähigkeit und wirtschaftlichen Stärke heraus. Europa müsse dafür außenpolitisch erwachsen werden und auch Deutschland müss wirtschafts- und sozialpolitisch wieder in Jahrzehnten denken. Dann müsse man zweitens klare Regeln auf Gegenseitigkeit einfordern. "In Fragen der wechselseitigen Marktöffnung etwa müssen wir uns wirklich auf Augenhöhe begegnen", so Vogel.

Er ergänzt: "Wir müssen uns drittens stärker mit Verbündeten abstimmen – etwa uns als Westen gemeinsam diesen globalen Fragen stellen, erst recht in einer Zeit nach dem US-Präsidenten Donald Trump, die auch wiederkommen wird. Und mit Verbündeten in Asien und im Pazifik." Es gebe in der Region viele Länder, die Fragen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten "eher so sehen wie wir". Mit denen seien wir aber noch nicht ausreichend vernetzt. "Hier hat die deutsche Politik großen Nachholbedarf. Asien ist weit mehr als nur China."

 

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