FDPFlüchtlingskrise

EU-Mitgliedsstaaten dürfen nicht mehr bremsen

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff fordert ein gemeinsames Seenotrettungskonzept der EU.
10.08.2015

Beim Sondergipfel in Brüssel haben die EU-Regierungschefs nach einer Lösung für die Flüchtlingskrise im Mittelmeer gesucht. Herausgekommen ist eine Verdreifachung der Mittel für die Seenotrettung und mehr Schiffe. Dem Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, reicht das nicht. Er kritisierte im "rbb-Inforadio", die EU-Mitgliedsstaaten hätten Europa bisher nicht wirklich handlungsfähig gemacht. "Ich fürchte, dass auch Deutschland wieder auf der Bremse stehen wird und das Sterben im Mittelmeer weiter geht", so der Freidemokrat.

"Die Strukturen sind so verkrustet, und alles, was nach vorne geht, wird gerade von den Innenministern, namentlich Thomas de Maizière, so blockiert, dass ich in dieser Situation wirklich keinen Optimismus empfinden kann", moniert Lambsdorff. Er fordert die Schaffung einer europäischen Küstenwache, die Flüchtlingen in Not schnell helfen könnte. "Wir haben hier eine Notsituation, da sterben Menschen auf hoher See, und Europa ist gar nicht handlungsfähig, weil die Europäische Union selber keine Schiffe oder Hubschrauber hat, um diese Menschen zu retten", unterstreicht er.

"Stattdessen kommen jetzt 28 Regierungschefs zusammen und beschließen irgendwelche Maßnahmen, zu denen sie sich dann durchringen oder nicht", kritisiert Lambsdorff. Aus seiner Sicht ein lächerliches System: "Das ist so, als wenn wir Deutschland regieren würden ohne einen Bundeskanzler und jedes Mal, wenn es ernst wird, müssen die 16 Ministerpräsidenten der Länder zusammentreten, um Entscheidungen zu treffen."

Statt Symbolpolitik zu betreiben, sollten die Mitgliedsstaaten mehr Mut zeigen und den Weg für gesamteuropäische Lösungen freimachen, so Lambsdorff.  "Es ist an der Zeit, den Worten endlich Taten folgen zu lassen."

Rettung von Menschenleben muss Priorität haben

Nach der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer verlangte Lambsdorff im "ZDF-heute-journal"-Interview als Konsequenz eine gemeinsame europäische Seenotrettungsstrategie. Für Lambsdorff ist klar: "Diese Flüchtlinge, die zum Beispiel aus dem Bürgerkrieg in Syrien fliehen oder aus unmöglichen Zuständen in Libyen, haben es zunächst einmal verdient, dass man ihnen hilft."

Eine Beteiligung der Bundeswehr an Rettungsmissionen sei ebenfalls möglich. "Wir haben im östlichen Mittelmeer seit vielen Jahren einen Einsatz der Bundesmarine, um Waffenschmuggel in den Libanon zu verhindern", erklärt der Liberale. Diesen Waffenschmuggel habe es aber nie gegeben. "Die Boote fahren da völlig sinnlos auf und ab zwischen Zypern und dem Libanon. Man könnte diese Kapazitäten dafür einsetzen, Menschen zu retten. Im Moment verlässt man sich darauf, dass die Handelsschifffahrt das tut."

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner bekräftigte die Forderung nach einer koordinierten Seenothilfe der EU. Auch Deutschland müsse Schiffe schicken, so der Freidemokrat im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung. "Danach geht es um den Kampf gegen Schlepper, Fluchtgründe und um legale Wege für Qualifizierte nach Europa", erläuterte Lindner. Darüber hinaus fordern die Freien Demokraten eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen und eine Reform des Einwanderungssystems.

Flüchtlinge künftig besser verteilen

Entscheidend für eine erfolgreiche Flüchtlingspolitik sei aber auch die europäische Dimension. Lambsdorff verwies auf die Tatsache, dass nur sechs Länder der EU 80 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Deswegen müsse das Bundesinnenministerium Tempo machen und sich für eine bessere Verteilung der Asylbewerber einsetzen. Bei der Flüchtlingsaufnahme sei es "höchste Zeit, dass das Bundesinnenministerium von der Bremse geht bei der Frage nach einem europäischen Verteilungsschlüssel", verdeutlichte er.

Hier können Sie das ganze Interview anschauen.

Ergebnisse des EU-Sondergipfels

Mit einer Verdreifachung der Mittel für die Seenotrettung und mehr Schiffen reagiert die Europäische Union auf die jüngsten Bootsunglücke im Mittelmeer mit Hunderten toten Flüchtlingen. Damit stehen für die EU-Grenzschutzmissionen "Triton" und "Poseidon" monatlich rund 9 Millionen Euro pro Monat zur Verfügung. Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag bei einem Sondergipfel in Brüssel. Diese Summe entspricht dem Budget der italienischen Vorgängermission "Mare Nostrum", die nach Angaben aus Rom mehr als 100 000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet hatte.

Dennoch hält die Kritik an der EU an. Nicht einigen konnten sich die Staatenlenker in Brüssel auf eine fairere Verteilung von Asylbewerbern mit festen Quoten. Dies hatten vor allem Deutschland, Italien und Schweden gefordert. Auch über die Schaffung legaler Fluchtwege nach Europa gab es keine Übereinkunft. Vereinbart wurden lediglich mehr Hilfen für Ankunftsländer und eine Kooperation mit afrikanischen Staaten. Eine bessere Kooperation in der Asylpolitik in der EU soll noch beraten werden. Weitere Maßnahmen soll der reguläre EU-Gipfel Ende Juni beschließen.

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