FDPDebatte über allgemeine Dienstpflicht

FDP ist gegen Wiederbelebung eines Zwangsdienstes

Bundeswehr-SoldatenWeggetreten - wer jetzt dient, macht es freiwillig.
07.08.2018

Seit sieben Jahren ist die Wehrpflicht schon ausgesetzt. Jetzt regen Teile der Union eine Wiedereinführung der ausgesetzten Wehrpflicht an. Die Freien Demokraten halten das für "absurd". "Der Staat des Grundgesetzes ist kein Volkserzieher. Der Staat dient den Menschen und nicht andersherum. Freiheitseingriffe müssen gerechtfertigt sein", übt FDP-Chef Christian Lindner scharfe Kritik. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer beweist erneut, dass die Union keine Antworten für die Zukunft hat, meint FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Allein der Wiederaufbau der Infrastruktur würde "horrende Summen verschlingen", die an anderer Stelle besser genutzt werden könnten.

"Denn weder haben wir funktionierende Kreiswehrersatzämter noch geeignete Unterbringungsmöglichkeiten." Das eigentliche Problem der Bundeswehr sei der miserable Zustand der Ausstattung, fügt Strack-Zimmermann hinzu. Die Union müsse ein Modernisierungskonzept vorlegen, das nicht nur die Ausstattungsmängel löse und die Einsatzbereitschaft verbessere, sondern auch die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr attraktiver gestalte. "Dann klappt es auch mit der Nachwuchsgewinnung."

Ihre abschließenden Gedanken zur Wehrpflicht-Debatte hat Strack-Zimmermann in einem Gastbeitrag für Focus Online zusammengefasst. Sie vermutet, dass die Union schlichtweg davon ablenken will, dass sie gemeinsam mit der SPD die Bundeswehr über viele Jahre kaputtgespart hat: "Die Union wollte viel zu lange nicht wahrhaben, dass sich die Welt um Deutschland herum dramatisch zu verändern begann und sogar einst verlässliche Bündnisse anfingen zu bröckeln."

Die Herausforderungen seien heute ganz andere als noch vor Jahren: Das militärische Gerät ist technisch anspruchsvoller, das digitale Zeitalter hat auch die Bundeswehr erreicht. Gefahren drohen nicht mehr nur aus der Luft, vom Boden oder vom Meer, sondern auch aus dem World Wide Web. "Um all diesen Herausforderungen begegnen zu können, brauchen wir Profis und keine Wehrpflichtigen."

Wenn es keine äußere Bedrohung der Sicherheit gibt, ist die Verstaatlichung eines Jahres Lebenszeit nicht zu rechtfertigen, weist Lindner auf verfassungsrechtliche Probleme hin. Auch ökonomisch mache es keinen Sinn, "junge Menschen ein Jahr von Ausbildung und Beruf fernzuhalten, um sie als ungelernte Hilfskräfte einzusetzen", kritisiert der FDP-Chef die enorme Ressourcenverschwendung. "Diese jungen Menschen verlieren ein Lebensjahr. Ein ganzes Lebensjahr wird verstaatlicht aus parteipolitischen Profilierungsbedarf. Das ist ökonomischer Unsinn." Die junge Generation soll nun zum Opfer der Profilsuche der CDU werden.

Er mahnt: "Die Ursachen des Personalmangels bei der Bundeswehr und der Pflegenotstand müssen beseitigt werden, aber nicht durch günstige und ungelernte Kräfte." Wir müssen die Pflegeberufe attraktiver machen, damit mehr Menschen aus Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung zurückkehren. Das sei der große Hebel, um Personalprobleme zu lösen.

Einen Beitrag zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft könnte die CDU durch eine andere Einwanderungspolitik leisten, statt an Symptomen zu kurieren.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, hält die Debatte für ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver: "Die Arbeitskraft Hunderttausender junger Menschen soll enteignet werden, um die Kosten der unbezahlbaren Rentenpolitik der großen Koalition zu dämpfen." Betriebe würden keine Lehrlinge finden. Facharbeiter fehlen. "Und wir sollen jetzt ganze Jahrgänge auch noch zusätzlich ein Jahr vom Arbeits- und Ausbildungsmarkt fernhalten?", moniert Buschmann.

Zugleich solle mit der Option der Wehrpflicht vom "unfassbaren Versagen" bei Ausrüstung und Beschaffung der Bundeswehr abgelenkt werden. Die militärischen Konflikte der Zukunft werden mit high tech-Material und hervorragend ausgebildeten Spezialisten entschieden. Mit jedermann in Kurzausbildung lasse sich der Cyberwar nicht gewinnen.

JuLis: Wehrpflicht ist ein Zwang

Auch die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Ria Schröder, kritisiert die aktuelle Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Kramp-Karrenbauer mache es sich leicht, einen Zwangsdienst zu fordern, von dem sie nicht mehr betroffen sein wird. Sie gibt zu bedenken: Europa spricht von enger Kooperation in der Verteidigungspolitik bis hin zur europäischen Armee. Gleichzeitig soll in Deutschland die nationale Wehrpflicht wieder eingeführt werden? Das passt nicht zusammen."

Hintergrund

Die Wehrpflicht war zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden. Seitdem ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee. Sie steht nun in Konkurrenz mit der Wirtschaft, um junge Leute zu gewinnen. In der CDU ist nun eine Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht oder die Einführung einer "allgemeinen Dienstpflicht" etwa in sozialen Bereichen entbrannt. Die Freien Demokraten lehnen das ab: Gerade einmal 16 Prozent der zur Verfügung stehenden jungen Männer leisteten 2009 noch ihren Dienst ab. Die Auswahl glich einem Lotteriespiel. Nur wer Glück hatte wurde nicht eingezogen. Das war ungerecht gegenüber denjenigen, die zum Wehrdienst eingezogen wurden und dadurch nicht direkt nach der Schule oder der Lehre ein Studium aufnehmen oder ins Berufsleben einsteigen konnten.

Bereits im Jahre 2000 hat sich die FDP auf einem thematischen Sonderparteitag für die Aussetzung der Wehrpflicht ausgesprochen. Diese Forderung hat sie seither in mehreren Anträgen und Beschlüssen bekräftigt. Im September 2010 ist die Union auf diesen Kurs eingeschwenkt. Im März 2011 hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition gegen die Stimmen von SPD und Linken die Aussetzung der Wehrpflicht beschlossen. Die FDP plädiert für eine straff strukturierte, hervorragend ausgebildete und modern ausgestattete Armee mit einer hohen Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit. Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ist auch der Zivildienst als Ersatzdienst weggefallen. Nach dem Willen der FDP wird es keinen verpflichtenden Sozialdienst für junge Frauen und Männer geben.

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