FDPEuropäische Union

Festhalten an EU-Beitritt der Türkei ist ein Fehler

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff
14.11.2016

Die türkische Regierung lässt weiter unabhängige Journalisten und Oppositionelle verhaften. Jüngstes Beispiel ist die Verhaftung des Herausgebers der Oppositionszeitung Cumhuryiet, Akın Atalay, der bei seiner Einreise in die Türkei festgenommen worden war. Die EU-Außenminister treffen sich am Montag, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europaparlaments, plädiert dafür, mit offenen Karten zu spielen und die EU-Beitrittsverhandlungen zu beenden.

"Die Türkei ist auf dem Weg in die Diktatur", konstatierte Lambsdorff im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Trotzdem hielten die EU-Mitgliedsstaaten am stur am Beitrittsprozess fest. "Das ist ein Fehler. Ich kann Frau Merkel und Herrn Steinmeier nicht verstehen, dass sie Österreich nicht unterstützen, das den Mut hat zu sagen, dass es nichts mehr bringt."

Für die Freien Demokraten liege auf der Hand, dass die Türkei der EU aktuell nicht beitreten könne. Deswegen sei es an der Zeit, den Beitrittsprozess zu beenden. Er erläuterte: "Die EU tut so, als ob wir die Türkei aufnehmen wollen und die Türkei tut so, als ob sie beitreten will. Beide wissen, dass es nicht stimmt."

Beziehungen zur Türkei auf neue Grundlage stellen

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff

Die Freien Demokraten fordern in einem entsprechenden Beschluss des Bundesvorstandes von der Bundesregierung sich in Brüssel aktiv dafür einzusetzen, den aktuellen Beitrittsprozess zu beenden. "Die schweren Menschenrechtsverletzungen in Reaktion auf einen Putschversuch, den wir als Freie Demokraten unzweideutig verurteilt haben, machen es vollkommen klar, dass diese Türkei der Europäischen Union nicht beitreten kann", sagte Alexander Graf Lambsdorff am Rande der Bundesvorstandsklausur.

Der Beitrittsprozess laufe seit elf Jahren und in diesen Jahren sei nur ein einziges Kapitel abgeschlossen worden. "Besser wäre es, wir stellen die Beziehungen zur Türkei auf neue Grundlagen." Denn eines sei klar: "Wir als Freie Demokraten wollen nicht die Tür zuschlagen. Wir wollen eine pragmatische, realistische Zusammenarbeit mit der Türkei."

Klar in der Sache

Um das Klima zwischen der EU und der Türkei zu entspannen solle ein Grundlagenvertrag ausgearbeitet werden, in dem Gebiete der Zusammenarbeit ganz realistisch definiert würden, schlug Lambsdorff vor. "Mit der Türkei haben wir etwa eine Zollunion, die für Waren, aber nicht für Dienstleistungen gilt. Da kann man über eine Ausweitung reden, das wäre für die Wirtschaft ein großer Gewinn."

In der Außen- und Sicherheitspolitik seien viele türkische Probleme auch europäische Probleme, gab er zu bedenken. "Wir brauchen die Türkei und die Türken brauchen uns, trotz aller Schwierigkeiten. Deshalb sollten wir klar in der Sache sein, aber respektvoll im Ton."

Europa muss gemeinsame Lösungen finden

Um die Bedeutung und das Ansehen der EU zu stärken, müssten Erfolge auf den Feldern erzielt werden, die den Menschen besonders wichtig seien, verdeutlichte Lambsdorff. Er monierte, dass beispielsweise im Sicherheitsbereich die Fortschritte minimal seien.

"Die europäische Polizeibehörde Europol ist nach wie vor ein zahnloser Tiger und hat keine eigene Ermittlungsbefugnis. Dabei brauchen wir ein europäisches FBI, das gemeinsam mit den nationalen Polizeibehörden ermittelt", stellte er klar.

Darüber hinaus müsste der Schutz der europäischen Außengrenzen zentralisiert werden. "Wir brauchen eine europäische Agentur, bei der die Grenzschutzbeamten auch angestellt sind. Diese müssen vor Ort aus eigener Lagebeurteilung handeln und entscheiden dürfen."

Hintergrund

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht seit dem gescheiterten Militärputsch Mitte Juli hart gegen seine Gegner vor. Insbesondere die pro-kurdische Partei HDP und die Zeitung Cumhuryiet stehen im Visier der Staatsanwaltschaft. Der Cumhuryiet wird vorgeworfen den Putschversuch legitimiert und Straftaten zugunsten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Gülen-Bewegung begangen zu haben. Die türkische Regierung macht den Predigers Fethullah Gülen und seine Anhänger für den Putschversuch verantwortlich.

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