21.02.2018FDPFDP

GARG-Interview: Zum Kita-Jahr 2020 kommt der Deckel

Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Heiner Garg, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, gab den „Kieler Nachrichten“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Heike Stüben:

Frage: Herr Garg, in vielen Gemeinden werden Eltern erneut mit Erhöhungen von Kita-Gebühren konfrontiert. Wann kommt der Gebührendeckel, der Eltern die Sicherheit gibt: bis dahin und nicht weiter?

Garg: Zum Kita-Jahr 2020 kommt der Deckel definitiv. Und 2020 ist ambitioniert bei einer neuen Finanzstruktur, die vorher niemand anzupacken wagte. Bereits direkt vor oder nach der Sommerpause 2019 soll das neue Kita-Gesetz in erster Lesung in den Landtag. Allerdings sollte es in den nächsten zwei Jahren keine Erhöhung der Kita-Gebühren geben. Nach der Einigung mit den Kommunalen Spitzenverbänden im Januar, nach der das Land für 2018 noch einmal zusätzliche 15 Millionen Euro für die Betriebskostenzuschüsse obendrauf gelegt und bei den Konnexitätsausgleichsmitteln für dieses Jahr 80 Millionen Euro und für kommendes Jahr 95 Millionen Euro anerkannt hat, waren sich Spitzenverbände und Land mehr als einig darüber, dass diese zusätzlichen Gelder dafür sorgen sollen, die Gebühren stabil zu halten.

Frage: Was raten Sie denn Eltern, die dennoch Gebührenerhöhungen erleben?

Garg: Ich kann nur appellieren: Schauen Sie sehr genau auf die politische Zusammensetzung in den Gremien. Wird, wie kürzlich in Gettorf, eine Gebührenerhöhung beschlossen, fehlt mir bei allem politischen Wettbewerb das Verständnis für solch eine Maßnahme. Wenn das Land – wie ich finde zu Recht – so viel Geld locker macht, dann ist es nicht an der Zeit, Menschen mit Gebührenerhöhungen zu überziehen und Eltern weiter zu belasten.

Frage: Sie sagen also den Eltern, am 6. Mai nicht die Parteien zu wählen, die jetzt eine Gebührenerhöhung wollen?

Garg: Ich rate generell Eltern, erst einmal zur Wahl zu gehen, weil ich möchte, dass in allen Gemeindeparlamenten Demokraten das Sagen haben. Und ich rate auch, vor allem diejenigen zu unterstützen, die erstmals ernst damit machen, das Gestrüpp der Kita-Finanzierung zu lichten.

Frage: Thema Pflege: Durch die Pflegereform ist die Zahl der Erstanträge um bis zu 25 Prozent gestiegen. Doch es fehlt an Personal, damit die Menschen die Leistungen real erhalten. Wie soll das gehen?

Garg: Wir brauchen mit Sicherheit eine engagiertere Pflegepolitik im Bund und in den Ländern als bisher. Dabei sollten wir nicht nur die Ausbildung in den Blick nehmen. Mir wird zu wenig darauf geschaut, wie wir die Fachkräfte in der Pflege halten oder sie nach einer Familienpause wieder zurück in den Beruf holen können.

Frage: Wie wollen Sie das in Schleswig-Holstein erreichen?

Garg: Indem das Land die Ausbildungsbedingungen deutlich verbessert. Diese Landesregierung stellt erstmals für jeden der ab 2018 2000 staatlich finanzierten Ausbildungsplätze, sobald der Haushalt genehmigt ist, statt 310 Euro im Monat 450 Euro bereit. Wir sollten mit Bund und den anderen Ländern ein echtes Wiedereinsteigerprogramm auf den Weg bringen. Das sollte Pflegefachkräften etwa nach einer Pause ermöglichen, kostenlos ihr Wissen auf den neuesten Stand zu bringen. Zusätzliche Pflegekräfte brauchen wir auch, aber das dauert drei Jahre. Wiedereinsteigerinnen bekommen wir im Zweifel schneller. Viele würden zurückkommen, hadern aber mit den Arbeitsbedingungen.

Frage: Was muss sich da ändern?

Garg: Wir brauchen attraktive Arbeitszeitmodelle und eine bessere Bezahlung. Das sage ich auch Arbeitgebern: Wer am Markt bleiben will, muss gut bezahlen, sonst wird er keine examinierten Kräfte mehr finden. Und um die Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft sicherzustellen, brauchen wir einen Professionen-Mix.

Frage: Also ein breiteres Spektrum an Ausbildungen im Pflegebereich?

Garg: Ja, denn die 2017 eingeführten fünf Pflegegrade ermöglichen eine differenziertere Ermittlung, was der Einzelne an Unterstützung benötigt. Jetzt müssen wir sehen: Welche Profession kann die einzelnen Bedarfe abdecken? Dabei soll der Zugang zum Beruf so niedrigschwellig wie möglich bleiben. Wir diskutieren beispielsweise gerade über die Notwendigkeit eines eigenständigen Curriculums im Rahmen einer Pflegeassistenzausbildung. Am anderen Ende muss aber die Möglichkeit zur akademischen Ausbildung stehen: Wer als examinierte Kraft noch eins draufsetzen möchte, muss auch Pflege studieren können und die Perspektive zum Aufstieg haben.

Frage: Verdi hat den kostenlosen ÖPNV für öffentlich Bedienstete gefordert. Brauchen wir das für Pflegekräfte?

Garg: Schöne Idee für potenzielle Arbeitgeber – insbesondere im ländlichen Raum.

Frage: Die Jamaika-Regierung will das Rettungsdienstgesetz von 2017 in Kürze novellieren. Feuerwehren wie in Kiel fürchten, dass der Rettungsdienst für private Anbieter geöffnet wird. Kommt die Öffnung?

Garg: Nein, die gibt es nicht. Denn diese Landesregierung veranstaltet Anhörungen nicht pro forma, sondern nimmt die Anhörungsergebnisse ernst. Mir kommt es darauf an, die Versorgung der Bevölkerung deutlich zu verbessern. Deshalb wird es ein paar notwendige Korrekturen im Gesetz geben: zum Beispiel klare Definitionen für Einsätze mit dem Babyrettungswagen und eine klar geregelte Zusammenarbeit mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in den Grenzregionen.

Frage: Zur Notfallversorgung: Schleswig-Holstein ist Vorreiter bei den Portalpraxen. Dort werden Patienten auf die passende Versorgungsschiene gesetzt, damit die Notfallkapazitäten denen zugutekommen, die sie wirklich benötigen. Das Sozialgesetzbuch V lässt das bisher nur außerhalb der Sprechstundenzeiten zu. Sie wollen das rund um die Uhr ermöglichen. Wie?

Garg: Die Landesregierung bringt gerade eine Bundesratsinitiative auf den Weg, damit das Sozialgesetzbuch V geändert wird und Portalpraxen rund um die Uhr arbeiten können. Wir müssen dafür sorgen, dass der teuerste Flaschenhals der Versorgung – denn das sind die Notfallambulanzen – nicht zum Regelfall wird.

Frage: Wann könnte das mit Ihrer Bundesratsinitiative frühestens geändert werden?

Garg: Wenn alle das wollen, in gut zwölf Monaten. Es muss doch möglich sein, dass wir mit gemeinsamem Willen solch einen akuten Notstand gemeinsam wegräumen.

Frage: Immer wieder beschweren sich Patienten vor allem auf dem Land, dass sie lange auf Facharzttermine warten müssen. Haben Sie eine Lösung?

Garg: Das ist für gesetzliche Versicherte zumindest bei bestimmten Facharztrichtungen ein akutes Problem. Das lässt sich relativ schnell lösen, indem man die Budgetierung bei den niedergelassenen Ärzten abschafft. Das heißt, Leistungen, die erbracht werden, auch endlich wieder zu bezahlen. Dann würde sofort eine Verbesserung für die gesetzlich Versicherten erreicht. Dazu bräuchte es allerdings den politischen Willen auf Bundesebene.

Frage: Sie wollen also, dass der Arzt wieder jede Leistung, die er erbracht hat, vergütet bekommt? Bisher haben das Bundesregierungen und Kassen mit dem Argument der Kostenexplosion abgelehnt.

Garg: Laut Studien werden zusätzliche Ausgaben von 3,5 bis maximal fünf Milliarden Euro prognostiziert. Das ist ein Bruchteil der heutigen Überschüsse der Gesetzlichen Krankenversicherung. Das Vor-sich-her-Tragen von gesundheitspolitischen Dogmen hilft der Versorgung der Bevölkerung vor Ort jedenfalls nicht. Das gilt auch für die Frage: Ist es intelligent, in einer älter werdenden Gesellschaft Pflege und Gesundheit in zwei Säulen zu trennen? Ich finde, das macht keinen Sinn. Die ganzen Probleme an den Schnittstellen sollten in einem neuen ‚Sozialgesetzbuch Versorgung‘ aufgelöst werden.

Frage: Pflegebeiträge müssten die Versicherten aber weiterzahlen?

Garg: Ja.

 

 

Social Media Button