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Gleichberechtigung auch in der Realität erreichen

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bild: FNF | Tobias KochSabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bild: FNF | Tobias Koch
11.10.2018

Seit 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Im Dreier-Interview für die Spiegel-Sonderausgabe #frauenland nimmt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die aktuelle Lage der Gleichberechtigung unter die Lupe. Zusammen mit Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süssmuth (CDU) und Bundesministerin a.D. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) diskutiert die ehemalige liberale Bundesjustizministerin über rechtliche Fortschritte, Sexismus im Alltag und die #MeToo-Debatte.

Die rechtliche Gleichberechtigung in Deutschland sei inzwischen in weiten Teilen durchgesetzt worden, betont Leutheusser-Schnarrenberger. "Man muss sich das mal vorstellen: Früher mussten Frauen noch darum streiten, dass sie überhaupt arbeiten konnten ohne die Zustimmung eines Mannes. Mütter mit unehelichen Kindern bekamen einen Vormund für ihre Kinder", hebt sie hervor. "Es ist auch gerade Mal zwanzig Jahre her, dass die Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde. Das war nur möglich, weil sich überfraktionell Frauen zusammengetan hatten." Die Gleichberechtigung auf dem Papier sei also weitestgehend erreicht worden: "Aber wir müssen uns fragen, wie die Realität aussieht. Und die ist düster. Das geht bei gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit los."

Es sei darüber hinaus gut, dass durch die #MeToo-Debatte über sexuelle Belästigung und Sexismus gesprochen wird, findet die ehemalige Justizministerin. "So schwerwiegend sexuelle Belästigung ist, es geht um mehr: sexistische Machtstrukturen." Das Gerede von einer Hexenjagd sei "Quatsch", stellt sie klar: "Damit will man die Debatte totmachen, das finde ich durchsichtig. Als könne man kein Kompliment mehr machen." Natürlich brauche es "keine deutsche Gründlichkeit, die vorgibt, wie sexueller Kontakt am besten passieren sollte. Das machen die Menschen schon von alleine ganz gut." Aber Politik und Gesellschaft müssten hinsehen, "wo Strukturen existieren, aufgrund derer unterdrückt und ausgenutzt werden kann", fordert sie.

Mit Sorge betrachtet Leutheusser-Schnarrenberger außerdem die Rechtspopulisten in den europäischen Parlamenten, "auch bei uns", die ein ausgesprochen rückständiges Frauenbild hätten. „Wir sind da in den Dreißigerjahren. Es ist die Frau am Herd, ideologisch unterfüttert", konstatiert sie. „Wir hätten uns vor ein paar Jahren doch gar nicht vorstellen können, dass wir ernsthaft noch mal die Familienvorstellungen diskutieren müssen, die etwa der polnische Staat heute vertritt."

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