FDPBrexit-Referendum

Großbritannien würde unter einem Austritt leiden

Wolfgang KubickiWolfgang Kubicki wünscht sich srukturelle Reformen statt des Brexit
20.06.2016

Am Donnerstag stimmen die Briten über den Brexit ab. FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki setzt sich in einem Gastbeitrag für "Focus Online" mit den möglichen Konsequenzen auseinander und prophezeit: "Großbritannien würde unter einem Austritt leiden." Er ist überzeugt: Nach einem Brexit wäre eine schwere Rezession für Großbritannien unvermeidbar: Kapital würde abgezogen, Arbeitsplätze vernichtet werden. "Auf die Wirtschaftskrise könnte die Staats- und Gesellschaftskrise folgen", warnt der Freidemokrat. Er fürchtet insgesamt um die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den europäischen Gedanken" aller.

Die Folgen für die "entbritisierte" EU wären gravierend: "Allein für Deutschland wären Einschränkungen im Warenverkehr mit den britischen Freunden schmerzlich." Zudem sinke das ökonomische Gewicht eines gemeinsamen Marktes Europa im Vergleich zu den größten Industrienationen wie den Vereinigten Staaten und China – was auch Auswirkungen auf die politische Durchsetzungsfähigkeit eigener Interessen hat. Kubicki schließt auch nicht aus, dass ein Brexit einen Dominoeffekt auslöst, der einen Rückfall in die europäische Nationalstaatlichkeit zur Folge hätte.

Strukturelle Reformen sind die richtige Antwort

Zugleich räumt er ein, dass sich die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union aktuell in schwerem Fahrwasser befindet. Seiner Ansicht nach sind hier aber strukturelle Reformen die richtige Antwort: Das bedeutet, dass die derzeitige Situation, die vielen Menschen Kopfzerbrechen bereitet, lösbar und die Krise endlich ist. Einen Brexit und dessen Folgen hingegen könnten wir nicht mehr konstruktiv begleiten."

Lesen Sie hier den vollständigen Gastbeitrag:

Das Verhältnis der Briten zur Europäischen Gemeinschaft war in den vergangenen Jahrzehnten nie spannungsfrei. Vielmehr kultivierte London beständig das „Wir gegen die anderen“. So entwarf Premier Winston Churchill das Konzept der „Vereinigten Staaten von Europa“ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg selbstverständlich ohne die Briten.

Auch das zähnefletschende „I want my money back!“, das dessen Nachfolgerin Margaret Thatcher ihren verdutzten Kollegen auf dem EG-Gipfel des Jahres 1984 im französischen Fontainebleau entgegen schleuderte, konnte nur unter Missachtung der Wirklichkeit als Ausdruck einer ungebremsten und stets erwiderten Europa-Liebe definiert werden.

Nein, Fans eines gemeinsamen Hauses Europa waren die britischen Insulaner nie – sie waren jedoch immer klug genug zu wissen, dass sie von einem großen Wirtschaftsraum Europa profitieren. Dass dies in der innerbritischen Gefühlslage derzeit stark in den Hintergrund getreten ist, ist zum einen auf eine gewisse Müdigkeit zurückzuführen, die sich vor allem gegen die als schwerfällig und abgehoben empfundenen europäischen Institutionen richtet.

Zum anderen machen populäre bis populistische Politiker Stimmung für eine allgemeine Abschottung – und verschweigen dabei selbstredend, dass sie hiermit die Axt an die Wirtschaftskraft und den Wohlstand des eigenen Landes legen.

Dass für Festlandeuropäer seltsam anmutende Charaktere wie Boris Johnson – der ehemalige Bürgermeister Londons und quasi ein Donald Trump im Westentaschenformat – mit dem Brexit ein eigenes machtpolitisches Spiel treiben wollen, ist nicht automatisch gefährlich. Es wird dann gefährlich, wenn eine bestimmte Zahl an Menschen den vielfach unwahren Absonderungen gegen die EU Glauben schenken.

Fakt ist: Großbritannien würde schmerzhaft unter einem Austritt leiden – Kapital würde abgezogen, Arbeitsplätze vernichtet werden, eine schwere Rezession wäre unvermeidbar. Der britische Gewerkschaftsbund TUC spricht von vier Millionen Jobs, die vor allem in der Exportwirtschaft auf dem Spiel stehen.

Die Wahrscheinlichkeit vergrößert sich, dass der Austritt Schottlands aus Großbritannien folgt, nachdem den Schotten beim letzten Referendum erklärt wurde, die schottische Unabhängigkeit würde deren Verbleib in der EU gefährden. Zurück bliebe ein kleines England mit Wales und Nordirland an der Seite.

Neben der ökonomischen Krise könnte also eine Staats- und Gesellschaftskrise folgen. Wer diese Konsequenzen für sein Land in Kauf nimmt, kann es nicht gut mit ihm meinen.

Die Folgen für die „entbritisierte“ EU wären ebenfalls gravierend. Allein für Deutschland wären Einschränkungen im Warenverkehr mit den britischen Freunden schmerzlich. Zudem sinkt das ökonomische Gewicht eines gemeinsamen Marktes Europa im Vergleich zu den größten Industrienationen wie den Vereinigten Staaten und China – was auch Auswirkungen auf die politische Durchsetzungsfähigkeit eigener Interessen hat.

Und, last but not least: Es ist leider nicht mehr auszuschließen, dass ein Brexit einen Dominoeffekt auslöst, der einen Rückfall in die europäische Nationalstaatlichkeit zur Folge hätte.

Sicherlich befinden sich die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union aktuell in schwerem Fahrwasser. Strukturelle Reformen wären hier aber die richtige Antwort. Das bedeutet, dass die derzeitige Situation, die vielen Menschen Kopfzerbrechen bereitet, lösbar und die Krise endlich ist. Einen Brexit und dessen Folgen hingegen könnten wir nicht mehr konstruktiv begleiten. Der Schaden für unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den europäischen Gedanken wäre von Dauer.

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