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Keine Massenüberwachung

Überwachung: VideokameraNach Halle diskutiert das Land über neue digitale Speicherungs- und Überwachungsinstrumente für Polizei und Nachrichtendienste
16.10.2019

Nach dem Terroranschlag von Halle fordern Sicherheitsbehörden und Union schärfere Überwachungsmaßnahmen - inklusive Vorratsdatenspeicherung. Die Freien Demokraten warnen vor reflexhaften Antworten. "Bevor der Staat neue Überwachungsmaßnahmen einführt, müssen die bestehenden Regelungen in einer Gesamtschau bewertet werden", schreibt FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt". Dann könnten Bürger, Parlament und Sicherheitsbehörden sehen, "inwiefern das Gesamtmaß an Überwachung das für eine Demokratie erträgliche Maß überschreitet".

"Auch Lücken bei den Befugnissen ließen sich so viel schneller finden." Das eigentliche Problem bei der Verfolgung von Straftaten im Netz seien Gerichte und Staatsanwaltschaften, denen Personal und technische Kapazitäten fehlten. Kuhle kritisiert, dass sich die Politik  "sechzehn neurotische Schaukämpfe über einzelne Polizeigesetze in den Ländern" leiste. "Daneben auf Bundesebene ein anhaltendes Dauerfeuer an Vorschlägen für neue Überwachungsmaßnahmen – fein säuberlich getrennt in einzelne Gesetzgebungsvorhaben beim BKA, beim Zoll, beim Verfassungsschutz, beim BND und bei der Bundespolizei, die bei bestimmten Anlässen hervorgezaubert werden, um zügig durchs Parlament gepeitscht zu werden.!

Das Sicherheitsrecht des Bundes werde auf diese Weise und durch "intransparente Verweiskaskaden" immer undurchsichtiger, klagte der FDP-Politiker. Weder die Bürger noch die Behörden könnten somit auf einen Blick erkennen, wer denn nun was dürfe. "Eine Gesamtschau wäre nicht nur ein Innehalten für die Bürgerrechte, sondern auch ein Durchatmen für mehr Sicherheit", so Kuhle.

Die Diskussion über Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung beherrsche die Parlamente und Gerichte: "Immer wieder beschließt die Politik die Einführung neuer Befugnisse, um anschließend von obersten Gerichten in die Schranken verwiesen zu werden. Und doch werden bei jeder Gelegenheit gescheiterte Vorschläge wieder aufs Tapet gebracht", moniert Kuhle. Dieses Vorgehen sei eines aufgeklärten demokratischen Diskurses über das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit unwürdig. "Das Volk als Souverän hat es verdient, von der Notwendigkeit und Reichweite neuer Uberwachungsmaßnahmen mit Sachargumenten überzeugt und nicht mit Ideen zur Massenüberwachung überrumpelt zu werden."

Die Freien Demokraten haben derweil ein Konzept für den Kampf gegen Antisemitismus beschlossen. Nach Ansicht von FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg muss eine Konsequenz eine bessere technische und personelle Ausstattung der Polizei sein. "Es darf nicht von der Stärke einer Tür in einer Synagoge abhängen, ob etwas Schreckliches passiert". Nach dem Anschlag stelle sich die Frage, "nimmt der Staat eine Kernaufgabe, die Sicherheit, wahr".

Mit ihrem Zehn-Punkte-Plan setzen die Freien Demokraten darauf, die föderale Sicherheitsarchitektur neu zu ordnen, um auf dem Feld des Verfassungsschutzes klare Zuständigkeiten und Befugnisse zu erhalten. Die Staatsanwaltschaften sollten Schwerpunkte für das Vorgehen gegen antisemitische Straftaten bilden. Die FDP verlangt zudem, die rechtsextreme Szene zu entwaffnen. Ein entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Waffen müsse dabei insbesondere auf das neue Phänomen von Hybridwaffen gerichtet sein, deren Baupläne im Internet kursierten und die auf 3-D-Druckern auch von Privatleuten hergestellt werden könnten.

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