FDPExtinction Rebellion

Klimaschutz ist keine Entschuldigung für rechtswidriges Handeln

Aktivisten auf der Marschall-BrückeMehrere hundert Klimaaktivisten des Bündnisses Extinction Rebellion haben sich am Mittwoch auf der Berliner Marschallbrücke versammelt.
09.10.2019

Die Klimaschutz-Debatte verschärft sich: Nach demonstrierenden Schülern drängen sich jetzt Radikale in den Vordergrund. So blockieren die Aktivisten von "Extinction Rebellion" seit Montag zentrale Verkehrsknotenpunkte in Berlin. Auch wird zum Widerstand gegen die Polizei aufgerufen. Die FDP warnt vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. "Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage", twitterte Parteichef Christian Lindner. "Wenn unsere Grundordnung in Zweifel gezogen wird, muss es egal sein, ob der Umsturz von rechts, links oder wegen des Klimas erfolgen soll." Statt radikalem Protest braucht es vernünftige Lösungen, meinen die Freien Demokraten.

Dafür müsse die Große Koalition umsteuern und den Weg für einen nationalen Klimakonsens frei machen. "Wir brauchen einen echten Neustart in der Klimapolitik, der nicht auf planwirtschaftliches Klein-Klein setzt, sondern auf marktwirtschaftliche Anreize. Ein einheitlicher CO2-Preis ist dabei der Schlüssel für effizienten Klimaschutz. Darauf muss die Bundesregierung setzen", bedauert FDP-Präsidiumsmitglied Frank Sitta den Weg, den die GroKo eingeschlagen hat: "Mit dem Klimapaket kombiniert die Bundesregierung das Teure mit dem Unwirksamen und verweigert sich einem nationalen Klimakonsens." Für Sitta ist das mit ein Grund, warum sich die Debatte nicht versachlicht, sondern weiter verschärft.

Der deutschen Klimapolitik droht das planwirtschaftliche Chaos, ist der FDP-Klimaexperte Lukas Köhler überzeugt. Die Bundesregierung müsse jetzt umsteuern. "Das Klein-Klein aus Sektorzielen und unabgestimmten Einzelmaßnahmen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt", so Köhler. Ständige Kuhhandel zwischen den Ministerien und aktionistische Sofortmaßnahmen wären die Folge. Seiner Ansicht nach ist der Klimaschutz zu wichtig für politisches Geschachere. 

Das meint auch FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. Sie will den Klimaschutz aber auch nicht Radikalen überlassen:

Radikalität bei den Klimaprotesten hilft nicht weiter

Anders als andere Klimabewegungen will sich Extinction Rebellion nicht auf Demonstrationen beschränken, sondern ruft zum zivilen Ungehorsam auf. Die Aktionen in dieser Woche sollten allerdings friedlich ablaufen, betonten die Veranstalter. Daran zweifelt Lindner. "Klimaschutz ist keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nimmt", sagt der Parteichef. Autos würden beschädigt und die Besitzer beschimpft. "Trotz der Bedeutung des Klimaschutzes hört für mich das Verständnis auf, wenn Gewalt angewendet wird. Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren."

Für ihn ist klar: "Diese Protestorganisation Extinction Rebellion verkörpert nicht zwangsläufig legitimen Protest gegen die Klimapolitik." Mitgründer würden sagen, die Demokratie löse keine Probleme, deshalb müsse zum Mittel der Aktion gegriffen werden und Bürgerversammlungen einberufen werden. "Das ist eine Tendenz zur Räterepublik, das kennen wir aus anderen Systemen. Für mich klingt das nach Venezuela, nicht nach Bundesrepublik. Davon sollten sich alle Parteien klar distanzieren."

 

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beschäftigte sich mit der Frage, wie radikal gegen den Klimawandel getrommelt werden soll. Sie meint, die Weigerung von radikalen Klimaschützern, politische Prozesse, in denen Kompromisse ausgehandelt werden müssen, anzuerkennen, kann sogar der gesamten Klimabewegung schaden: "Warum sollen gerade S-Bahn Pendler, die auf öffentliche Verkehrsträger setzen um zur Arbeit kommen, von einem Brandanschlag betroffen sein? Warum sollen Arbeitnehmer, die ihren täglichen Weg gar nicht anders als im Auto zur Arbeit zurücklegen können, zum Feindbild und Opfer von illegalen Aktionen werden?" Die Aktivisten würden mit ihrem absolutistischen Ansatz die Grundprinzipien der demokratischen Entscheidungsfindung untergraben.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki stellte klar: "Der absolute bis absolutistische Anspruch dieser Bewegung ist zutiefst antidemokratisch. Wer parlamentarische Prozesse nicht akzeptiert und sich im Besitz höherer Wahrheiten wähnt, ist im Rechtsstaat trotzdem nicht befugt, rechtswidrig zu handeln und hat die entsprechenden Konsequenzen zu tragen."

Die Blockade erhöhe die Gefahr einer Eskalation, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, der "Passauer Neuen Presse". "Dabei ist der Klimawandel eine Menschheitsaufgabe, die sich nur im Konsens lösen lässt."

Extinction Rebellion

Die Freien Demokraten stehen mit der Kritik nicht alleine das: Auch der Grünen-Politiker Boris Palmer kritisierte Extinction Rebellion. "Es gibt gute Gründe, endlich entschiedenes Handeln für den Klimaschutz zu fordern. Wer aber Demokratie und Rechtsstaat dafür über Bord wirft, wird ziemlich sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren. Protest ja, Rebellion nein", sagte der Tübinger Oberbürgermeister der "Bild"-Zeitung.

Die Aktivisten von Extinction Rebellion sind nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Legale Demonstrationen und parlamentarische Prozesse hätten in den vergangenen 30 Jahren nicht zu den nötigen Veränderungen im Klimaschutz geführt, hieß es. "Konventionelle Aktionsformen wie Demos, E-Mail-Kampagnen und Lobbyarbeit sind Schrott, sie haben nicht den nötigen Effekt", erklärt Mitgründer Roger Hallam. "Dieses Thema ist größer als die Demokratie, oder wie auch immer Sie das beschreiben wollen, was derzeit noch davon übrig ist. Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant. Dann kann es nur noch direkte Aktionen geben, um das zu stoppen."

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