25.03.2020FDPFDP

KUBICKI-Gastbeitrag: Welchen entscheidenden Denkfehler die GroKo in der Krise macht

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für „Focus Online“ (heute) den folgenden Gastbeitrag.

Grundsätzlich ist es vollkommen richtig, dass der Staat in Zeiten der Krise stärker eingreift, um die beruflichen Perspektiven von Millionen Menschen zu sichern und um die vielen Hunderttausend Betriebe möglichst gut durch diese volkswirtschaftliche Katastrophe zu führen. Es sollen nach dem Willen der Bundesregierung Milliarden für kurzfristige Liquidität von kleinen Unternehmern, für ein unbegrenztes Kreditprogramm oder für Staatsgarantien für mittlere und große Unternehmen bereitgestellt werden. Verändern wir aber nicht gleichzeitig die entsprechenden Regularien bei den Banken, kommt von dem vielen Geld nicht viel bei den Betroffenen an. Denn wir versuchen gerade mit Regeln des Normalbetriebes eine Krise zu bewältigen, die mit unseren bisherigen Abläufen nicht zu meistern ist.

Bleiben wir bei den vertrauten Prozessen, werden wir dem riesigen Mengenproblem nicht Herr. Sobald die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder die Landesförderbanken mit Antragsformularen in hundertausend- bis millionenfacher Anzahl zugeschüttet werden, sinkt die Hoffnung vieler Unternehmer auf eine schnelle Bewilligung auf null. Selbst wenn die Formulare nur einseitig auszufüllen wären, wäre die schiere Summe der Anträge nicht kurzfristig ausreichend zu sichten. Und gerade bei kleineren Betrieben können wenige Tage überlebenswichtig sein.

Hinzu kommt, dass viele Bankmitarbeiter wegen der großen Ansteckungsgefahr im Homeoffice sind. Grundsätzlich wäre das eigentlich unproblematisch. Von zu Hause können sie aber die Kreditanträge nicht sorgfältig genug bearbeiten. Die vielen Dokumentationspflichten, die vor der Krise durchaus sinnhaft waren, erweisen sich heute als hinderlich. Demnach wären rein fernmündliche Absprachen unmöglich. Über allen Aktionen schweben die Bankenaufsicht und der Staatsanwalt wegen der Untreuegefahr. Aktuell ist in vielen Fällen ein Gespräch erforderlich. Sollte dies so bleiben, rauschen viele Betriebe in die Zahlungsunfähigkeit – und viele Menschen in die Arbeitslosigkeit. Und dies, obwohl ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt wurden.

Es zeigt sich zudem ein fragwürdiger Ansatz, die durch Corona auftretenden Probleme einfach woanders hin zu verlagern. Bei den geplanten Änderungen des Mietrechts zum Beispiel dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, wenn der Mieter wegen Corona seine Mietschulden zwischen dem 1. April 2020 und 30. September 2020 nicht bezahlt hat. Ob der Vermieter sein eigenes Darlehen möglicherweise sechs Monate nicht so einfach überbrücken kann, bleibt unberücksichtigt.

Zudem muss der Mieter die aufgelaufenen Mietschulden erst bis zum 30. September 2022 (!) zurückzahlen. Ein zinsloser Kredit auf Kosten des Vermieters. Dass bei einem Mietausfall die Immobilienobjekte neu bewertet werden müssen mit fatalen Konsequenzen für deren Eigentümer, scheint niemanden zu interessieren. Bilanz- und Handelsrecht ist wahrscheinlich nicht die Domäne dieser Regierung. Sinnvoller wäre, wenn eine staatliche Hilfestellung in Form eines Sonderwohngeldes geleistet würde. Niemand müsste wegen des Virus seine Wohnung verlieren und die vertraglich vereinbarten Leistungen könnten aufrechterhalten werden.

Vielleicht wäre insgesamt ein veränderter Blickwinkel hilfreicher, um der Krise entgegenzuwirken. Bei den vielen Milliarden, die nun bereitgestellt werden, handelt es sich nicht um Geld, das die Bundesregierung den Unternehmen, Arbeitgebern und -nehmern großzügig „bewilligt“. Vielmehr ist es Geld, das die Unternehmen, Arbeitgeber und -nehmer in der Vergangenheit selbst erarbeitet haben beziehungsweise in Zukunft erarbeiten werden und dem Staat als Steuerzahlungen geben.

Vor diesem Hintergrund wäre der Weg über eine „negative Gewinnsteuer“ viel zweckmäßiger. Hiermit könnten die Steuerzahlungen des letzten Jahres über das Finanzamt zurücküberwiesen werden – gedeckelt zum Beispiel bei 200.000 Euro –, um nach Ablauf dieses Jahres eine spitze Abrechnung der Verluste dieses Jahres mit den Gewinnen des letzten Jahres vorzunehmen. Der Vorteil wäre: sofortige Liquidität, kein bürokratisches Antrags- und Bewilligungsverfahren und keine Überlastung der behördlichen Kapazitäten.

Den Bürgerinnen und Bürgern wurden in den vergangenen Tagen staatlicherseits massive Freiheitsbeschränkungen auferlegt. Diese wurden auch größtenteils mit enormer Solidarität befolgt, weil die Menschen wussten, dass eine Krise auch Verhaltensänderungen abverlangt. Gleichzeitig stellt sich die Frage, warum das behördliche Denken nicht zu dieser Verhaltensänderung imstande ist. Denn mit den bürokratischen Mitteln von gestern lässt sich die Krise von heute nicht bewältigen.

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