04.01.2019FDP

KUBICKI-Interview: Brauchen nach Amberg keine schärferen Gesetze

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab „SWR Aktuell“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Florian Rudolph.

Frage: Herr Kubicki, zwei Vorfälle aus der Zeit um den Jahreswechsel machen Schlagzeilen. In Amberg sollen junge Asylbewerber alkoholisiert auf Passanten eingeschlagen haben und im Ruhrgebiet soll ein Deutscher aus fremdenfeindlichen Motiven mit dem Auto in Ausländergruppen hineingefahren sein. Kann man das beides in einem Atemzug nennen?

Kubicki: Nein, das sind sehr unterschiedliche Vorgänge. Bei den Asylbewerbern, die unter Alkoholeinfluss Passaten wahllos angegriffen haben, die ja noch Jugendliche sind, handelt es sich um Straftaten, die gezielt waren auf Körperverletzungsdelikte. Bei dem ja wohl geisteskranken Menschen in Nordrhein-Westfalen, in Bottrop und Essen, handelt es sich um einen Mordversucht. Das ist eine ganz andere Kategorie, auch straffällig andere Kategorie. Aber in der Tat belebt all dies die Diskussion über der Frage, wie gehen wir mit Straftätern insgesamt um, vor allem mit Straftätern mit Migrationshintergrund, die in Deutschland nur ein begrenztes Aufenthaltsrecht haben. Die Rechtslage ist relativ eindeutig. Wir haben alle Möglichkeiten, die Menschen aus Amberg wieder nach Hause zu schicken in ihre Heimatländer, nachdem sie ihre Strafen verbüßt haben. Bei dem Geisteskranken wird es wohl darum gehen, ihn in eine geschlossene Anstalt zu bringen und ihn nicht wieder auf die Menschheit loszulassen.

Frage: Im Amberger Fall ist auf jeden Fall heftig über die Abschiebung und den Umgang mit straffälligen Asylbewerbern diskutiert. Warum, denn der Bedarf scheint ja da zu sein, der Diskussionsbedarf?

Kubicki: Wir müssen uns die Frage stellen, warum mit den Personen nicht vorher schon anders umgegangen worden ist. Die Tatsache, dass sie betrunken waren, dürfte kein Einzelfall sein. Und in der Tat ist auch die Betreuung von Asylbewerbern, bei denen man ähnlich wie bei deutschen Jugendlichen davon ausgehen kann, dass sie dazu neigen auch gelegentlich über die Stränge zu schlagen, warum hier die Betreuung nicht ausreichend gewesen ist. Hier brauchen wir in Problemvierteln mehr Streetworker. Wir brauchen auch mehr Sozialpädagogen, die sich um solche Jugendlichen kümmern, die in der Tat dazu neigen, auch gewalttätig zu werden. Noch einmal, das ist kein Phänomen, was nur Menschen mit Migrationshintergrund betrifft. Es gibt auch eine Reihe von deutschen Jugendlichen, die losgehen und auf Menschen einschlagen. Die sich auch Schlägereien liefern, ein Beispiel, nicht um das zu verharmlosen, sondern um das zu relativieren, wir haben jeden Samstag und Sonntag bei den Spielen der 1. Bundesliga Auseinandersetzungen zwischen Hooligans und der Polizei, auch untereinander. Auch hier könnte man ja sagen, hier muss stärker eingeschritten werden. Unser Problem besteht nicht in der Gesetzeslage. Unser Problem besteht im Vollzug. Wir haben zu wenig Polizeibeamte, wir haben zu wenig Staatsanwälte, wir haben zu wenig Richter. Und vor allem haben wir auch zu wenig Justizvollzugsbeamte, die ihre Aufgabe, die Menschen in Haftanstalten auch zu betreuen, nachkommen können. Hier muss eingeschritten werden und nicht bei dem dauernden Ruf nach neuen Verschärfungen.

Frage: In jedem Fall ist Amberg wieder Wasser auf die Mühlen Rechter und Rechtsextremer, die Berichten zufolge schon Bürgerwehren aufstellen und es nützt wahrscheinlich wohl auch der asylkritischen AfD. Als Vizepräsident des Bundestages haben Sie die AfD im Parlament ja im Blick. Was sollte beim Umgang mit denen denn im neuen Jahr anders laufen?

Kubicki: Darf ich zunächst den ersten Teil ihrer Frage etwas relativieren?

Frage: Ja.

Kubicki: Ich glaube nicht, dass es der AfD nützt. Es schleift sich langsam ab zu erklären, immer dann, wenn was passiert, bei Menschen mit Migrationshintergrund läge es schlicht und ergreifend daran, dass die Kanzlerin die Grenzen aufgemacht habe. Noch einmal, das Gesetz unterscheidet nicht bei Straftäter, woher sie kommen, sondern sie werden alle mit der gleichen Elle gemessen und verurteilt werden. Das muss konsequent auch wirklich verfolgt werden. Dass es Bürgerwehren auf den Straßen gibt, ist inakzeptabel. Hier habe ich großes Verständnis dafür, dass die Polizei auch einschreiten wird. Wer versucht, das Recht selbst in die Hand zu nehmen, hat in unserem Rechtsstaat keinen Platz. Und was die AfD angeht im deutschen Bundestag, ich glaube, die AfD hat ihren Zenit bereits erreicht, weil die Menschen gemerkt haben, dass dem ganzen Alarmismus der AfD nichts folgt. Protest kann man auch anders artikulieren als die AfD zu wählen. Und so lange keine wirklichen Problemlösungen angeboten werden von dieser Partei, muss man sie auch nicht wesentlich weiter beachten. Ich bin sicher, bundesweit hat die AfD keine Chancen mehr größer zu werden als bisher. Denn man muss mehr anbieten als nur die Furcht zu schüren vor Ausländern, von Menschen mit Migrationshintergrund. Mittlerweile leben sehr viele Menschen bei uns ordentlich integriert und die Aufgabe wird sein, deutlich zu machen, dass wir davon auch profitieren. Wir brauchen jedes Jahr mehrere hunderttausend Menschen, die zu uns kommen, sonst brechen unsere sozialen Sicherungssysteme zusammen. Sonst können wir uns das nicht mehr leisten, was an sozialen Abgaben und Aufgaben vor uns liegt.

Frage: Bei den letzten Wahlen ist die AfD erstmals in den Bundestag eingezogen und ihre Partei die FDP ist wieder ins Parlament gekommen. Am Sonntag erstes Dreikönigstreffen in Stuttgart, seit wir wieder eine Regierung haben und die hat vom Start weg kein gutes Bild abgegeben. Übersteht diese GroKo 2019?

Kubicki: Das ist eine sehr schwere Frage, meine Prognose lautet „nein“, aber ich habe mich in der Vergangenheit schon häufig geirrt, vor allem deshalb, weil es gar nicht so einfach ist, zu Neuwahlen zu kommen bzw. eine neue Kanzlerin oder einen neuen Kanzler zu installieren. Denn das Grundgesetz ist hier sehr rigide und gibt dem Bundespräsidenten eine Vielzahl von Möglichkeiten, von denen er im Zweifel auch Gebrauch machen wird. Aber ich glaube, dass die Sozialdemokraten implodieren werden. Ich erlebe das im deutschen Bundestag auch, die Niedergeschlagenheit, die Depression. Für eine Volkspartei, die Deutschland einmal regierte, die 150 Jahre Tradition hat, sind Meinungsumfrageergebnisse von 14 oder 15 Prozent überhaupt nicht akzeptabel. Das deutet darauf hin, dass sowohl das Führungspersonal, als auch die programmatische Ansprache der SPD nicht mehr mehrheitsfähig sind. Und hier muss die SPD etwas ändern, wenn sie überleben will. Das kann sie nicht in dieser Großen Koalition, weil sie dort nicht entsprechend polarisierend wirken kann. Sie wird dort raus müssen und irgendwann werden die Mitglieder auch sagen, lieber aufrecht kämpfen, als dahinsiechen in dieser Großen Koalition.

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