27.12.2017FDPFDP

KUBICKI-Interview: Merkel ging es nie darum, Jamaika hinzubekommen

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki gab den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Julia Emmrich und Jochen Gaugele.

Frage: Herr Kubicki, Sie wollten nie nach Berlin. Dort könnten Sie, wie Sie einmal in einem freimütigen Interview bekannten, „zum Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock“. Jetzt hat Ihnen Ihre Frau eine Wohnung in der Hauptstadt gesucht und eingerichtet. Was ist passiert?

Kubicki: Ich bin furchtloser geworden im Umgang mit der Hauptstadt. Außerdem ist meine Frau meistens auch in Berlin, wenn ich in Berlin bin. Das begünstigt meinen sittlich-moralischen Reifungsprozess.

Frage: Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen hat Ihr persönliches Risiko nicht geringer werden lassen. Die Ablenkung durch Regierungsarbeit fällt aus ...

Kubicki: Ich bin trotzdem nicht gerade unterbeschäftigt. Sie müssen sich aber auch sonst keine Sorgen machen: Ich komme nicht unter die Räder.

Frage: Die FDP ist erstmal aus dem Spiel, jetzt verhandeln Union und SPD: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass wieder eine große Koalition zustande kommt?

Kubicki: Was ich beobachte, ist: Je weiter Sie weg sind von Berlin, desto größer wird die Skepsis bei den Sozialdemokraten. Die Kanzlerin wollte immer die große Koalition fortsetzen, die SPD-Bundestagsfraktion auch. Aber die Basis ist dagegen. Es wird trotzdem dazu kommen. Die Chance liegt bei 80 Prozent.

Frage: Was würde die dritte große Koalition innerhalb weniger Jahre für Deutschland bedeuten?

Kubicki: Es wäre die letzte Amtszeit von Angela Merkel. Sie wird nicht noch einmal antreten, sondern den Zeitpunkt ihres Ausscheidens selbst bestimmen wollen. Und es wird teuer werden, das hat Andrea Nahles schon angekündigt. Für die Steuerzahler, für die Sozialversicherungen, für die Unternehmen. Und insbesondere für die junge Generation, denn sie wird die neuen Lasten tragen müssen, zum Beispiel die Ausweitung der Mütterrente.

Frage: Wäre die Vertrauensbasis zwischen Angela Merkel und Christian Lindner überhaupt noch groß genug für eine Regierungszusammenarbeit?

Kubicki: Ich glaube, der Kanzlerin ging es nie darum, Jamaika hinzubekommen. Sie hat daran gebastelt, die Fortsetzung der großen Koalition zu erreichen. Das ist ihr gelungen. Sie hat heute die SPD genau da, wo sie sie haben wollte.

Frage: Die Wähler glauben eher, dass Jamaika an der FDP gescheitert ist. In den Umfragen verlieren die Liberalen an Boden …

Kubicki: Das beunruhigt uns überhaupt nicht. Es ist doch alles eine Frage der politischen Kommunikation: Wenn CDU/CSU und Grüne mit dem Finger auf uns zeigen und sagen, wir seien die Bösen, dann wundert es mich, dass wir nicht noch weiter eingebrochen sind. Stattdessen liegen wir immer noch über acht Prozent, das ist mehr als kurz vor der Bundestagswahl. In zwei, drei Monaten werden die Meinungsumfragen für die Freien Demokraten wieder steigen. Sollte es zu Neuwahlen kommen, werden wir das Bundestagswahlergebnis von 10,7 Prozent übertreffen.

Frage: In der laufenden Wahlperiode gibt es demnach keine Chance mehr für Jamaika?

Kubicki: Unter den gegebenen Umständen nicht. Wir werden auch nicht aktiv auf irgendjemanden zugehen. Aber: Eine neue Lage bedeutet neues Denken und neues Personal bedeutet neue Gesprächsebenen. Wir müssen das abwarten: Robert Habeck und Annalena Baerbock sind noch nicht als neue Parteichefs der Grünen gewählt, Markus Söder hat sich in der CSU nur mittelprächtig durchgesetzt. Bei der Union gibt es noch keine Veränderungen. Aber das wird notwendig sein. Die Freien Demokraten sind nicht dafür gewählt worden, eine Kanzlerschaft von Angela Merkel zu sichern.

Frage: Wenn Sie es sich wünschen dürften – wie sähe die neue Regierung aus?

Kubicki: Mir wäre eine Koalition mit einer erneuerten CDU/CSU am liebsten. Nach Neuwahlen wären die Hürden dafür nicht so groß.

Frage: Sprechen Sie von einer schwarz-gelben Koalition ohne Merkel?

Kubicki: Sie wollen mich dahin bringen, dass ich sage: Merkel muss weg. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Die Union muss selbst wissen, wie sie aus dem Jammertal der knapp 30 Prozent rauskommen will. Und es gibt ja eine ganze Reihe von guten Leuten, die für die Erneuerung stehen. Jens Spahn, aber auch einige andere in den Ländern. Daniel Günther hat gezeigt, dass man mit einer erneuerten CDU eine Jamaika-Koalition erfolgreich gestalten kann. Mit Angela Merkels Rezepten der letzten zwölf Jahre wird Deutschland in Zukunft nicht bestehen können.

Frage: Welches Signal wollen Sie vom traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart senden?

Kubicki: Christian Lindner wird ein Bild von Deutschland entwerfen, wie wir Freien Demokraten uns das Land vorstellen. Er wird versuchen, eine neue Empathie zu entfachen für diejenigen Menschen, die etwas wagen wollen. Und er wird eine deutsche Antwort auf Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron geben, also unsere Idee für die europäische Integration. Das dürfte über Stuttgart und Deutschland hinaus ganz Europa interessieren, denn: Dass die Freien Demokraten wieder aus dem Bundestag verschwinden, ist eher unwahrscheinlich. Wir wollen uns in den deutschen Parlamenten mit mindestens zehn Prozent festsetzen, es ist aber auch noch mehr drin.

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