04.01.2016FDPFDP

KUBICKI-Interview: Wir glauben an den Menschen und seine Fähigkeiten

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab „n-tv.de“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte HUBERTUS VOLMER:

Frage: Was wäre heute anders in Deutschland, wenn die FDP noch mitregieren würde – zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik?

KUBICKI: Dann hätten wir einen Sonderschutzstatus für Kriegsflüchtlinge geschaffen, so dass sie vom ersten Tag einen Aufenthaltstitel gehabt hätten und nicht das Asylverfahren durchlaufen müssten. Wir hätten ein Zuwanderungsrecht verabschiedet, um Menschen die Möglichkeit zu geben, legal einzuwandern und Deutsche zu werden. Und vor allem hätten wir unsere europäischen Nachbarn nicht mit moralischer Impertinenz brüskiert. Viele Staaten haben sich mittlerweile ja schon von Deutschland als Führungsmacht in Europa verabschiedet. Bedauerlicherweise hat Deutschland unter Führung von Angela Merkel viel Porzellan zerschlagen. Etwas mehr Demut, etwas mehr Werben für die eigenen Positionen, weniger Auftreten als Schulmeister wären besser für Europa.

Frage: Was halten Sie von der Forderung, die innereuropäischen Grenzen zu schließen?

KUBICKI: Davon halte ich nichts. Die Tatsache, dass wir im Schengen-Raum keine Grenzkontrollen mehr haben, ist neben dem Euro einer der wesentlichen Bausteine Europas. Diese Errungenschaft zu verteidigen, ist aller Mühen wert.

Frage: Hätte die FDP die Griechenland-Politik der Bundeskanzlerin mitgetragen?

KUBICKI: Wir hätten uns wesentlich restriktiver gegenüber unseren griechischen Freunden verhalten. Herr Tsipras lässt im griechischen Parlament zwar beschließen, was die europäischen Partner von ihm verlangen. Die Gesetze werden aber nicht angewandt. Griechenland muss modernisiert werden. Dabei müssen die europäischen Partner helfen, und möglicherweise müssen sie die Griechen auch zwingen, die nötigen Reformen umzusetzen. Ansonsten wird Griechenland ein Almosen-Empfänger bleiben.

Frage: Hätten Sie den Grexit riskiert?

KUBICKI: Wir hätten den Grexit jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Europa zerbricht nicht, wenn Griechenland den Euro verlässt.

Frage: Als Partei nennen Sie sich jetzt „Freie Demokraten“ und nicht mehr „Liberale“. Ist noch etwas anders im Vergleich zur FDP von 2013?

KUBICKI: Wir haben nur unser Kürzel wieder ausgeschrieben: Freie Demokratische Partei. Auf diese Idee sind wir gekommen, nachdem selbst Horst Seehofer von sich erklärte, er sei ein Liberaler. Der Begriff des Liberalen ist zum Allgemeingut geworden und hat als Identifikationsmerkmal nicht mehr ausgereicht. Was ist anders? Wir haben eine neue Parteiführung mit Christian Lindner, Katja Suding, mir und anderen. Wir haben in Hamburg und Bremen Wahlergebnisse erzielt, die als historisch zu bezeichnen sind: In Hamburg war es das beste Ergebnis seit 40 Jahren, in Bremen das beste Ergebnis seit 25 Jahren. Bei beiden Wahlen standen junge Frauen an der Spitze, die gezeigt haben, was sie können. Damit haben wir dokumentiert, dass Erfolg keine Quote braucht.

Frage: Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat die FDP als Ein-Mann-Partei bezeichnet. Das klingt nicht danach, als sei Ihre Partei bereit, sich schon 2017 an einer Bundesregierung zu beteiligen.

KUBICKI: Dass wir eine Ein-Mann-Partei sind, ist ein Klischee – was man schon daran sieht, dass Sie mich interviewen und nicht Christian Lindner. Die FDP ist gut aufgestellt. Wir haben im März drei Landtagswahlen, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Wir werden diese Wahlen erfolgreich bestehen und damit eine weitere Etappe auf dem Weg zum Wiedereinzug 2017 in den Deutschen Bundestag zurücklegen.

Frage: Mit anderen Worten: Es wäre dramatisch, wenn die FDP in Rheinland-Pfalz und in ihrem Stammland Baden-Württemberg unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben würde?

KUBICKI: Es wäre keine Hilfe, aber ich halte das für extrem unwahrscheinlich. Wir haben uns bestimmte Vorgaben auf dem Weg bis 2017 gesetzt. Bisher haben wir diese Zwischenziele alle erreicht.

Frage: SPD-Vizechef Ralf Stegner hat kürzlich eine Ampel-Koalition für 2017 als Möglichkeit genannt.

KUBICKI: Noch vor wenigen Jahren hat Ralf Stegner massiv auf die FDP eingeschlagen. Wenn er sich nun vorstellen kann, eine Koalition mit der FDP zu bilden, jedenfalls lieber als mit den Linken, dann zeigt das, dass in der SPD ein Nachdenken eingesetzt hat. Ralf Stegner geht offenbar davon aus, dass die FDP dem nächsten Deutschen Bundestag angehören wird. Da kann ich ihm nur zustimmen.

Frage: Und was halten Sie von der Idee einer Ampel?

KUBICKI: Ich sehe, dass Sigmar Gabriel versucht, die SPD wieder weiter in die Mitte zu bringen. Aber bisher ist es nur ein Versuch. Natürlich gibt es Anknüpfungspunkte. Letztlich muss man abwarten, wie sich die SPD entwickelt. Es gab ja mal eine sozialliberale Koalition auf Bundesebene. Das war nicht die schlechteste Zeit für Deutschland. Grundsätzlich müssen alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig sein – die Union regiert ja auch mit den Grünen und mit den Sozialdemokraten.

Frage: Die Union ist demnach nicht mehr der natürliche Verbündete der FDP?

KUBICKI: Die Union war nie der natürliche Verbündete der FDP, genauso wie wir nie der natürliche Partner der Union gewesen sind. Wir haben mit der Union nach wie vor in den meisten politischen Fragen die größten Schnittmengen. Vereinbarungen mit ihr wären daher schneller und leichter zu erzielen. Aber die Geschwindigkeit, mit der sich die Union derzeit verändert, ist schon atemberaubend.

Frage: Wahlarithmetisch wird die AfD oft als Konkurrent der FDP genannt.

KUBICKI: Die AfD ist keine Konkurrenz zur FDP, weil wir keine inhaltlichen Überschneidungen und daher auch keinen Wähleraustausch haben. Die FDP ist eine weltoffene Partei, eine menschenbejahende Partei, eine europafreundliche Partei, eine Partei, die sich dafür einsetzt, dass gleichgeschlechtliche Lebensweisen gleich behandelt werden. Das ist genau das Gegenteil der AfD. Wir wollen Menschen befähigen, aus sich selbst das Beste zu machen, und sie nicht klassifizieren und denunzieren. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass dieser Spuk in dem Moment vorbei ist, wenn die Menschen wieder größeres Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik haben.

Frage: Am 6. Januar findet in Stuttgart das traditionelle Dreikönigstreffen der FDP statt. Was wird die Botschaft sein?

KUBICKI: Ich will Christian Lindner nicht vorgreifen, aber es wird die Intonierung sein, dass wir an den Menschen und seine Fähigkeiten glauben, mit Problemen fertig zu werden – Christian Lindner wird den Grundoptimismus durchdeklinieren, den wir mit dem neudeutschen Begriff „German Mut“ beschreiben. Zehn Prozent der Deutschen engagieren sich in der Flüchtlingskrise. So viel privates Engagement muss das Herz eines jeden Freien Demokraten erwärmen. Das zeigt, dass Menschen viel stärker und fähiger sind als der Staat, der ohne dieses Engagement vollständig überfordert gewesen wäre. Diese Menschen verkörpern genau das Menschenbild, das die Grundlage unserer Politik ist.

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