17.08.2018FDPFDP

KUBICKI-Interview: Wir wollen das Kooperationsverbot im Bildungsbereich kippen

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Hamburger Abendblatt“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Dey.

Frage: Warum läuft Jamaika in Schleswig-Holstein so gut und warum würde es in Berlin derzeit nicht klappen?

Kubicki: In Schleswig-Holstein kannten wir uns schon vorher gut, da gab es in Zeiten der großen Koalition eine intensive Zusammenarbeit in der Opposition. Das hatten wir in Berlin alles nicht. Dort gab es kein Verständnis für die FDP, weil wir vier Jahre nicht im Bundestag waren. Und dieses Verständnis konnte man nicht innerhalb der Sondierungsverhandlungen herstellen. Das würde heute anders laufen. Zwischen den Grünen und der FDP im Bundestag ist das Verständnis gewachsen.

Frage: Tauwetter im Verhältnis zu den Grünen, aber Eiszeit mit der Union?

Kubicki: Was heißt Eiszeit? In den Sondierungsgesprächen ist deutlich geworden, dass die Union keine inhaltlichen Positionen mehr hat außer der, dass Angela Merkel Kanzlerin bleiben muss. So ist sie immer zwischen Grünen und FDP hin und her mäandert. Wie soll man da verhandeln? Das war in Schleswig-Holstein auch anders.

Frage: Gibt es denn schon gemeinsame Initiativen von FDP und Grünen?

Kubicki: Ja. Unter anderem arbeiten wir an einer Verfassungsänderung: Wir wollen das Kooperationsverbot im Bildungsbereich komplett beseitigen und die Möglichkeit schaffen, dass der Bund zumindest finanziell dazu beitragen kann, dass in allen Bundesländern gleiche Bildungsstandards vorherrschen und dass die Digitalisierung an den Schulen tatsächlich stattfinden kann. So wollen wir auch demonstrieren, dass FDP und Grüne stabilisierende politische Faktoren sind.

Frage: Ist das eine Einladung für eine Neuauflage von Jamaika?

Kubicki: Nein, das Thema ist für diese Wahlperiode durch. Ohne Neuwahlen würde es nicht gehen.

Frage: Kommt es dazu? Oder hält die Koalition von Union und SPD durch?

Kubicki: Das glaube ich nicht. Nachdem ich bislang dachte, sie hält bis 2019, glaube ich inzwischen, dass die SPD die Koalition bis Ende 2018 verlassen wird. Sie wird dramatische Wahlniederlagen in Bayern und Hessen einfahren und feststellen, dass sie innerhalb der Koalition implodiert. Wie soll die Führung ihren Genossen erklären, dass man bundesweit bei 17 Prozent liegt und in einigen Ländern wie Sachsen oder Bayern einstellig ist?

Frage: Also Neuwahlen 2019?

Kubicki: Ja.

Frage: Kann Daniel Günther Kanzler?

Kubicki: Ja, kann er. Aber nicht jetzt. Im Moment macht er ordentliche Politik in Schleswig-Holstein, aber er muss noch zeigen, dass er auch eine zweite Wahl gewinnen kann.

Frage: Wer soll es dann für die Union machen? Angela Merkel ja absehbar nicht mehr.

Kubicki: Das Innenleben der Union ist mir schnurzegal. Abgesehen davon wären meine Einflussmöglichkeiten auf die unionsinterne Führungsfrage eher begrenzt.

Frage: Aber eine Prognose abgeben dürfen Sie.

Kubicki: Es gibt einige, die es werden wollen: Volker Bouffier aus Hessen, Armin Laschet aus NRW möchte und könnte es wohl auch. Frau von der Leyen möchte, aber außer ihr möchte das niemand. Frau Kramp-Karrenbauer wird nur von der Kanzlerin favorisiert. Frau Klöckner bringt sich stark in Stellung – und macht das bisher gut.

Frage: Zur FDP: Hamburg gilt als liberale und weltoffene Stadt, dennoch muss Ihre Partei hier stets um den Einzug in die Bürgerschaft kämpfen. Woran liegt das?

Kubicki: Es liegt immer an einem selbst. Die Hamburger FDP war sehr lange in Flügel zerstritten mit vehementen persönlichen Auseinandersetzungen. Das ist seit dem Einzug in die Bürgerschaft besser geworden und ich bin mir sicher, dass die Partei für die Wahl 2020 gutes Personal aufstellt. Katja Suding hat in den vergangenen Jahren als Landesvorsitzende hervorragende Arbeit geleistet.

Frage: Die Auseinandersetzungen könnten ja zurückkehren: Dem Vernehmen nach können sich beide Fraktionsvorsitzende – Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse – die Spitzenkandidatur vorstellen.

Kubicki: Sehen Sie es mir nach, dass ich meinen Hamburger Parteifreunden keine Ratschläge erteile. Ich kann nur auf das Erfolgsmodell Schleswig-Holstein verweisen: Wir haben bei den letzten drei Wahlen die besten Ergebnisse unserer Geschichte erzielt, weil wir harmonisch zusammenarbeiten und die hierarchische Struktur klar ist. Erfolg hat etwas damit zu tun, dass die Menschen das Gefühl haben, wir kümmern uns mehr um ihre Probleme als um unsere eigenen.

Frage: Ist die SPD in Hamburg der richtige Partner für die FDP?

Kubicki: Ich habe an der Hamburger SPD relativ wenig auszusetzen. Es wäre schlau von der Bundes-SPD, wenn sie mal nach Hamburg schauen würde: Warum holt sie dort über 40 Prozent und liegt auf Bundesebene unter 20?

Frage: Und: Woran liegt das?

Kubicki: Weil Olaf Scholz auf einen extrem wirtschaftsfreundlichen Kurs gesetzt hat. Er hat Hamburg mit einer vernünftigen Politik stark und attraktiv gemacht.

Frage: Kann Scholz also der Retter der Sozialdemokratie sein?

Kubicki: Nein, dafür bremsen ihn die innerparteilichen Strukturen seiner Partei zu sehr. Deshalb agiert Olaf Scholz als Vizekanzler in Berlin völlig unauffällig. Er katalogisiert eher den Niedergang der SPD.

Frage: Zurück in den Norden: Wann wird die A20 fertig?

Kubicki: Die Linienführung steht fest, daher haben wir nur noch begrenzt Einfluss. Es gibt Umweltverbände, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Autobahn zu verhindern. Aber ich glaube, in einem gemeinsamen Bündnis zwischen den Grünen und der FDP kann es gelingen, die Interessen auszugleichen – also die A20 bis zur Elbe zu führen und gleichzeitig die Umweltbelange zu berücksichtigen.

Frage: Bis wann?

Kubicki: Ich glaube, dass wir bis 2022 Baurecht für alle Abschnitte haben werden, die Projekte europaweit ausschreiben können und dann auch relativ zügig bauen können. Mein Tipp aus heutiger Sicht: Wir sind 2025 an der Elbe.

Frage: Das wäre deutlich früher als die Fehmarnbeltquerung.

Kubicki: Ja. Auch dort brauchen wir erst noch Baurecht. Wir müssen uns aber noch mit immerhin 13.000 Einwendungen herumschlagen, und da die Umweltverbände mit Sicherheit klagen werden, kann das noch ein paar Jahre dauern. So was versteht doch niemand.

Frage: Ihre Lösung?

Kubicki: Das ist nicht so einfach. Aber mir kann niemand erklären, warum ein Umweltverband aus Stuttgart berechtigt ist, gegen die Fehmarnbeltquerung Einspruch zu erheben und zu klagen. Mir leuchtet auch nicht ein, warum die Elbvertiefung an drei kleinen Pflanzen scheitern kann. Wir müssen einmal darüber nachdenken, ob unser System noch zukunftsfähig ist. Der Bund muss dringend beim Planungsrecht nachbessern.

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