16.12.2014FDPEuropa

LAMBSDORFF-Gastbeitrag für „Die Welt“: Amtssprache Englisch

Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, schrieb den folgenden Gastbeitrag für „Die Welt“ (heutige Ausgabe):

Die nötige Zuwanderung klappt nur, wenn Behörden mehr können als Deutsch

Die CSU schwingt mal wieder die Populismuskeule. Nach "wer betrügt, der fliegt" und "Ausländer"-Maut war die Sprachen-Polizei der nächste Versuch, mit zweifelhaftem Populismus die AfD rechts zu überholen. Was viele achselzuckend abtun, gefährdet in Wahrheit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn wer bei uns eine ausländerfeindliche Stimmung schürt und damit sogar Berichterstattung in der "New York Times" auslöst, darf sich nicht wundern, wenn leistungsbereite Zuwanderer lieber nach England, Schweden oder Holland gehen.

Fakt ist: Bis 2025 werden mehr als sechs Millionen Fachkräfte fehlen - das sind 15 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland, in etwas mehr als zehn Jahren. Ohne Zuwanderung ist unser Wohlstandsniveau nicht zu halten. Wie sollen deutsche Unternehmen ohne IT-Experten, Marketingprofis und Ingenieure aus anderen Ländern noch Wachstum schaffen? Bereits heute klagen Branchen wie Metall- und Elektroindustrie, die IT-Branche, aber auch Krankenhäuser und Altenpflege über den Mangel an qualifizierten Fachkräften. Statt Ressentiments zu schüren, brauchen wir also das genaue Gegenteil: eine Initiative für mehr Willkommenskultur.

Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht so schlecht. Die letzte schwarz-gelbe Bundesregierung hat eine große Reform des Einwanderungsrechts verabschiedet, laut OECD gehört Deutschland jetzt zu den Ländern mit den geringsten Hürden für die Zuwanderung von Fachkräften. Trotzdem bleiben die Zuwanderungszahlen hinter den Erwartungen zurück. Australien, Kanada, Großbritannien, aber auch Dänemark verzeichnen jährlich fünf- bis zehnmal so viele beschäftigungsorientierte Zuwanderer.

Der Grund ist klar: die Sprache. Nur anders, als die CSU sich das vorstellt. Die Mehrzahl hoch qualifizierter Fachkräfte spricht Englisch, nicht Deutsch. Viele gehen deshalb lieber nach Skandinavien oder Holland, wo selbstverständlich Englisch gesprochen wird, auch auf dem Amt. Der Irrglaube, dass hoch qualifizierte Menschen nicht zum deutschen Markt passen, weil sie kein Deutsch sprechen, führt in eine Sackgasse. Experten und Führungskräfte werden heutzutage auch innerhalb ihres Unternehmens zeitweise ins Ausland versetzt. Während sie bei uns leben, schaffen sie Werte und zahlen Steuern in Deutschland. Honoriert wird das nicht: Internationale Fachkräfte in Düsseldorf berichten, sich noch nicht einmal im Ausländeramt auf Englisch verständigen zu können. Von den Stadtwerken ganz zu schweigen - da wurde auf die Frage, ob vielleicht jemand Englisch spreche, einfach der Hörer aufgelegt.

Deshalb muss Englisch in Deutschland Verwaltungssprache werden, mittelfristig vielleicht sogar Amtssprache. Englisch ist heute lingua franca, die globale Verkehrssprache. Sie wird in Europa, Asien und Lateinamerika flächendeckend unterrichtet. Schon deshalb ist sie die praktikabelste Lösung. Die Bevölkerung ist aufgeschlossen: Sechzig Prozent der Deutschen fänden es gut, wenn Englisch zweite Amtssprache in ganz Europa würde, die Hälfte, wenn Deutschland voranginge.

Natürlich funktioniert so etwas nicht über Nacht. Niemand erwartet, dass auf dem Tiefbauamt in kürzester Zeit alle in perfektem Oxford-Englisch parlieren. Ein Anfang wäre aber gemacht, wenn Ausländer- und Bürgerämter Mitarbeiter mit Englischkenntnissen erlaubten und sie ermutigten, auch auf Englisch zu beraten. Formulare auf Englisch anzubieten und Mitarbeiter fortzubilden, ist machbar. Das Saarland weist den Weg: Bis 2043 sollen dort alle Gesetze und Vorschriften auch auf Französisch angeboten werden - dort absolut sinnvoll, aber auch visionär.

Wenn wir es mit dem Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitskräfte ernst meinen, muss Deutschland mutige Schritte gehen. Zu verlieren haben wir nichts, zu gewinnen ein weltoffenes, attraktives und wettbewerbsfähiges Land, in das kluge Leute gerne kommen.

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