07.02.2018FDPFDP

LAMBSDORFF-Interview: Konstruktive Opposition gegen GroKo

Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Alexander Graf Lambsdorff gab dem „SWR2“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Marie Gediehn:

Frage: Es wird offenbar bis zuletzt hart verhandelt. Hat sich die FDP das nicht zugetraut?

Lambsdorff: Wir haben ja auch hart verhandelt. Wir haben ja ebenso wie die aktuellen Verhandlungsteilnehmer in Berlin auch mehrere Tage drangehängt und haben dann festgestellt, wenn etwas nicht zusammenpasst, es falsch wäre, weiter zu machen und sind deswegen damals vor die Presse getreten und haben erklärt, dass es nicht sinnvoll ist, diese Verhandlung fortzusetzen. Aber dass wir nicht hart verhandelt hätten, dass würden auch unsere Verhandlungspartner, glaube ich, nicht behaupten, von Grünen und Union.

Frage: Trotzdem zitiere ich nochmal Ihren Parteichef: „Besser nicht regieren als falsch zu regieren.“ Der Satz hat für viel Häme gesorgt. War es das wert?

Lambsdorff: Ja, natürlich war es das wert, denn ich glaube, es ist ganz klar – man sieht es ja auch an den Umfragen – entgegen mancher Legende, die FDP sei irgendwie eingebrochen in den Umfragen, haben wir völlig stabile Umfragen. Wir haben in der Anhängerschaft, in der Wählerschaft fünf Millionen Menschen in Deutschland, die uns gewählt haben, die sich einen Erneuerungsschub versprochen haben vom Eintritt der FDP in die Bundesregierung. Wenn dieser Erneuerungsschub, wenn diese Trendwenden, für die wir uns eingesetzt haben, nicht zu erreichen sind, dann müssen wir nach der Wahl zu dem stehen, was wir vor der Wahl gesagt haben, dann ist das Wort von Christian Lindner nach wie vor richtig. Dann ist es besser, konstruktive Opposition zu machen, Vorschläge zu machen und sich aufzustellen für eine neue Wahl.

Frage: Trotzdem, wie groß ist denn Ihre Angst, wenn wir auf das schauen, was da jetzt schon verhandelt wurde in den vergangenen Tagen, dass diese jetzige Große Koalition möglicherweise Dinge umsetzt, die auch die FDP gewollt hat, zum Beispiel Kooperationsverbot zu lockern?

Lambsdorff: Ich sage Ihnen eines, sowohl persönlich als auch für die FDP insgesamt, wenn die Große Koalition Dinge umsetzen würde, für die wir uns als FDP eingesetzt haben, dann würden wir das begrüßen. Ich sage es nochmal, wir sind eine Oppositionspartei, die das konstruktiv macht. Wir sind ja keine populistische Oppositionspartei, die grundsätzlich gegen alles ist. Wenn sinnvolle Vorschläge gemacht werden von einer Großen Koalition, dann werden wir die unterstützen. Da, wo die Vorschläge ambitionslos oder gar völlig verfehlt sind, da werden wir das auch markieren und entsprechend im Bundestag argumentieren.

Frage: Jetzt steht die SPD, das ist nun Allgemeinwissen, unter riesigem Druck. Es steht das Mitgliedervotum an, die Partei zerreißt das fast. Nachdem Sie ausgestiegen sind, hat sich da ein bisschen, manche sprechen von einer Falle aufgetan. Ist die FDP Schuld am möglichen Untergang der Sozialdemokratie?

Lambsdorff: Ich glaube, dass die Hörerinnen und Hörer vielleicht auch die Kräfteverhältnisse ganz richtig einzuschätzen vermögen. Wir haben fast elf Prozent geholt, aber die SPD immerhin über 20 Prozent. Also wenn wir mit der Hälfte der Kraft der SPD an ihrem Untergang Schuld wären, dann wäre das ein bisschen vermessen von uns aus. Ganz im Gegenteil, jede politische Partei in Deutschland macht den Wählerinnen und Wählern ein Angebot und geht anschließend mit dem Angebot entweder in solche Koalitionsverhandlungen oder eben nicht. Was die SPD jetzt raus verhandelt, was sie in dem Mitgliederentscheid dann vorlegen wird, ist einzig und allein ihre Verantwortung – die Verantwortung der Sozialdemokratie – die, da haben Sie schon recht, natürlich in großen Schwierigkeiten ist. Wenn man sich andere europäische Länder anschaut, da geht es den Sozialdemokraten auch nicht viel besser, aber das ist nicht die Verantwortung irgendwelcher anderer, weder der Grünen, noch der CDU, noch der FDP, sondern das muss die SPD als traditionsreiche Partei ganz allein mit sich ausmachen.

Frage: Nun wird unter anderem aus all diesen von Ihnen genannten Gründen der künftigen, ja wohl kommenden Regierung, eine möglicherweise nicht allzu lange Lebensfähigkeit attestiert. Frage an Sie als langjährigen Europapolitiker, wie sehr braucht denn aber Europa gerade jetzt eine stabile Regierung in Berlin?

Lambsdorff: Deutschland ist, das muss man vielleicht mal vorwegsagen, ein sehr stabiles Land. Wir haben ja nicht, weil wir einige Monate für die Regierungsbildung brauchen, eine Staatskrise oder so etwas, sondern wir haben ein funktionierendes Land. Wir haben unsere Bundesländer, wir haben die Verwaltungen. Die Anarchie ist hier ja nun wirklich nicht ausgebrochen, insofern auch die anderen Europäer sehen das in Deutschland und wissen, dass es normal ist, dass man auch mal ein paar Wochen länger braucht für eine Regierungsbildung. Trotzdem, am Ende des Prozesses sollte natürlich eine handelsfähige Regierung herauskommen, denn die Positionierung der Bundesrepublik Deutschland in den Gremien in Europa, die nicht nur geschäftsführend erfolgt, ist ein wichtiger Bestandteil der Entscheidungsfindung dort. Also, klar, Deutschland mit Regierung ist besser als Deutschland ohne Regierung, aber Deutschland mit einer guten Regierung wäre noch besser als Deutschland mit einer ziemlich ambitionslosen und verhaltenen Großen Koalition, die sich jetzt an die wirklichen Zukunftsprobleme nicht wirklich ran traut.

Frage: In Sachen Europa scheint diese Regierung mitnichten ambitionslos. Europa ist zur Chefsache erklärt worden in der GroKo. Blutet Ihnen da als langjähriger Europapolitiker nicht das Herz?

Lambsdorff: Nein, überhaupt nicht. Erstens der Europateil ist noch nicht wirklich bekannt, was die da ausgehandelt haben. Zum anderen muss man sagen, was heißt das ganz konkret? Ich finde zum Beispiel, dass wir gut damit gefahren sind, in den letzten Jahren, darauf zu achten, dass in der Eurostabilisierung beispielsweise, wir versuchen, Haftung und Risiko wieder zusammenzuführen. Das heißt, dass wir nicht große Geldsummen in Brüssel bereitstellen, um Ländern, die ihre Wirtschafts- und Sozialreformen nicht machen, unter die Arme zu greifen, sondern, dass wir die finanzpolitische Eigenverantwortung der Länder betonen. Da will die Große Koalition in die falsche Richtung gehen. Auf der anderen Seite wird heute im Europäischen Parlament abgestimmt über sogenannte europäische Listen, also das europäische Wahlrecht für die Zukunft. Da hat Macron vorgeschlagen, es wäre sinnvoll, solche Listen einzuführen, dass die europäischen Parteien auch bei der Europawahl mit antreten können – es also zu einem Zweistimmen-Wahlrecht kommt. Das finden wir von der FDP sehr gut, aber da stimmt jetzt die CDU dagegen, die SPD dafür, das heißt, auch in der Europapolitik scheint mir nicht wirklich klar zu sein, wo diese Regierung hintreibt, außer in die finanzpolitische Verantwortungslosigkeit.

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