14.11.2017FDPBildung

LINDNER-Gastbeitrag: Das Kooperationsverbot war ein Irrtum

Der FDP-Parteivorsitzende und Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, Christian Lindner, schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Wir müssen das Aufstiegsversprechen unseres Landes wieder mit neuem Leben füllen – die beiden Ministerpräsidenten Armin Laschet und Winfried Kretschmann haben recht. In ihrem Beitrag vom 11. November für die F.A.Z. ziehen sie jedoch die falschen Schlüsse. Zwar fordern sie mehr Geld des Bundes für die Bildung, aber sie verbitten sich zugleich dessen Mitsprache. Falle das sogenannte Kooperationsverbot, das das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bildungswesen verhindert, dann drohe die „Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder“.

Wird so nicht der Bildungsföderalismus zum Selbstzweck gemacht? Ich habe keine Sehnsucht nach einem Einheitsstaat. Im Gegenteil macht unsere Bundesstaatlichkeit Vielfalt und den Wettbewerb der Ideen möglich, sie gibt den Menschen politisch eine Heimat. Aber die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich, wie wir sie praktizieren, ist nicht mehr Teil der Lösung, sondern längst zum Problem geworden.

Bildung macht den Einzelnen stark, sie entscheidet über individuelle Aufstiegschancen und die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Deutschland steht hier vor enormen Aufgaben: Gebäude müssen modernisiert werden, Ganztagsangebote müssen ausgebaut werden, digitale Lernmethoden gehören in die Klassenzimmer, wir brauchen eine Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung, die Weiterqualifizierung der Lehrenden muss verbessert werden. Diese Aufgaben werden Länder und Kommunen allein überfordern.

Das Kooperationsverbot, 2006 in das Grundgesetz aufgenommen, war ein folgenschwerer Irrtum. Meine Partei hat sich in den vergangenen vier Jahren von ihm nach harten Debatten gelöst. Wir sagen: Es ist Zeit, die föderale Bildungsverfassung zu reformieren. Sich von der Lebenslüge zu trennen, dass die Konkurrenz zwischen 16 Ländern die Qualität der Bildung per se verbessere, wäre ein Durchbruch einer möglichen schwarz-gelb-grünen Koalition. Dafür müssten sich insbesondere die Unionsparteien bewegen. In der „Jamaika“-Koalition von Schleswig-Holstein ist dies bereits gelungen. Chapeau!

Wir wollen das Ziel weltbester Bildung zu einer Aufgabe der gesamten Gesellschaft machen. Bremen steht in der Schulpolitik nicht in Konkurrenz zu Baden-Württemberg oder Thüringen, sondern Deutschland steht im Wettbewerb mit Nordamerika und Asien. Im Weltmaßstab sind wir bisher nur Mittelmaß. Aufgrund der Schuldenbremse könnten die Länder bald gezwungen sein, ausgerechnet bei den Bildungsausgaben zu sparen. „Es kann nicht sein, dass der Bund Schulen in Burundi und Botswana sanieren darf, aber nicht in Köln und Koblenz“ – in unzähligen Varianten habe ich diesen Satz im Wahlkampf unter Beifall gesagt. Die Erwartung von Schülern, Eltern und Lehrern ist klar.

Unzureichend wäre es, der Bund würde den Ländern allein mit mehr Geld unter die Arme greifen, so wie Armin Laschet und Winfried Kretschmann das fordern. Bei allen regionalen Unterschieden braucht es mehr gemeinsame Standards und vor allem die Überprüfung durch den Bund, um den Wettbewerb auf Qualität auszurichten und die Mobilität der Menschen zu erleichtern.

Die Angst, mit einer Reform des Bildungsföderalismus würden starre Lösungen in den Schulalltag einziehen, ist unberechtigt. Im Gegenteil. Die Pisa-Studien haben gezeigt, dass Schülermeist dort bessere Ergebnisse erzielen, wo der Gestaltungsspielraum von Schulen größer ist. Bund und Länder sollten den Schulen messbare Ziele vorgeben, ihnen aber Art und Weise der Erreichung dieser Ziele offenlassen. Ob die einzelne Schule sie erreicht, wird geprüft und transparent gemacht.

Die beiden Ministerpräsidenten argumentieren, schon heute sei eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern möglich. Es fehle allein am Willen des Bundes, Geld zu geben. Als Beispiele nennen sie bereits existierende bundesweite Bildungsstandards oder die gemeinsame Digitalisierungsstrategie. Gleichzeitig aber zeigt gerade das letztgenannte Programm, auf welch tönernen Füßen eine Bundesunterstützung steht. Dass der Bund sein Programm zur Digitalisierung auf Artikel 91c des Grundgesetzes stützt, ist ein verfassungsrechtlicher Treppenwitz. Dieser Artikel war zur IT-Zusammenarbeit bei der Verwaltungsinfrastruktur gedacht, aber nicht zur Digitalisierung von Klassenzimmern.

Auch darf der Bund bis heute keine Zuschüsse für Personal an den Schulen zahlen - und dies, obwohl gerade an Brennpunktschulen mehr Kräfte notwendig sind. Gefördert werden darf allenfalls nach dem Motto: Beton statt Köpfe. Das ist paradox. Auch die von Laschet und Kretschmann angeführten Standards der Kultusministerkonferenz garantieren keine verbindliche Qualitätssicherung. Wenn die Länder Finanzmittel des Bundes erhalten wollen, muss der Bund auch Anforderungen aussprechen und nachhalten können: Geld gegen Qualität!

Entscheidend ist für mich nicht, wie die Länder die Qualität der Bildung verbessern, sondern dass sie dies tun. Die Sondierungsgespräche bieten die Chance auf den Einstieg in eine deutsche Bildungsrevolution. Wir sollten sie nicht verpassen.

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