16.02.2020FDPFDP

LINDNER-Interview: Etwas Neues muss beginnen

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der "BZ am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel.

Frage: Herr Lindner, warum sind Sie nach Herrn Kemmerichs Wahl nicht sofort auf Distanz gegangen?

Lindner: Das stimmt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe bei jeder Gelegenheit, vorher wie nachher, unterstrichen: Für die FDP kann es keine Kooperation mit der AfD geben. Damit habe ich bereits am Tag der Wahl von Erfurt mein Amt als Parteivorsitzender verknüpft. Binnen 24 Stunden ist Herr Kemmerich dann zurückgetreten. Andernfalls wäre ich zurückgetreten.

Frage: In manchen Ohren klangen Sie aber zeitweilig fast ein bisschen nach AfD – siehe Ihre Forderung in BILD (7.9.2017): „Alle Flüchtlinge müssen zurück!“

Lindner: Interessierte Kreise versuchen jetzt, unsere Fehler in Thüringen mit anderen Themen zu vermischen, um uns in Verruf zu bringen. Wer Migration kontrollieren will, steht aber nicht in der Nähe der AfD, sondern auf der Seite des Rechtsstaats. Wir müssen wissen, wer zu uns kommt. Und wer sich hier illegal aufhält, weil er keinen Schutz braucht und nicht qualifiziert ist, kann nicht bleiben. Das ist eine Politik, wie sie Frankreich, die Niederlande und das rot-grün regierte Schweden betreiben. Das ist die Position der FDP. Und ich lasse mich auch nicht mundtot machen, wenn ich Frau Merkels Flüchtlingspolitik in 2015 kritisiere. Wer da Zusammenhänge zur AfD konstruiert, verharmlost nur die AfD.

Frage: Warum hat Kemmerich überhaupt kandidiert?

Lindner: Es standen ja zunächst nur Kandidaten der Linkspartei und der AfD zur Verfügung, also nur Positionen der Ränder. Ich setze AfD und Linkspartei nicht gleich. Aber die Linke ist für Enteignung, Herr Ramelow hält die DDR nicht für einen Unrechtsstaat. Deshalb hatte Herr Kemmerich eine symbolische Kandidatur für die politische Mitte unternommen. Es ging ihm darum, sich weder vor AfD noch Linkspartei wegzuducken.

Frage: Man kann den Bürgern doch keinen Ministerpräsident vorsetzen, dessen Partei mit 5 % ins Parlament gerutscht ist (Linke: 31 %). Finden Sie das demokratisch?

Lindner: Auch Herr Ramelow hat keine Mehrheit. Uns ging es darum, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen. Es gab übrigens schon einmal einen FDP-Ministerpräsidenten, Reinhold Maier in Baden-Württemberg (1945-1953, die Red.). Da war die FDP auch nicht stärkste Partei.

Frage: Wie wollen Sie nach dem „Fiasko", wie Sie es nannten, Vertrauen zurückgewinnen?

Lindner: Das Wichtigste haben wir bereits getan: Rückzug von Herrn Kemmerich, Verzicht auf alle Bezüge, Angebot und Initiative für Neuwahlen in Thüringen und ein klarer Abgrenzungsbeschluss. Wir kooperieren nicht mit der AfD und wir koalieren nicht mit der Linkspartei. Diese Konsequenz vermisse ich bei der CDU, die in Thüringen noch keine klare Position gefunden hat. Ansonsten werben wir um Vertrauen und bitten um Entschuldigung. Allerdings lassen wir nicht davon ab, unsere Stimme für Freiheit, Marktwirtschaft und Rechtsstaat zu erheben.

Frage: Wird man künftig bei Wahlen von Regierungschefs immer darauf achten müssen, dass es rechnerisch auch ohne AfD reicht?

Lindner: Das ist offensichtlich die Konsequenz. Dieses Problem wird sich dann stellen, wenn es keine klare Regierungsmehrheit gibt, wie jetzt in Thüringen. Man muss immer damit rechnen, dass die AfD zu tricksen versucht, um daraus Profit zu schlagen. Herr Gauland hat ja sogar ins Gespräch gebracht, dass die AfD Herrn Ramelow wählen könnte, um Chaos zu stiften. Die AfD hat gezeigt, dass sie diesen Staat zerstören will. An der Lösung von Problemen ist sie nicht interessiert.

Frage: Braucht Thüringen Neuwahlen?

Lindner: Wir haben die erste Initiative dazu gemacht. Dagegen sperren sich nun Linkspartei und die Thüringer CDU.

Frage: Laut Umfragen würden Sie aus dem Landtag fliegen.

Lindner: Das Risiko von Neuwahlen nehmen wir in Kauf, zur Bereinigung der Situation. Es wäre jetzt wirklich gut, die Wählerinnen und Wähler erhielten erneut das Wort.

Frage: Nach AKKs Rückzug steht die größte Regierungspartei ohne Führung da. Was muss jetzt passieren?

Lindner: Frau Kramp-Karrenbauer hat in diesem Zusammenhang zwei Dinge gesagt. Zum einen, dass der Vorsitz der Regierungspartei CDU mit Kanzlerschaft bzw. Kandidatur in eine Hand gehören. Zweitens bescheinigte sie Teilen ihrer Partei ein ungeklärtes Verhältnis zu AfD und Linkspartei. Die CDU muss hier dieselbe Klarheit schaffen, wie es die FDP getan hat. Alles andere würde der AfD in die Hände spielen.

Frage: Ein Kanzlerkandidat Friedrich Merz könnte der FDP bei ihren Kernthemen Wirtschaft und Entlastung gefährlich werden.

Lindner: Friedrich Merz hat zuletzt einen höheren Spitzensteuersatz ins Gespräch gebracht. Außerdem ist er gesellschaftspolitisch ein Konservativer. Wir können mit allen potenziellen CDU-Kandidaten gut leben. Ich halte jeden von ihnen für respektabel.

Frage: Sollte Angela Merkel schnellstens abtreten?

Lindner: Die Entwicklung der letzten zwei Jahre bestätigt: Frau Merkel schlägt keine neuen politischen Kapitel mehr auf. Stattdessen gibt es immer mehr vom Gleichen, das Land ist gelähmt in einer Endlosschleife der Wiederholung. Man hat das jetzt wieder gesehen: Die SPD will die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags vorziehen – und die erste Partei, die bremst, ist Frau Merkels CDU! Sie lehnt es ab, die Bürger allein in diesem Jahr um fünf Milliarden Euro zu entlasten, vor allem mittlere und kleine Einkommen. Echte Reformen, die Probleme lösen, gibt es mit Frau Merkel nicht mehr. Deutschland braucht Lust auf Gestaltung. Es muss etwas Neues beginnen. Und ich denke nicht, dass das noch zwei Jahre dauern wird.

                           

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