27.06.2017FDPFDP

LINDNER-Interview: Gehen geschlossen in die Ministerpräsidenten-Wahl in NRW

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „ARD-Morgenmagazin“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Anna Planken:

Frage: Heute Nachmittag, Armin Laschet wird nicht im ersten Wahlgang gewählt - wer hätte es dann versaut?

Lindner: Eine Spekulation. Die hundert Abgeordneten werden stehen. Wir haben sieben Jahre Opposition gegen Rot-Grün gemacht, und jetzt wollen wir mit der Arbeit anfangen. Also bitte keine Sorge, bitte keine Theoriediskussion. Jetzt geht es hier ums Land und darum, dass wir eine gute Politik machen. Wir haben am Arbeitsmarkt viel zu tun, das Bildungssystem muss besser werden, die Menschen haben die Erwartung, dass der Rechtsstaat handlungsfähig wird. Darum konzentrieren wir uns, und ab heute Nachmittag auch mit einem gewählten Ministerpräsidenten.

Frage: Warum glauben Sie denn, dass es keine Machtspielchen gibt, sondern eine so eiserne Disziplin?

Lindner: Weil es uns um die Sache geht. Und wir sind geschlossen.

Frage: Was setzen Sie denn zuerst durch im Landtag, was bringen Sie als erstes ein?

Lindner: Wir wollen jetzt noch vor der Sommerpause die Entscheidung treffen, dass keine weiteren Förderschulen geschlossen werden. Die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in die Regelschulen, das war in Nordrhein-Westfalen ohne Qualität und mit zu hohem Tempo von den Grünen vorangetrieben worden. Das muss korrigiert werden. Wir wollen ein Entfesselungsgesetz verabschieden, baldmöglichst, nach der Sommerpause mutmaßlich, mit dem wir dem Mittelstand, dem Handwerk und der Industrie die Fesseln für die wirtschaftliche Entwicklung abnehmen. Jetzt geht es darum, schnell Maßnahmen einzuleiten, damit in Nordrhein-Westfalen ein politischer Richtungswechsel möglich wird.

Frage: Es geht auch darum sichtbar zu bleiben. Auf ihrer Seite, als kleiner Partner in dieser Koalition. Achim Laschet hat gesagt, dass ist ihm auch wichtig, dass sie sichtbar bleiben. Und dann hat er in den Koalitionsvertrag reinschreiben lassen: Es gibt eben keine Schleierfahndung. Das Ganze heißt jetzt "strategische Fahndung". Aber es liegt beim Innenministerium, das CDU-geführt ist. Insofern, haben Sie keine Sorge, dass das einfach nur anders genannt wird und dann doch reine CDU-Politik dabei rauskommt?

Lindner: Nein, die Sorge habe ich nicht. Zwischenzeitlich hat es ja ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegeben. Die alte Schleierfahndung, die in anderen Bundesländern praktiziert wird und über die auch in Nordrhein-Westfalen diskutiert worden ist, die ist rechtlich so gar nicht mehr möglich. Wir wussten als Freie Demokraten, dass es da rechtsstaatliche Bedenken gibt. Und deshalb haben wir jetzt ein neues Instrument verabredet. Wir wollen Sicherheit als FDP, aber keine Symbolpolitik, die Bürger zu Untertanen macht. Es wird mehr Sicherheit geben, auch durch verdachtsunabhängige Kontrollen. Allerdings nur dann, wenn ein konkreter Anlass vorliegt.

Frage: Und Sie haben keine Sorge, dass das nicht vielleicht doch genau das ist, was die CDU durchsetzen will?

Lindner: Wie ich gerade sagte, dass, was die CDU wollte und was in anderen Bundesländern praktiziert worden ist, ist mit europäischem Recht nicht vereinbar. Also ist es eine alte Debatte. Uns waren diese rechtsstaatlichen Bedenken klar. Deshalb haben wir auch die alte Schleierfahndung abgelehnt. Aber wir haben jetzt etwas Besseres, Neues. Wir sind ja nicht gegen einen handlungsfähigen Rechtsstaat. Im Gegenteil: Was, wenn nicht der Schutz von Leib und Leben, öffentlicher Ordnung und Eigentum wäre Aufgabe des Staates? Dafür haben wir ihn ja. Aber er ist der Freiheit verpflichtet. Und deshalb müssen seine Maßnahmen wirksam und verhältnismäßig sein. Und da haben wir in Nordrhein-Westfalen so gute Kompromisse geschlossen, dass nicht nur die CDU zufrieden ist, sondern auch unser Bürgerrechtsflügel, Gerhart Rudolf Baum und andere, finden die Maßnahmen, die wir verabredet haben, richtig und gut. Die Bürger können sich darauf verlassen. Sie werden in NRW geschützt, aber als freie Bürgerinnen und Bürger.

Frage: Jetzt steht ja bald die Bundestagwahl an. Da werden sie noch keine Ergebnisse präsentieren können um da Rückenwind zu generieren. Was nehmen Sie denn aus Ihren Verhandlungen mit nach Berlin?

Lindner: Wir haben hier sehr gut und sehr professionell, geräuschlos miteinander gesprochen. Keine Partei musste ihre rote Linie verletzen, das ist wichtig. Und beide Parteien konnten ihre Profilpunkte setzen. Bei uns ging es um innovative Arbeitsplätze, Digitalisierung, Glasfaserausbau, wir übernehmen Verantwortung für die Bildung von der Kita bis zur Schule. Das war uns wichtig, diese Zukunftsthemen zu besetzen, da Profilpunkte zu zeigen. Die CDU hatte ihre rote Linie. Die haben wir beachtet, etwa beim Sonntagsschutz, da haben wir uns nicht so weit nach vorne bewegen können. Ein Stück weit Liberalisierung hat es beim Ladenschluss gegeben. Aber man muss sehen, dass die CDU nicht so weit gehen kann wie die FDP. Sonst wären wir ja auch überflüssig, wenn die CDU immer genau unser Programm übernehmen könnte. Und daraus kann man lernen. Auch in Schleswig-Holstein, dieses Jamaika-Bündnis hat gezeigt, man kann professionell miteinander sprechen, auch wenn es große inhaltliche Unterschiede gibt, wenn alle Partner danach sagen können, ja, es ist eine Balance zwischen den eigenen Punkten und denen der politischen Kollegen anderer Parteien gefunden worden.

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