27.06.2015FDPWirtschaft

LINDNER-Interview: Grexit wäre kleinerer Schaden als Reform-Rabatt

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung“ (Samstag) das folgende Interview. Die Fragen stellte MARKUS PEHERSTORFER:

Frage: Herr Lindner, die Deutschen sind mehrheitlich mit der großen Koalition zufrieden, sind für die Mietpreisbremse, für die Rente 63 und für den Mindestlohn - warum sollten sie FDP wählen?

LINDNER: Deutschland steht gegenwärtig sehr gut da. Deswegen ist die Versuchung groß, nichts zu verändern und nur zu verteilen. Die Stärke unseres Landes lässt sich aber nicht durch Stillstand verteidigen. Die Wirtschaft hat längst angefangen, mehr im Ausland als bei uns zu investieren. Wir sind dabei, durch zu viele Eingriffe in Freiheit und privates Eigentum wieder zurückzufallen. Eine zunehmende Zahl von Menschen erkennt das auch.

Frage: Die deutschen Klimaschutzziele würden Sie am liebsten zurücknehmen. Sind die Freien Demokraten die Lobby der Kohlekraftwerks-Betreiber?

LINDNER: Wir sind die Lobby der Stromkunden. Deutschland hat sich 2011 für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden. Wir haben das längst noch nicht verdaut – Stichwort Stromtrassen. Und jetzt kommt das nächste Hauruck-Projekt: der Verzicht auf die Kohle, obwohl das der einzige Energieträger ist, über den wir selbst bestimmen können, der wettbewerbsfähig und günstig ist. Ich halte das für falsch. Das zahlen wiederum die Bürger. Und zwei Alleingänge in Europa schaffen wir nicht. Statt eines überehrgeizigen nationalen Alleingangs sollten die Klimaschutzziele wieder stärker an das europäische Tempo angepasst werden.

Frage: Der Zustrom von Asylbewerbern beginnt, gerade in Bayern, viele Kommunen zu überfordern. Wie würden Sie reagieren?

LINDNER: Der Bund muss die Kosten komplett übernehmen und nicht nur teilweise. Die staatliche Ebene, die über Asyl und Aufenthaltsrecht entscheidet, muss auch zahlen. Das würde auch die Asylverfahren beschleunigen, weil es dann im unmittelbaren Eigeninteresse des Bundes wäre, dass die schnell abgeschlossen werden.

Frage: Seit Tagen wird um eine Einigung in der griechischen Schuldenkrise gerungen. Wie soll es weitergehen?

LINDNER: Die bisherige Strategie war, dass es Hilfen nur gibt, wenn Reformen umgesetzt werden. Wenn Alexis Tsipras keine 180-Grad-Wende in seiner Politik vornimmt, dann verabschiedet sich Griechenland selbst aus dem Euro. Denn jeder Reform-Rabatt für die Linkspopulisten in Athen wäre eine Einladung auch für andere Länder in Europa, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Dann werden wir auf Dauer in Europa ein Schuldenklub sein. Die Linie darf nicht aufgeweicht, sondern muss konsequent fortgesetzt werden.

Frage: Das heißt im schlimmsten Fall: lieber ein Grexit als noch mehr Geld ohne Zugeständnisse?

LINDNER: Ein geordneter Grexit wäre der kleinere Schaden als ein Verbleib Griechenlands im Euro zu falschen Bedingungen. Das ist heute der Unterschied zum Jahr 2010. Das gerade erst geschärfte Recht darf nicht verraten werden. Sonst wird man sich etwa in London fragen, was man mit dieser EU überhaupt noch will, die in der zentralen Euro-Frage immer wieder inkonsequent und umverteilerisch ist. Das Recht muss für alle gelten. Ein Ausscheiden Großbritanniens wäre wesentlich gefährlicher als der Grexit. Wenn Großbritannien geht, dann bleiben wir mit den Zentralisten und Staatsinterventionisten allein.

Frage: Sie wollen 2017 wieder in den Bundestag…

LINDNER: Wir müssen.

Frage: Welche Rolle spielt auf diesem Weg die Landtagswahl in Baden-Württemberg nächstes Jahr?

LINDNER: Alle drei Wahlen im März haben eine große Bedeutung für uns. Wir haben da die Chance, auch wieder Verantwortung in den Ländern zu übernehmen. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist ein Signal möglich, das auch im Bundeskanzleramt gehört werden kann: dass man es mit der Sozialdemokratisierung der deutschen Politik nicht übertreiben sollte.

Frage: Sie betonen immer, die FDP stellt sich eigenständig auf. Heißt das, Sie könnten sich auch eine Koalition mit SPD und Grünen vorstellen?

LINDNER: Es kommt nur auf die politischen Inhalte an. Bei SPD und Grünen sehe ich, dass sie sich eher von der Reform-Politik eines Gerhard Schröder wegentwickeln. Insofern ist, wenn man konkret schaut, der Vorrat an Gemeinsamkeiten recht gering. Zuletzt ist die SPD auch noch bei der Vorratsdatenspeicherung eingeknickt. Alle Bürger sollen unter Generalverdacht gestellt werden. Das sehe ich nicht als allzu attraktiv an.

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