06.01.2017FDPFDP

LINDNER-Rede: Bereit für 2017

Bearbeitete Mitschrift der Rede des FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner bei der Dreikönigskundgebung 2017:

Sehr geehrte Damen und Herren, Ihnen allen ein gesundes, gutes Neues Jahr.

Das Vergangene war für uns Freie Demokraten von schönen Erfolgen bestimmt, aber auch von der Trauer um Jürgen Beerfeltz, Guido Westerwelle, Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel und Hildegard Hamm-Brücher. Ich hätte gerne gesehen, wenn sie uns in diesem Jahr begleitet hätten. In ihrem Sinne setzen wir unseren Weg fort.

Dreikönig ist jedes Mal etwas Besonderes. In diesem Jahr ist als Redner auch unser Freund Wolfgang Kubicki dabei. Zum ersten Mal. Er hat dieser Tage in einem Interview gesagt, er sei lange ein Paria in der FDP gewesen. Lieber Wolfgang, ich darf Dir versichern, mit Deinem heutigen Auftritt hast Du Deine Integration in die FDP erfolgreich abgeschlossen!

I. Welt aus den Fugen

Vor sieben Jahren habe ich hier zum ersten Mal gesprochen. Ich habe mir meine Rede noch einmal angesehen. Man könnte sie so nicht erneut halten. Nicht, dass ich Dinge grundsätzlich anders sehen würde. Aber die Lage ist völlig anders.

Oliver Luksic hat es gerade gesagt: das Jahr 2016 hat noch besondere Entwicklungen auf der Weltbühne gebracht. Unsicherheiten gab es immer, aber das vergangene Jahr war doch besonders: Brexit, Putin, Erdogan, Trump, Aleppo – das sind Erschütterungen der Ordnung, in der wir leben.

Nichts ist mehr selbstverständlich. Die liberalen Werte selbst sind keine Gewissheit mehr. Vernunft, Aufklärung, die Herrschaft des Rechts, Bewegungsfreiheit von Menschen, Ideen und Waren. Was wir für selbstverständlich gehalten haben, es ist nicht selbstverständlich. Über Jahre wurden doch alle politischen Fehlentwicklungen damit begründet, das seien doch Auswirkungen des Neoliberalismus. Ich erinnere mich noch daran, wie ich ein Interview mit der liberalen Wochenzeitung „Die Zeit“ geführt habe, und deren Politikchef hat mich gefragt, Herr Lindner, sehen Sie es nicht auch so, das große Problem ist doch nicht der Mangel an Freiheit, sondern das Zuviel an Freiheit in der Welt. Das ist vier, fünf Jahre her. Da wurde versucht, die Freiheit in der Gesellschaft gegen die Freiheit in der Gesellschaft auszuspielen. Wir wissen aber, die Freiheit ist unteilbar. Wer die Freiheit in der Gesellschaft will und gegen die Freiheit in der Wirtschaft ist, oder wer eine freie Wirtschaft aber keine liberale Gesellschaft will, der wird am Ende beides verlieren. Und genau in dieser Situation sind wir jetzt. Das ist kein Grund zur Resignation. Das darf kein Grund zur Resignation sein. Es ist ein Auftrag an alle Liberalen, für ihre Werte in diesem Jahr wieder zu kämpfen. Bei uns und weltweit.

Ich sage es gleich an dieser Stelle: Dafür brauchen wir auch die USA. Am Tag nach der Wahl von Donald Trump hat die Bundeskanzlerin ihm in ihrer Gratulation eine Zusammenarbeit auf der Grundlage von „Demokratie, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft und Geschlecht“ angeboten. Dagegen ist nichts zu sagen – aber diese Klarheit hätten wir uns genauso gegenüber Herrn Erdogan gewünscht.

Donald Trump ist gewählter Präsident. Mag manches auch sehr befremdlich wirken. Dennoch sind die USA unser wichtigster Verbündeter. Das transatlantische Bündnis ist unsere sicherheitspolitische Rückversicherung. Ja, Europa muss selbst wieder handlungsfähig werden und in der Außen- und Sicherheitspolitik mehr Verantwortung übernehmen. Doch gerade wenn von den USA ein neuer Isolationismus und ein Rückzug von der Weltbühne befürchtet werden, dann muss auch der transatlantische Dialog eine neue außenpolitische Priorität erhalten. Wenn der Atlantik breiter wird, dann geht das zu unseren Lasten. Wo wollen wir den im Fall einer globalen Krise anrufen? In Peking? In Moskau? Die Wahl von Donald Trump darf kein Anlass sein, dem bei uns latent vorhandenen Antiamerikanismus freien Lauf zu lassen.

II. Bereit für 2017

In Deutschland wollten nach unserer Niederlage 2013 alle liberal sein. Union, SPD, Grüne. Man hat nur darauf gewartet, dass Gregor Gysi den Liberalismus noch für die Linkspartei reklamiert.

Wir hätten begrüßt, wenn es mehr liberale Politik gegeben hätte. Wir wissen ja, dass eine Partei niemals ein Selbstzweck ist. Nicht einmal die FDP. Wenn eine historische Mission erfüllt ist, dann scheidet eine Partei, dann scheidet ein Unternehmen, dann scheidet eine Branche aus dem Leben aus, das ist eben so. Alle wollten liberal sein. Aber nichts davon wurde eingelöst.

  • Sigmar Gabriel hat sich plötzlich an die sozialliberale Tradition erinnert. Dann hat Andrea Nahles die Rentenreformen abgewickelt und er hat unter anderem die Erlaubnis zur Fusion von zwei Lebensmittelketten gegeben. Es ist aber nicht liberal, mehr wirtschaftliche Macht in weniger Händen zu konzentrieren. Wir wollen den fairen Wettbewerb beleben, damit wir Kunden die Wahl und auch kleine Anbieter eine Chance haben. Die Marktwirtschaft auch in Zeiten dominanter Unternehmen wie Google zu verteidigen – das ist liberal.
  • Die Grünen haben erklärt, die Farbe der Freiheit sei grün. Dann haben sie erst den Veggieday gefordert und dann beschlossen, dass wir eine Vermögensteuer brauchen. Es ist aber nicht liberal, die Vermögensverteilung ändern zu wollen, indem man unsere starken Familienunternehmen schwächt und das Geld in die klebrigen Hände des Staats gibt. Wir wollen Menschen erleichtern, sich selbst etwas aufzubauen. Leistungsgerechtigkeit – das ist liberal.
  • Die Union wollte ihre liberalen Wurzeln wiederbeleben. Dann hat sie sich erst in der Wirtschaftspolitik von der SPD treiben lassen und in der Flüchtlingskrise dauerhaft Grenzen geöffnet. Es ist nicht liberal, einfach alle Regeln aufzuheben und die Kontrolle abzugeben. Wir wollen ein Einwanderungsgesetz, das steuert, mit wem wir auf Zeit solidarisch sind, wen wir in den Arbeitsmarkt einladen – und bei wem weder noch. Darauf warten wir noch heute. Rechtsstaatlichkeit und moderne Einwanderungspolitik – das ist liberal.

Mag man stehen zu uns, wie man will. Mag man uns unterstützen oder ablehnen. Aber nach über drei Jahren ohne FDP im Deutschen Bundestag ist eines klar: Deutschland hat nur eine liberale Partei – und das sind die Freien Demokraten.

Die vergangenen Jahre waren für Deutschlands Zukunft verlorene Jahre. Trotz einmaliger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und einer übergroßen Gestaltungsmehrheit im Parlament – wo wurde wirklicher Fortschritt erzielt? Außer beim Bürokratismus. Auf die Erfolge von Andrea Nahles hätten wir aber verzichten können, denn Bürokratie gab es vorher schon genug.

Manchmal gab es gute Initiativen. Beispielsweise die Idee, eine Betreibergesellschaft für die Autobahnen zu gründen, an der sich auch Private beteiligen können. Mehr Investitionen, schnelleres Management, Anlagemöglichkeiten für Private in Zeiten des Niedrigzinses. Man da hätte man als Opposition länger überlegen müssen, wie man das kritisiert. Die Linken hat gesagt: Was? Autobahnen privatisieren – die wollen wir öffentlich kaputt machen! Und die Rechte hat wohl gedacht: Was? Die deutschen Autobahnen verkaufen? An Ausländer. Wisst Ihr nicht, wer die gebaut hat... Es hat nur 72 Stunden gedauert, da war die Idee tot. Ich bin dafür, dass man für gute Ideen einmal wirbt und aufklärt und kämpft – wenn Deutschland sich von jedem Widerspruch Ideen zerstören lässt, kommen wir nicht vom Fleck.

Angesichts von Globalisierung, Digitalisierung und demographischem Wandel kann es sich Deutschland nicht länger leisten, Zeit zu verlieren. Da schauen wir nicht länger zu. Die Freien Demokraten – das sind die Fortschrittsbeschleuniger der deutschen Politik!

Wir wollen uns der Ängstlichkeit entgegenstellen. Denn Angst ist kein guter Ratgeber. Die führt ein Mal zum Bewachen des Status quo und ein anderes Mal zu Aktionismus. Weder die vor Überfremdung, noch die vor Digitalisierung, Chlorhühnchen, sozialem Abstieg oder Terrorismus.

Die AfD hat das Schüren von Angst geradezu zu einem Geschäftsmodell gemacht – das ist die Dunkelkammer der Politik. Davon darf sich die Politik nicht länger treiben lassen.

Zum Beispiel von der Angst vor dem Islam. Was war die Antwort der CSU darauf? Eine christliche Leitkultur für Deutschland im neuen Grundsatzprogramm. Und die Antwort der Bundeskanzlerin: Singt mehr christliche Weihnachtslieder! Empfehlungen zum Liedgut am Heiligen Abend – das ist an Hilflosigkeit nicht zu überbieten.

So wird plötzlich Religion wieder zu einer politischen Kategorie. Das ist doch auch genau das, was die Islamisten wollen. Das Grundgesetz ist aber nicht getauft. Für Liberale gilt der große Satz von Friedrich dem Großen: Jeder soll nach seiner Facon selig werden – wenn er sich an die Rechtsordnung hält.

Wir lassen uns nicht von autoritären Parteien treiben. Nirgendwo. Wir machen nicht mit Angst Politik. Vor was sollten wir auch noch Angst haben? Wir wollen ein mutiges Deutschland, das sich großen Aufgaben stellt.

Dazu appellieren an das Beste in jedem Einzelnen, egal woher er kommt oder was er macht: Vernunft, Verantwortungsgefühl, Großzügigkeit und Weltoffenheit.

Auch in der bittersten Stunde haben uns nicht verführen lassen, nach links zur Gefälligkeit oder nach rechts zur Garstigkeit abzubiegen. Genau damit haben die Freie Demokraten Charakter bewiesen. Und deshalb sind wir bereit für 2017.

III. Mitte als Staatsräson

Aus der Wahl in den USA muss man in Deutschland in diesem Jahr die richtigen Schlüsse ziehen: Im vergangenen Januar hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos der amerikanische Vizepräsident Joe Biden eine Rede gehalten. Man würde sich wünschen, Hillary Clinton hätte diese Rede gehört. Er hat selbstkritisch ausgeführt, dass in den USA die Mitte der Gesellschaft aus dem Blick geraten sei. Er sprach von den forgotten men. Die sich dann im November teils aus Überzeugung, teils aus Protest gegen das Establishment gewendet haben.

Wie ist das bei uns? Die Menschen mühen sich vielleicht um die Finanzierung ihres Eigenheims, die beschäftigen sich mit Unterrichtsausfall, Altersvorsorge, Stau im Berufsverkehr und haben Sogen vor Einbrechern.

Und dann lesen sie, dass man sich in Berlin mit einer Pkw-Maut beschäftigt, die ganz Europa gegen Deutschland aufbringt, die mehr an Verwaltungskosten produziert, als sie Einnahmen erwirtschaftet. Da fragen die Menschen sich, was die Gesichtswahrung einer bayerischen Regionalpartei mit ihrem Leben zu tun hat.

Dann lesen die, dass der grüne Justizsenator in Berlin als erste Amtshandlung nach der Weihnachtspause Unisex-Toiletten in Berliner Behörden einführen will. Damit sich beim Gang auf die Toilette auch ja niemand mehr diskriminiert fühlt und schwierige Entscheidungen treffen muss. Da fragen die Menschen sich: Haben die in der Justiz gegenwärtig nichts Wichtigeres zu tun?

Und dann verfolgen die die Berichterstattung über eine launige Rede, die ein in Baden-Württemberg gut bekannter EU-Kommissar gehalten hat. Und in dieser Rede hat er über unsere chinesischen Handelspartner Bemerkungen gemacht, die sicherlich hinsichtlich Ihrer Weisheit noch Anlass zur Vervollkommnung gegeben. Um es ganz zart auszurücken. Aber er selbst und jeder Zuhörer hat merken können, das, was er da gesagt hat, das war Banane. Und trotzdem heben in Berlin die Empörungsgeschwader ab und kreisen tagelang über unserer Hauptstadt. Da fragen die Menschen sich: Habt Ihr denn nichts Wichtigeres zu tun? Wie wäre es statt der political correctness mal mit political coolness!

Die Menschen hören immer nur von den Rändern: Flüchtlingen und Super-Reichen. Die sind solidarisch mit Menschen, die wirklich in Not sind. Und die haben auch keinen Neid auf ehrlichen Erfolg. Aber die fragen sich: Wann geht es mal um meine Sorgen?

Und zu Recht: Es gibt nicht nur Flüchtlinge und Super-Reiche in unserem Land. Dazwischen sind dutzende Millionen Menschen in der Mitte der Gesellschaft. Nicht bedürftig, aber auch nicht Teil des globalen Jetsets. Das sind die Millionen Menschen, die unser Land auf ihren Schultern tragen. Die den Lauf der Dinge nicht bestimmen, aber die Welt am Laufen halten. Die wollen einen Staat, der sie in Alltagsfragen in Ruhe lässt, aber bei den großen Aufgaben nicht im Stich. Und diesen Staat – den wollen wir ihnen zurückgeben.

Ist diese Mitte breit, dann profitieren davon auch die Schwächeren, denn sie haben eine Aufstiegsperspektive. Ist diese Mitte zuversichtlich, dann profitiert die Wirtschaft von Investitionen und Kaufkraft. Unser Land ist stark, wenn die Mitte stark ist. Auf diese Menschen müssen wir bauen, wenn Deutschland Zukunft haben will. Wenn wir vorankommen wollen. Sich um diese Mitte zu kümmern, das muss daher wieder Staatsräson werden!

Du

Die SPD hat 2013 plakatiert „Das Wir entscheidet“. Die Kanzlerin hat gesagt: „Wir schaffen das“. Immer wird nur noch im Plural gedacht. Der einzelne Mensch verschwindet dahinter.

Wir sagen nicht: Das Wir entscheidet. Wir sagen den Menschen in der Mitte der Gesellschaft: Jetzt geht es mal um Dich. Um dein Recht, im hier und jetzt glücklich zu werden.

Um das, was Dir wichtig ist. Was Du brauchst, um Deinen Weg zu gehen. Die anderen wollen über Dich entscheiden. Wir dagegen wollen, dass Du über dein Leben entscheidest. Denn es verändert sich erst dann etwas in unserem Land, wenn Du etwas veränderst.

Im Zentrum unserer Bemühungen, da stehst: Du.

IV. Recht stärken

Die Menschen haben den Eindruck, dass beim Rechtsstaat die Prioritäten nicht mehr stimmen.

  • Wehe, die Parkuhr ist abgelaufen, wehe, die Steuererklärung wird zu spät abgegeben; wehe, man sortiert den Müll falsch; wehe man baut auf Sylt eine Sandburg, das ist verboten – Stolpergefahr. Das ist kein Witz: Das ist Deutschland.
  • Aber andererseits haben wir organisierte Einbrecherbanden und No-go-Areas. Und als wäre das nicht genug, erfahren wir jetzt, dass ein ausreisepflichtiger Mann sich bei uns frei bewegen kann, mit 14 verschiedenen Identitäten Sozialleistungen ergaunert und unter den Augen der Behörden über Schwerverbrechen nachdenkt. Und sie dann schrecklicherweise sogar begeht.
  • Nicht nur die 14 Identitäten, sondern auch der erwiesene IS-Kontakt, konkrete Warnungen ausländischer Geheimdienste oder die den Behörden bekannte Beteiligung im Terrornetzwerk Abu Walaa rechtfertigen laut Innenminister Jäger keinen Anfangsverdacht. Was muss man eigentlich noch tun, um in Deutschland gestoppt zu werden? Wenn Jäger als Minister des größten deutschen Bundeslandes da keinen Anfangsverdacht sieht, dann haben wir einen Anfangsverdacht gegen Minister Jäger: Das grenzt doch an Strafvereitelung im Amt!

Man las dieser Tage, die Terrorgefahr und die Sicherheitsdebatte bremse den Aufstieg der Freien Demokraten. Wieso eigentlich? Hans-Dietrich Genscher hat als Innenminister das BKA modernisiert und die GSG9 gegründet. Für einen wehrhaften Rechtsstaat. Uns hat man doch immer vorgeworfen, die Liberalen wollten nur einen „Nachtwächterstaat“. Ich finde: In diesen Zeiten wäre ein Staat, der uns nachts ruhig schlafen lässt, schon ein Wert an sich.

Nach allem, was wir wissen, hätte der Attentäter Amri längst abgeschoben werden können und müssen. Er hätte in Abschiebehaft genommen werden können. Mehrfach war er Thema im „Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum“ von Bund und Ländern. Das bestätigt die schlimmsten Befürchtungen – und darf deshalb nicht folgenlos bleiben.

Ich habe kein Vertrauen, wenn die Innenminister de Maizière und Jäger ankündigen, sie wollten diese Vorgänge jetzt selbst aufarbeiten. Wo ist eigentlich die schlafmützige Opposition im Deutschen Bundestag? Wenn es eine Notwendigkeit für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, dann doch wohl hier.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Unserer Polizei mache ich keinen Vorwurf. Die sind die erste Verteidigungslinie unserer Rechtsordnung. Die halten die Knochen hin und wissen, was läuft. Wenn von dort immer mehr Kritik an der politischen Führung geäußert wird, ist das ein Warnzeichen. Viel zu oft fühlen die sich allein gelassen. Beispielsweise bei Gewalt gegen Polizisten im Einsatz, wenn zwei Beamte plötzlich von ganzen Gruppen umgeben sind. Stichwort: Nafri. Das ist ein Angriff auf das Gewaltmonopol unseres Staates und damit auf uns alle. Da darf es keine falsche Toleranz geben.

Dafür brauchen wir zunächst keine neuen Gesetze. Alles schon da. Der Fall Amri zeigt ja nach heutigem Wissensstand eher, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten nicht genutzt wurden, als dass dringlich neue geschaffen werden müssten. Jetzt muss man Simone Peter von den Grünen dankbar sein... Ich sage das ganz ohne Häme, denn die Bemerkung über die Kölner Polizei können die Menschen allein beurteilen. Aber meine Vermutung ist, dass Behörden vielfach die bestehenden Möglichkeiten nicht nutzen, weil sie die Debatte angeblich rassistischer Motive in der Öffentlichkeit fürchten. Die Rechtsstaatspartei FDP erwarten, dass sein Recht angewandt wird – und dabei darf die Herkunft weder Malus noch Bonus sein.

Seit Anfang der Woche haben wir eine Debatte über Sicherheitspolitik. Über neue Strukturen und neue Gesetze, ohne dass die alten präzise analysiert sind. Als ob die Sicherheitslage nicht seit Jahren angespannt wäre, zieht der Bundesinnenminister am Ende seiner zweiten Amtszeit plötzlich Vorschläge aus der Schublade. Und die stellt er nicht im Kabinett oder im Parlament vor, sondern in einem Zeitungsartikel. Am gleichen Tag spielt der Vizekanzler ein ganz anderes Papier an die Medien und widerspricht seinem Kabinettskollegen. Was ist das für eine Regierung? Eine Regierung, die in diesen sensiblen Fragen nicht geschlossen auftritt, die schafft kein Vertrauen, sondern die wird selbst zu einem Sicherheitsrisiko.

Die Vorschläge sind größtenteils altbekannt. Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung verworfen, da werden wieder neue Formen der anlasslosen Überwachung debattiert. Jetzt geht es um Video. Selbst der Bund Deutscher Kriminalbeamter warnt davor, die Wirkung einer flächendeckenden Einführung auf Kriminalität zu überschätzen. Natürlich ist Videoüberwachung an neuralgischen Punkten sinnvoll und möglich. Aber wenn unbescholtene Menschen sie sich überall und zu jeder Stunde beobachtet fühlen müssen, dann werden sie ihr Verhalten ändern. Das sind aber die Falschen: Ändern sollen ihr Verhalten die Kriminellen – und nicht freie Bürger.

Das gilt vor allem dann, wenn es zugleich etwa 500 bekannte Gefährder gibt, von denen die Behörden sagen, eine durchgehende Überwachung sei nicht möglich. Warum eigentlich nicht? Da hätte ich mir von Frau Merkel den Satz gewünscht: „Wir schaffen das!“

Denn dieser Rechtsstaat mit seinen rechtlichen, personellen und technischen Möglichkeiten darf doch von 500 Leuten nicht in die Knie gezwungen werden. Statt Symbolpolitik wünsche ich mir dort die gleiche kühle Entschlossenheit, die die Regierung Schmidt/Genscher beim RAF-Terror gezeigt hat. Denn Staat muss nicht von allen wenig wissen. Aber muss er viel über die Wenigen viel wissen, von denen eine wirkliche Bedrohung ausgeht.

Vorgeschlagen ist eine Modernisierung unserer Sicherheitsarchitektur. Es gibt eine alte politische Grundregel, wenn du über abstrakte Strukturen sprichst, willst du vom konkreten Versagen ablenken. Das ist ein ganz klares Ablenkungsmanöver, was wir hier erleben. Das heißt aber nicht, dass in unserer Sicherheitsarchitektur nicht manches überprüfungsbedürftig wäre. Dass die föderale Zusammenarbeit sich bewährt habe, wie Länderinnenminister jetzt gesagt haben, kann man seit den Enthüllungen zu den NSU-Morden nicht allen Ernstes behaupten. Olli, ich bin mir auch nicht sicher, ob die 70 Mann Verfassungsschutz im Saarland, die Cyber-Abwehr, Spionage-Abwehr und noch mehr machen müssen, und das in einem grenznahen Raum, ob die 70 Schlapphüte jedem dieser Aufträge gerecht werden können. Die Schaffung von Großbehörden mit internen Abstimmungsschwierigkeiten ist sicher keine Patentlösung, aber auch der Status quo ist nicht überzeugend. Ich bin gegen Ideologie: Für die Menschen ist nicht entscheidend, wer die Aufgabe erfüllt. Entscheidend ist, dass sie erfüllt wird.

Was tatsächlich nötig ist, wäre also eine vernünftige Debatte ohne Reflexe. Wer entscheidet wie und auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund- und Ländern? Wer trägt da Verantwortung? Kann der Verfassungsschutz in Saarbrücken mit seinen 50 Mitarbeitern Cyber- und Spionage-Abwehr und die Beobachtung der extremistischen Szenen leisten? Die von uns mitgetragene Bundesregierung hat im August 2013 die Ergebnisse einer Regierungskommission vorgelegt. Darin enthalten waren die Stärkung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für den Verfassungsschutz und die Zusammenlegung der Verfassungsschutzämter in vier schlagkräftigen länderübergreifenden Strukturen Nord, Süd, Ost und West. Das hätte er mit der FDP schon vor Jahren haben können.

Wenn der Bundesinnenminister also jetzt politisch völlig unrealistische Vorschläge zu Beginn eines Wahljahres lanciert, dann ist es auch genau das: nämlich Wahlkampf. Damit hat er der Sache einen Bärendienst erwiesen.

Wenn die Regierung noch Gesetze machen will, dann sollte sie lieber endlich ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen. Dann sollten die Grünen ihren Widerstand aufgeben, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, damit die Abschiebung schneller gelingt. Zum Beispiel nach Tunesien.

Protestparteien bekommt man nicht klein mit den Symboldebatten der Regierung, Protestparteien bekommt man nicht klein mit der Lichterketten-Rhetorik der Grünen. Protestparteien bekommt man klein mit Problemlösungen.

V. Erneuerung des Wohlstands

Die Menschen sorgen sich nicht nur um Sicherheit und die Regeln des Zusammenlebens. Es gibt auch die legitime Frage nach dem eigenen Vorankommen im Leben.

Zweite Gründerzeit

Es geht um sichere Arbeitsplätze und eine dynamische Wirtschaft. Ich war Ende des Jahres auf dem Arbeitgebertag. Ich habe deshalb die Rede der Bundeskanzlerin gehört. Übrigens, neben Frau Merkel waren noch Sigmar Gabriel und Cem Özdemir dort. Ich war also der einzige Oppositionspolitiker. Denn Gabriel muss ja mit Merkel regieren, Özdemir will unbedingt mit Merkel regieren – wir haben das dagegen schon hinter uns.

Die Bundeskanzlerin hat die wirtschaftliche Lage in den höchsten Tönen gelobt. Tatsächlich, am Arbeitsmarkt, bei den Staatseinnahmen geht es Deutschland gut. Auch das Wachstum ist stabil.

Wir leben aber in Zeiten eines künstlich niedrigen Zinses, eines künstlich niedrigen Außenwerts des Euro, günstiger Rohstoffpreise und am Vorabend des demographischen Wandels. In dieser Ausnahmesituation müsste unsere Wirtschaft viel stärker wachsen, müssten Staat und Sozialkassen hohe Überschüsse erwirtschaften. Wer mit der jetzigen Lage zufrieden ist und sie für so selbstverständlich hält wie frische Brötchen in der Bäckerei, der gibt sich einer Wohlstandshalluzination hin. Das politische Erntedankfest ist zu Ende – wir müssen wieder an die Aussaat denken!

Wir machen uns zu wenig Gedanken, woher der zukünftige Wohlstand kommen soll. Unsere traditionelle industrielle Basis garantiert ihn nicht mehr. Die ist im Wandel. Weil wir die alten Industrien nicht konservieren können, müssen wir die Voraussetzungen für neue schaffen.

Es gibt neue Dienstleistungen und neue Technologien wie Digitalisierung und Biologisierung, also die Nutzung natürlicher Innovationen für Pharmazie, Medizin, Energie und Landwirtschaft. Das sind nicht nur Quellen von Wohlstand. Diese Entwicklungen versprechen auch humaneres, selbstbestimmteres Arbeiten und ein längeres, gesünderes Leben.

Hier in Tübingen gibt es beispielsweise das Unternehmen CureVac, das ein natürliches Botenmolekül nutzt, damit unser Körper selbst maßgeschneiderte Medikamente produziert. Dieses Start-up wurde zuerst von internationalen Investoren finanziert – unter anderem der Gates-Stiftung. Das zeigt doch unsere Defizite. Und deshalb müssen sich die Rahmenbedingungen verbessern durch:

  • einen dynamischen Kapitalmarkt, der Risiken finanziert und über eine neue Aktienkultur mehr Bürger am Erfolg beteiligt;
  • einen flexiblen Arbeitsmarkt, der durch ein modernes, mobiles Arbeitsumfeld motiviert;
  • eine digitalisierte Verwaltung, die schnell und leicht ermöglicht statt bremst;
  • Forschung, die nicht in abgehefteten Patenten-Urkunden endet, sondern zu Produkten führt.

Wenn unser Wohlstand Zukunft haben soll, dann sollten in zwanzig Jahren zwanzig Prozent der größten Unternehmen jünger als zwanzig Jahre sein – so wie in den USA. Weil wir in der zweiten industriellen Revolution stehen, deshalb müssen wir auch eine zweite Gründerzeit ermöglichen!

Das ist keine Utopie, das ist die Realität in den Vereinigten Staaten. Und genau diesen Ehrgeiz, solche Rahmenbedingungen zu setzen, brauchen wir auch in Deutschland. Ich halt es für verantwortungslos, dass diejenigen, die gegenwärtig politische Führung in Deutschland leisten, so tun als, na ja, mit dem Wohlstand, mit dem wir jetzt grade agieren, mit dem Wohlstand sind wir zufrieden. Auch die Generation der unter 50-Jährigen hat ein Recht auf Wohlstand, auf Aufstiegschancen und auf Wachstum. Wir können nicht sagen, mit dem jetzigen Wohlstandsniveau sind wir mal eben so zufrieden. Wer das macht, der versündigt sich an den Interessen der jüngeren Generation. Denn bei uns wollen wir kein Freilichtmuseum haben, sondern Aufstiegschancen für alle, im Leben voranzukommen.

Digitale Infrastruktur

Ein Schlüssel wird die digitale Infrastruktur sein. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes immer noch eine Baustelle. Ich bin für einen „Masterplan Glasfaser“ mit dem wir bis zum Ende des Jahrzehnts flächendeckend vorne mitspielen. Und den finanzieren wir durch einen Tausch: Tausche Beteiligung an der Deutschen Post gegen modernste Infrastruktur. Deutschland muss nur wollen, dann stehen Milliarden dafür zur Verfügung.

Neulich war ich mit Alexander Dobrindt beim Wirtschaftsrat der CDU zu einer Diskussion – die wollten auch mal wieder einen Marktwirtschaftler treffen. Da haben wir über diese Fragen diskutiert. Alexander sagte dann: „Mensch, Christian. Lass’ die Oppositionsrhetorik. Wir sind doch viel besser als Du sagst. Wir stehen europaweit ja auf Platz 8 oder 9.“ – Und dafür erwartete er noch Beifall. Wenn die Regierung sich für Deutschland mit einem Platz 8 zufrieden gibt, dann ist das der beste Beweis für die Notwendigkeit eines Regierungswechsels.

Bildung

Vom grundlegenden Wandel und insbesondere der Digitalisierung fürchten viele, sie könnte Millionen Arbeitsplätze in Deutschland kosten. Dafür gibt es keine Anzeichen. Uns wird trotz Digitalisierung der Arbeit nicht ausgeben. Gesundheit, Pflege, Infrastruktur – es gibt in so vielen Feldern noch viel zu tun. Wir müssen so flexibel werden, dass aus Arbeit Jobs werden können.

Dennoch werden die nächsten Jahrzehnte vom Einzelnen viel verlangen. Versprechen können und müssen wir den Menschen: lebenslang eine Chance auf Weiterbildung und einen Arbeitsmarkt, der die Hürden für Wiedereinstiege senkt. Der Sozialstaat der Zukunft muss Veränderung ermöglichen – statt das Bestehende zu konservieren versuchen. Wer dagegen verspricht, dass eine Branche, ein Unternehmen oder ein Arbeitsplatz lebenslang Zukunft hat, der wiegt die Menschen in falscher Sicherheit. Die Menschen sind fähig und bereit zur Veränderung – sie haben ein Recht auf klare Sprache.

Sorgen wir dafür, dass insbesondere jungen Menschen mit dem richtigen Rüstzeug in diese Zukunft starten können. Unser Bildungswesen genügt dem noch nicht.

In anderen Ländern gehörten Programmiersprachen zum Standardlehrplan. Bei uns will die Regierung erst bis 2021 alle Schulen mit WLAN ausstatten – also noch einmal vier Jahre verlieren. Mehr noch: Der berufliche Alltag der Zukunft nahezu überall wird von digitalen Medien bestimmt sein. Laut einer aktuellen Umfrage sagen aber 70 Prozent der Lehrer, dass ihre Schüler später keine speziellen IT-Kenntnisse benötigen würden. Da ist es kein Wunder, dass auch nur 6 Prozent der Schüler sagen, ihre Lehrer hätten Ahnung davon. Die Kinder und Jugendlichen von heute werden morgen in Jobs arbeiten, die es noch gar nicht gibt. Deshalb ist es unsere Verantwortung, sie bestmöglich darauf vorzubereiten!

In Deutschland stimmen doch noch nicht einmal die Grundlagen. Mir schrieb ein Vater, dass im Mathematik-Lehrbuch seines Sohnes noch mit DM gerechnet würde. Da habe in stutzig gemacht. Dann habe er im Weltatlas die Sowjetunion gefunden. Junge Menschen sollten lernen wie die Welt ist – nicht wie sie einmal war.

Es macht die Menschen zornig, wenn sie zum gruppendynamisch wertvollen Renovierungsnachmittag in die marode Grundschule eingeladen werden. Als ob die Menschen nicht genau dafür Steuern zahlen. Die Aufgabe der Eltern ist nicht, in der Schule die Wände zu streichen. Aufgabe der Eltern ist es, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie die nicht beschmieren.

Wenn wir unser Bildungssystem wieder an die Weltspitze führen wollen, brauchen wir auch hier Mut, Strukturen in Frage zu stellen. 16 mal einzeln die Digitalisierung in die Schulen zu bringen, das verschwendet Zeit und Geld. Man kann niemandem erklären, dass Wolfgang Schäuble zwar Schulen in Botswana und Burundi sanieren darf, aber nicht in Bremen und Böblingen. Der Bildungsföderalismus ist nicht mehr Teil der Lösung, er ist zur institutionellen Bremse geworden, die wir lösen müssen.

Steuer und Abgaben

Ich wette, dass die meisten unserer journalistischen Beobachter noch auf ein Stichwort warten: Steuern. Habe ich Recht? Da kann ich doch unsere Position als bekannt voraussetzen. Mit Blick auf die Uhr hilft mir das auch. Nach dem Ende von „Wetten, dass?“ mit Thomas Gottschalk und dem Tod von Fidel Castro will ich nicht als der letzte große Überzieher in die Geschichte eingehen...

Also ja, es bleibt dabei. Wir wollen die faire Balance zwischen Staat und Bürger. Bei Steuern und Sozialabgaben muss es eine Trendumkehr geben. Der Minimal-Steuersenkung zu Jahresanfang stehen doch steigende Sozialabgaben gegenüber, weil fortwährend Sozialleistungen ausgedehnt werden. In Andrea Nahles’ Rentenmodell steigt der Beitrag auf 25 Prozent: Das ist kein Konzept, das ist eine Drohung!

So nimmt man den Menschen die Möglichkeit zur Vermögensbildung, so nimmt man ihnen die Freude an Leistung. Es ist keine soziale Politik, immer nur die Lücken im Wohlfahrtsstaat zu suchen. Es gibt auch eine Verantwortung für diejenigen, die das bezahlen müssen. Und der fühlen wir uns genauso verpflichtet.

Mehr will ich dazu heute gar nicht sagen. Am heutigen Tag ist unser steuerpolitisches Motto: Weniger darüber sprechen, mehr erreichen.

VI. Die unbequemste Position

Das Jahr 2017 kann für Europa ein Wendepunkt sein. Die Wahlen in Frankreich, den Niederladen und Deutschland entscheiden. Manche schauen mit großer Sorge auf dieses Jahr. Natürlich könnten die Gegner Europas gewinnen. Aber das ist kein Naturgesetz. Ich bin Optimist. Denn es gibt die Chance, dass mit dem marktwirtschaftlichen Reformer Fillon in Frankreich, unserem liberalen Freund Mark Rutte in den Niederlanden und einem Politikwechsel in Deutschland ein Neustart möglich wird. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Entscheidend ist, dass Europa wieder sein eigenes Recht achtet. Es war falsch, dass Deutschland in der auf Dauer die Dublin-Vereinbarung außer Kraft gesetzt hat, weil unvollkommene Regeln besser sind als keine. Wie wir es prophezeit haben, wird deshalb jetzt auch die Freizügigkeit nach den Schengen-Regeln in Frage gestellt. Was für ein Rückschritt! Weil wir Schlagbäume innerhalb Europas verhindern wollen, deshalb wollen wir die Außengrenze Europas endlich schützen.

Es war und ist falsch, dass diese Bundesregierung seit 2013 daran mitgewirkt, die Regeln des Euro-Stabilitätspakts fortwährend wieder aufzuweichen:

  • Marode Banken sollten auf Kosten von Eigentümern und Gläubigern abgewickelt werden. In Italien gibt es wieder eine staatliche Bankenrettung – das ist die Perversion von Marktwirtschaft. An den Finanzmärkten muss endlich wie überall gelten: Wer handelt, haftet. Sonst wird die moralische Integrität der Märkte untergraben.
  • Irland und anfangs auch Portugal und Spanien haben ihre Chance durch die Rettungsschirme genutzt – Griechenland offenkundig nicht. Wolfgang Schäuble und alle Finanzminister waren im Sommer 2015 für den Grexit. Die Bundeskanzlerin ist ihm in den Arm gefallen. Die griechische Regierung ist heute weit entfernt davon, Stabilität zu erreichen. Der IWF ist deshalb immer noch nicht im Boot, obwohl das die Bundeskanzlerin 2015 zugesagt hat. Stattdessen gibt Tsipras ein Rentengeschenk. Der führt Europa hinters Licht.
  • Es ist Zeit für eine neue Strategie: Die FDP wird im Deutschen Bundestag keiner neuen Verletzung der europäischen Regeln zustimmen. Wir wollen, dass Deutschland vom Weichmacher der Regeln wieder zum Anwalt der Stabilität wird.
  • Dieser Strategiewechsel wäre auch ein deutliches Signal an die unabhängige EZB. Herr Draghi wollte den Regierungen mit Null-Zins und Anleihekauf Zeit für Reformen verschaffen. Jetzt steht eine Zinswende in den USA bevor, die seine Politik zum Bumerang werden lässt. Und in Deutschland ist im Dezember die Inflation zurückgekehrt, die bei niedrigem Zins zu einer massiven Enteignung führt. Jetzt muss auch die EZB zur Marktwirtschaft zurückkehren. Herr Draghi kann Tag und Nacht Geld drucken – auf Dauer kann gegen ökonomische Gesetze keine Politik gemacht werden. Deshalb muss das enden.

Wahljahr

Wir stehen also am Beginn eines historischen Jahres. Es ist entscheidend – für uns, aber vor allem für unser Land.

Es baut sich ein Druck auf. Das spüren wir doch alle. Jeden Tag. Als Freie Demokraten stehen wir für die vernünftige Mitte. Aus Tradition und Verantwortung. Daran wollten wir nichts ändern und daran haben wir nichts geändert. Denn das entspricht dem Wesen des Liberalismus.

Weil die Debatten rauer, die Stimmung nervöser, die Argumente lauter und die Ränder stärker werden, ist das keine bequeme Position. Sie war es nie. Aber heute ist es die unbequemste Position. Denn die größte Provokation in dieser Zeit ist doch Optimismus, die größten Provokationen sind doch die Fassung zu wahren und die Werte der Verfassung zu achten.

Viele Menschen empfinden angesichts der Entwicklungen in Deutschland und der Welt eine gewisse Ohnmacht. Das ist aber nicht die Wahrheit. Man kann dem Wandel eine Richtung geben. Die Zukunft ist nicht festgelegt, sie ist offen.

Vorgestern hat mich eine junge Frau bei Twitter angeschrieben: sie hätte soeben den FDP-Mitgliedsantrag abgeschickt, denn Parteilosigkeit sei keine Lösung mehr für sie in diesen Zeiten. Herzlich willkommen - und Recht hat sie.

Wir wollen, dass die Mitte im wahrsten Sinne des Wortes Partei ergreift. Du da drüben, Du da vorne und Du hier in der dritten Reihe. Du zuhause am Fernsehen. Für die Freiheit, für das Recht und für den Mut, das Blatt zu wenden.

Wir waren die letzten über drei Jahre im Bund auf die Zuschauerränge verwiesen. Wir haben die Zeit zur Erneuerung genutzt – aber auch gelitten: Denn wir mussten die falsche Politik der Regierung und die Untätigkeit der Opposition von außerhalb mitverfolgen.

Wir haben erlebt, dass die Merkel-CDU, die SPD und die Grünen kaum mehr zu unterscheiden sind: moralisch überheblich, staatsgläubig, gleichmacherisch. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat dafür einen Begriff: „grüne Hegemonie“. Nicht von Sozialdemokratisierung, sondern von grüner Hegemonie. Und damit meinen die nicht ökologische Verantwortung, die haben wir nämlich auch. Hans-Dietrich Genscher war der erste Umweltminister, da hat Joschka Fischer noch mit Steinen auf Polizisten geworfen.

Mit grüner Hegemonie meinen die eine Politik der moralischen Überheblichkeit und des erhobenen Zeigefingers. Mit grüner Überheblichkeit meinen sie das Gefühl, planwirtschaftlich jede gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland so steuern zu können, wie man es sich selber ideologisch ausdenkt. Und die meinen damit das Streben nach absoluter Gleichheit und Nivellierung aller gesellschaftlichen und individuellen Unterschiede. Und mit dieser grünen Hegemonie lassen wir die Republik nicht mehr allein, liebe Freundinnen und Freunde. Das ist unser Auftrag in diesem Jahr.

Mit Olli Luksic im Saarland geht’s los. Dann Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein. Dann stellen wir uns der Herausforderung in Nordrhein-Westfalen. Und dann geht’s Richtung Bund zur Bundestagswahl. Wir haben uns erneuert, wir stehen für den starken Rechtsstaat. Aber wir wenden uns gegen Intoleranz, Bürokratismus und Bevormundung. Wir stehen für die soziale Marktwirtschaft, weil sie das beste Modell ist, um Menschen auch individuellen Aufstieg zu ermöglichen. Wir wollen ein mutiges Deutschland, das auch in schwierigen Zeiten die Aufgaben anfasst.

Wenn die Menschen der Auffassung sind, die Welt sei verrückt geworden, dann werden wir ihnen in diesem Jahr sagen, wenn die Welt verrückt geworden ist, dann könnt ihr ja mal wieder was Vernünftiges wählen.

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