06.02.2020FDPFDP

LINDNER-Statement zur Entwicklung in Thüringen

Zu der Entwicklung in Thüringen gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner heute folgendes Statement ab:

"Ich bin heute von Berlin nach Erfurt gekommen, um mit unserer Landtagsfraktion und Thomas Kemmerich über die politische Lage hier zu beraten. Thomas Kemmerich hat die einzig richtige, einzig mögliche Entscheidung getroffen. Binnen eines Tages hat er sich aus der Abhängigkeit von der AfD befreit. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit oder Abhängigkeit mit der AfD darf es für eine demokratische Partei in Deutschland nicht geben. Und da Mehrheiten aus der Mitte des Landtags im demokratischen Zentrum nicht möglich waren, ist es folgerichtig, binnen 24 Stunden ein solches Amt zurückzugeben.

Bereits gestern habe ich gesagt, dass baldige Neuwahlen in der jetzigen Situation für das Land der richtige Schritt wären. Neuwahlen würden die Möglichkeit eröffnen, dass die Gesellschaft sich auch wieder versöhnt und der Souverän die Lage neu beurteilen kann. Die Fraktion im Landtag will deshalb eine Initiative ergreifen, um die Selbstauflösung des Parlaments und Neuwahlen zu erreichen.

Ich bin irritiert, dass die CDU-Landtagsfraktion in Thüringen ausweislich der aktuellen Medienberichterstattung diese Frage anders beurteilt. Ich fordere deshalb die Union auf, in dieser Frage ebenfalls mit uns den Weg freizumachen, damit die Bürgerinnen und Bürger die politische Situation neu bewerten können. Wir als Freie Demokraten haben die Situation geklärt. Das erwarten wir nun auch von der Union und ihrer Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer.

Wir stehen für eine Politik der Mitte. Und das bezieht sich nicht nur auf den Standort im politischen System, sondern auch auf die politischen Inhalte, auf abgewogene Positionen jenseits der Ränder. Wir verfolgen andere wirtschaftspolitische Überzeugungen als unsere Mitbewerber. Wir haben ein anderes Bild dessen, was getan werden muss für eine weltoffene, aber zugleich kontrollierte Integrationspolitik. Wir wollen eine Klimapolitik in Deutschland, die ihre Ziele erreicht, aber nicht durch Verbot, sondern durch technologische Innovation. Und gerade eine solche Politik der Mitte in der Sache ist zwingend daran gekoppelt, dass es eine Brandmauer gegen ganz Rechts, eine Brandmauer gegenüber der AfD gibt. Das ist für die FDP eine Grundüberzeugung.

Wir haben einen Unvereinbarkeitsbeschluss schon vor Jahren gegenüber der AfD gefasst. Deshalb bin ich Thomas Kemmerich dankbar, dass er die harte und notwendige Entscheidung getroffen hat, sein Amt zurückzugeben. Thomas Kemmerich hat mir in den letzten Tagen immer wieder bestätigt, dass seine Kandidatur als Symbol für die politische Mitte jenseits von AfD und Linkspartei gedacht ist. So hat der Landesparteirat der FDP vor einigen Tagen hier ja auch entschieden. Zu keinem Zeitpunkt war für mich erkennbar beabsichtigt, tatsächlich ein Amt zu erreichen. Und aus diesem Grund ist es jetzt auch richtig, da es keine Möglichkeit in der politischen Mitte gibt, zu einer sachbezogenen Zusammenarbeit zu kommen, sich aus der Abhängigkeit der AfD zu befreien.

Ich würde als Parteivorsitzender mein Amt nicht fortsetzen können, wenn eine Gliederung, auch nur eine regionale Gliederung der Freien Demokraten, systematisch eine Zusammenarbeit mit der AfD anstrebt oder auch nur eine Abhängigkeit in Kauf nimmt von dieser Partei. Ich habe das gestern bereits unterstrichen, diese sehr persönliche Festlegung: keine Zusammenarbeit mit der AfD unter einem Parteivorsitzenden Christian Lindner.

Dennoch ist jetzt eine Situation entstanden, ist eine Lage entstanden, in der auch die Führung, die Bundesparteiführung der FDP, neu legitimiert werden muss, nach einer solchen Lage. Das ist doch völlig klar. Ein Weiter-so kann es da nicht geben nach diesen Ereignissen. Und deshalb habe ich zu einer Sondersitzung unseres Parteivorstands am morgigen Mittag in Berlin eingeladen. Und ich beabsichtige, auf dieser Sondersitzung des Parteivorstands die Vertrauensfrage zu stellen.

Nach den heutigen Entscheidungen hier in Erfurt ist es mir möglich, mein Amt als Vorsitzender fortzusetzen. Aber ich will mich der Legitimation unseres Führungsgremiums versichern. Und deshalb gibt es morgen in Berlin eine Vertrauensfrage im FDP-Parteivorstand."

Auszüge der Antworten auf die sich anschließenden Fragen der Journalistinnen und Journalisten:

[…] "Herr Kemmerich war und ist sich über die Lage im Klaren. Er hat ja auch im Wahlkampf immer unterstrichen – ich selbst auch in diesem und in anderen Wahlkämpfen seit Jahren, seit ich Parteivorsitzender bin: Mit der AfD gibt es keine Kooperation, erst recht keine Koalition und auch nicht unfallweise ein Hinnehmen, dass zentrale Entscheidungen nur zustande kommen, weil man in Abhängigkeit der AfD gerät. Und eine solche Lage ist hier entstanden und deshalb war es richtig, die aufzulösen durch so einen ganz klaren Schritt. [..] Thomas Kemmerich hat jedenfalls eine sehr klare Entscheidung getroffen und darauf kommt es hier an."

[…] "Das ist nicht an mir, das im Einzelnen zu beurteilen, was hier in Erfurt gelaufen ist im Vorfeld. Und welche Gespräche es zwischen FDP und CDU hier gegeben hat, das entzieht sich schlicht meiner Kenntnis. Richtig ist jedenfalls eines, dass meine Parteifreundinnen und Parteifreunde mir hier sehr glaubhaft versichert haben: Es gab keinen Kontakt zur AfD und keine Absicht, mit der AfD zu kooperieren, sei es im Wege eines Unfalls oder gar systematisch. Und das ist für mich entscheidend auch dafür, dass ich meine persönliche Arbeit fortsetzen kann."

[…] "Natürlich trägt die FDP hier Mitverantwortung. Wir haben einen Kandidaten aufgestellt aus dem lauteren Motiv, zu zeigen, dass es auch eine Mitte gibt und nicht nur Linkspartei und AfD. Und im Ergebnis ist eine Situation entstanden, die nicht die Mitte gestärkt hat, sondern die zu einer scharfen Polarisierung und Auseinandersetzung geführt hat. Und das war das Gegenteil dessen, was die Freien Demokraten in Thüringen zum Ziel hatten."

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