FDPDas aktuelle Interview

Mit der FDP gibt es nur eine Regierung aus der Mitte

Linda TeutebergLinda Teuteberg will lieber über die Chancen reden, die im Osten stecken
26.08.2019

Kohleausstieg, Abwanderung, Rechtsruck: In zwei Wochen werden in Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt – und die Umfragen sagen ein knappes Rennen voraus. FDP-Generalsekretärin und Brandenburgerin Linda Teuteberg spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Wahlen im Osten – und wozu es die FDP in den drei Landtagen braucht. Darin grenzt sie die Freien Demokraten deutlich von der AfD und den Linken ab und unterstreicht: "Wir sollten lieber über die Chancen reden, die heute in Ostdeutschland stecken. Und stolz sein auf die Leistungen, die viele Menschen dort in den vergangenen 30 Jahren erbracht haben." Für sie wolle die FDP die richtigen Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie und einen funktionierenden Rechtsstaat erreichen.

Die Bürger sollen erkennen: "Es macht einen Unterschied, wen sie gewählt haben. Viele Ostdeutsche haben in 40 Jahren Planwirtschaft erlebt, dass sie fleißig und kompetent sein können und trotzdem nicht den Wohlstand erreichen, den sie verdient haben." Diese Menschen würden nun die richtigen Rahmenbedingungen fordern. "Es braucht gerade für mittlere und kleinere Unternehmen dort weniger Bürokratie. Und einen funktionierenden Rechtsstaat."

Bürokratie abbauen und den Rechtsstaat stärken

Es sei ein untragbarer Zustand, dass beispielsweise in Brandenburg ein mit 60 Kilogramm Heroin erwischter Drogendealer aus der Untersuchungshaft entlassen werden müsse, weil sein Verfahren zu lange dauere. "Hier muss eine Regierung ansetzen." Auch mit Blick auf das Thema Migration betont sie: "Der freiheitliche Rechtsstaat muss handlungsfähig sein. Gerade um denen Paroli zu bieten, die ihn ablehnen". Deshalb werben die Freien Demokraten auch für mehr legale Migration und für eine wirksamere Kontrolle illegaler Migration. Teuteberg ist überzeugt, "dass Letzteres für die Akzeptanz legaler Migration sehr wichtig ist".

Sie sagt das auch mit Blick auf die besorgniserregende Entwicklung, dass einige Firmen im Osten schon jetzt Probleme damit haben, ausländische Fachkräfte für sich zu gewinnen, weil die wegen Pegida und AfD nicht mehr kommen wollen. Das schade der wirtschaftlichen Entwicklung Ostdeutschlands, wenn Fachkräfte das Gefühl haben, sie seien dort nicht willkommen. Sie kritisiert die AfD dafür, diese Stimmung auch zusätzlich anzuheizen, indem sie Ressentiments schürt.

Das ist schon fast Bürgerkriegsrhetorik

In diesem Zusammenhang ärgert sie sich auch "unheimlich" darüber, dass westdeutsche AfD-Funktionäre heute als Spitzenkandidaten im Osten auftreten und die Botschaften der friedlichen Revolution von 1989 für sich vereinnahmen: "Damit setzen sie die Diktatur von damals und den demokratischen Rechtsstaat von heute praktisch auf dieselbe Stufe, das ist unverschämt und perfide." Teuteberg findet es aber auch falsch, wenn der Thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow und seine Linkspartei mit dem Spruch „Bodo oder Barbarei“ für sich werben. "Das ist schon fast Bürgerkriegsrhetorik und vergiftet das gesellschaftliche Klima."

Die Wunden im Osten Deutschlands heilen

In diesem Zusammenhang hält sie auch die Einsetzung eines Treuhand-Untersuchungsausschusses, wie es von Teilen der Linken und der AfD gefordert wird, für überflüssig. "Wir sollten die Aufarbeitung der damaligen Zeit, mit all ihren negativen wie positiven Aspekten, den Historikern und anderen Wissenschaftlern überantworten". Ein erneuter Untersuchungsausschuss dazu würde nur der parteipolitischen Profilierung dienen. "Und er bringt auch keinen einzigen Arbeitsplatz zurück“, fügte die FDP-Politikerin hinzu.  Es sei doch klar: "Nicht die Treuhandanstalt, sondern 40 Jahre Planwirtschaft haben die Wirtschaft in Ostdeutschland nachhaltig abgeschottet und geschädigt. Die Privatisierungen nach der Wiedervereinigung waren notwendig und wer genauer hinsieht, erkennt das auch." Grundsätzlich wünscht sie sich in dieser Debatte mehr Ehrlichkeit.

Ihrer Ansicht nach kann man die Wunden im Osten Deutschlands heilen, indem man über die Chancen rede, die heute in Ostdeutschland stecken. So müsse man bei der Repräsentanz Ostdeutscher zu einer Normalisierung kommen: "Ostdeutsche müssen verstärkt in Führungspositionen kommen." Quoten würden da sicher nicht helfen, sagt Teuteberg und fügt hinzu: "Wir brauchen transparente Auswahlverfahren. Gleichzeitig müssen wir auch zulassen, dass über durch die Diktatur verlorene Lebenschancen offen gesprochen wird." Denn: Den Menschen seien zu DDR-Zeiten Lebenschancen genommen worden, wenn ihnen vom SED-Regime der Zugang zu bestimmten Bildungsgängen verwehrt wurde.

Die Menschen können sich bei der FDP ganz sicher sein

All diesen Menschen macht die FDP ein Angebot. Auch wenn es derzeit kein Szenario in den Umfragen gibt, in dem sie als Königsmacher auftaucht, sei es trotzdem wichtig, "dass wir künftig drei liberale Fraktionen in den drei Landtagen haben", bekräftigt Teuteberg. "Ganz unabhängig davon, ob sie dann in der Opposition oder in einer Regierungsbeteiligung arbeiten." Sie schließt klar aus, mit der AfD oder mit der Linken zu koalieren. "Wer will, dass sein Bundesland aus der Mitte regiert wird, kann sich also bei der FDP ganz sicher sein."

Hintergrund: Am 1. September wird in Brandenburg und Sachsen gewählt

Wenige Wochen vor den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen steht die FDP in den Umfragen bei fünf bis sechs Prozent. Für die Freien Demokraten sind die Landtagswahlen in den neuen Ländern eine harte Bewährungsprobe. Wenn sie in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wieder in die Parlamente einziehen, ist das ein respektabler Erfolg. "Einfach deshalb weil wir ja von einem sehr, sehr niedrigen Niveau kommen und auch strukturell nicht besonders stark verankert sind", erläutert FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer. Vor fünf Jahren kam die FDP in Brandenburg auf 1,5 Prozent, in Sachsen auf 3,8 und in Thüringen auf 2,5 Prozent.

FDP-Chef Christian Lindner ist dennoch zuversichtlich: "Wir haben bei allen drei ostdeutschen Wahlen so gute Aussichten wie selten zuvor, weil wir bei den Menschen mit unserem Appell an die Vernunft einen Nerv treffen. Das betrifft sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die Klima- und die Migrationsdebatte." Auch Linda Teuteberg ist überzeugt, dass die FDP in allen drei Ländern erfolgreich sein wird. "Aber dass das anspruchsvoll ist, weiß ich."

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