FDPUkraine-Krise

Putin tritt das Völkerrecht mit Füßen

Christian LindnerFDP-Chef Christian Lindner kritisiert die russische Vorgehensweise in der Ukraine-Krise.
23.02.2015

Im "SWR – Interview der Woche" hat FDP-Chef Christian Lindner gewarnt, dass die deutsche Sensibilität für die Gefährdungen des freiheitlichen Zusammenlebens in Europa zu gering ausgeprägt sei. "Ich sehe das bei diesem Verständnis für die autoritäre Politik von Wladimir Putin, der ja das Völkerrecht mit Füßen tritt und aus der Ukraine und anderen Staaten Vasallen machen will. Das ist nicht die Idee der Selbstbestimmung der Völker", stellte der Freidemokrat klar.

"Wir wollen weiter die Stärke des Völkerrechts und nicht das Recht des Stärken in Europa", unterstrich Lindner. Er unterstütze deswegen die Mischung aus Kooperationsbereitschaft und klaren Grenzziehungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Außenpolitik vertrete. "Ich kritisiere Frau Merkel wegen ihrer Innenpolitik, die sie komplett in die Hände der SPD gegeben hat, in der Außenpolitik aber findet die Linie im Großen und Ganzen unsere Unterstützung", betonte er. Dazu gehörten die gemeinsamen Bemühungen mit Frankreich, das Abkommen von Minsk mit neuem Leben zu füllen, die Aufrechterhaltung von Sanktionen gegen Moskau trotz wirtschaftlicher Eigeninteressen und die Vermeidung einer militärischen Eskalation.

Interview mit Christian Lindner

Herr Lindner, 7,4 Prozent bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg, nach zuletzt drei eher unschönen Wahlen in ostdeutschen Bundesländern, wie gut tut Ihnen dieses Ergebnis?

Es ist eine Erleichterung, und wir haben uns auch sehr mit Katja Suding über ihren Erfolg gefreut, das ist doch klar, das kann jeder nachvollziehen, der schon einmal in einer schwierigen Lage war. Für uns ist es vor allen Dingen aber auch eine Bestärkung darin, dass die Richtung unserer Erneuerung richtig ist. Es ist noch nicht die abgeschlossene Trendwende, das wissen wir auch. Aber es ist der erste Erfolg nach der Neuaufstellung der FDP zum Dreikönigstreffen in diesem Jahr. Wir haben im vergangenen Jahr ja eher nach innen gearbeitet, mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und unseren Mitgliedern unsere Tradition und unsere Positionierung in der Gegenwart aufgearbeitet, und mit Dreikönig sind wir nach draußen gegangen, mit einem veränderten politischen Profil, wiedergewonnenen Grundwerten, was treibt uns an? Die Liebe zur Freiheit, und zwar im umfassenden Sinne, das drücken wir auch nach außen aus. Und mit dieser erneuerten Konturlinie hat Katja Suding in Hamburg einen Erfolg erzielt, das motiviert alle Freien Demokraten in Deutschland.

Unter Ihrem Vor-Vorgänger Guido Westerwelle stand die Partei, auch unter Marketinggesichtspunkten, sehr lange für Steuersenkungen, einfacher, niedriger, gerechter. Wie sehr steht Ihnen das heute noch im Weg? Wie oft begegnen Ihnen noch Leute, die Sie damit hämisch konfrontieren?

Das kommt vor, denn das war ja auch ein großer Fehler der FDP, 2009 nicht das Finanzministerium genommen zu haben. Und im Mai 2010, nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, hat die Bundeskanzlerin damals die Vorhaben für eine große Steuerreform komplett abgesagt. Das haben wir einfach so hingenommen und zu Recht haben sich viele Millionen Wähler der FDP gefragt: Wenn das doch über ein Jahrzehnt euer Kernanliegen war, warum setzt ihr euch jetzt nicht dafür ein? Warum kämpft ihr nicht dafür? Umso mehr, Herr Seidel, sehe ich meine Partei heute in der Verpflichtung bei diesem Thema dranzubleiben. Ob Spott oder Häme oder Kritik von außen da kommt, das ist uns relativ egal. Da sind wir cool, denn dadurch, dass wir 2009 bis 2013 unsere Ziele ja nicht haben erreichen können, sind die Probleme im Steuerrecht ja nicht geringer, sondern eher größer geworden. Ich nenne die Komplexität, ich nenne den Skandal, dass Google, Apple, amazon und andere auf ihre Inlandsgewinne keine Steuern zahlen. Auf der anderen Seite aber die Bürger mit kalter Progression und Solidaritätszuschlag belastet sind. Also, da ist enorm viel zu tun, und ich sehe uns in der politischen Verpflichtung, hier am Ball zu bleiben, weil ansonsten das Thema einer gestalterischen Steuerpolitik, die auch die Belastungsgrenze der Bürger und Betriebe sieht, im Bundestag ja überhaupt nicht vorkommt. Also, umso mehr für die FDP eine Mission, auch weiter, trotz alledem.

Kann es sein, die FDP ist von 2009 bis 2013 ja teilweise mit relativ hämischen Kommentaren bedacht worden, kann es auch sein, dass wir in den letzten Jahrzehnten in Deutschland gerade für den Einzelnen einen Grad von Freiheit gewonnen haben, dass die Menschen teilweise nicht mehr das Gefühl haben, das ist etwas, wofür ich kämpfen muss? Wenn wir über die Rechte von Minderheiten zum Beispiel nachdenken.

Ja. Hier stimme ich Ihnen zu. Die Sensibilität für die Gefährdungen unseres freiheitlichen Zusammenlebens ist zu gering ausgeprägt. Ich sehe das bei diesem Verständnis für die autoritäre Politik von Wladimir Putin, der ja das Völkerrecht mit Füßen tritt und aus der Ukraine und anderen Staaten Vasallen machen will. Das ist nicht die Idee der Selbstbestimmung der Völker. Trotzdem gibt es dafür Verständnis. Ich habe das gesehen bei mancher Äußerung zu diesen PEGIDA-Protesten, da wurde ja der Versuch unternommen, Ressentiments salonfähig zu machen. Da ging es nicht um reale Integrationsprobleme – solche gibt es, an ihnen ist zu arbeiten – sondern es ging um pauschale Urteile über einzelne Religionen. Wer ist dann der Nächste, muss man fragen, wenn man das erlaubt. Und auch sonst, Eingriffe in unsere Vertragsfreiheiten, also Mindestlohn habe ich angesprochen, mit der ganzen Bürokratie, dass der Staat immer stärker auf die private Leistungsfähigkeit zugreift, die Steuer- und Abgabenbelastung hat bald wieder das Niveau des Jahres 2000 erreicht, wenn nichts passiert. Auch das wird so hingenommen. Ich glaube, dass das Gefühl für die Gefährdung auch freiheitlichen Zusammenlebens, dass das ein Stück verloren hat. Man sich doch sehr stark orientiert am Staat. Zumindest viele tun das.

Sie haben Wladimir Putin erwähnt. Angela Merkel bemüht sich seit Monaten um eine nicht-militärische Lösung oder zumindest um eine Deeskalation in der Ukraine-Krise. Halten Sie die Politik der Bundeskanzlerin in dieser Krise bisher für erfolgreich oder zumindest für Erfolg versprechend?

Erfolg oder Misserfolg von diplomatischen Bemühungen die liegen ja nicht nur in der Hand einer Seite, also in diesem Fall Europas oder Deutschlands oder der Frau Bundeskanzlerin. Frage ist, ob die Bemühungen richtig sind, ob der Kurs den Deutschland und Europa gerade in der Spannungssituation mit Russland fahren, ob dieser Kurs richtig ist. Und dem würde ich zustimmen. Ich begrüße dass und wie die Bundeskanzlerin agiert, insbesondere, dass sie zusammen mit Frankreich eine europäische Initiative ergriffen hat, das Abkommen von Minsk mit neuem Leben zu füllen. Ich begrüße, dass sie klare Linien, klare rote Linien aufgezeigt hat und trotz aller möglicherweise auch wirtschaftlichen Eigeninteressen unseres Landes auf Sanktionen gedrungen hat. Ich begrüße nicht zuletzt, dass sie eine militärische Eskalation um jeden Preis vermeiden will. Auch das ist richtig. Also, diese Mischung aus Kooperationsbereitschaft und klaren Grenzziehungen, was nicht akzeptabel ist, weil wir weiter das Völkerrecht, die Stärke des Völkerrechts und nicht das Recht des Stärken in Europa wollen, das findet meine Unterstützung. Ich kritisiere Frau Merkel wegen ihrer Innenpolitik, die sie komplett in die Hände der SPD gegeben hat, in der Außenpolitik aber findet die Linie im Großen und Ganzen unsere Unterstützung.

Das zweite große Thema, das im Moment die Schlagzeilen beherrscht, ist das Schuldendrama um Griechenland. Was tun wir, wenn die griechische Regierung am Ende doch nicht bereit ist, den Reformkurs fortzusetzen?

Dann sagen wir leise Servus und Adieu, Herr Seidel. Denn es gibt Regeln in Europa, die sind nach 2010 geschärft worden. Die alte Strategie war – und hinter der steht die FDP unverändert, in der Regierung und auch bis heute: Zeitweise Rettungsschirme und unter diesen Rettungsschirmen müssen dann Reformprogramme nach Vorbild etwa der Agenda 2010 umgesetzt werden. Im Fall Griechenlands hat es also Hilfen gegeben, aber die Zusagen sind nicht erfüllt worden, zumindest nicht vollständig. Und jetzt gibt es eine neue Regierung in Athen, die will sich komplett aus diesen Zusagen herauswinden, die will also diese unmittelbare Verknüpfung von Solidarität und Reformbemühungen aufheben. Und wenn das zugelassen wird von Europa und Deutschland, dann fallen wir komplett zurück in die Krise. All das, was erreicht worden ist, an geschaffenen Institutionen, an geschärften Regeln, all das fällt dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen, weil Europa die eigenen erkannten Regeln wieder neu bricht. Dazu darf es nicht kommen. Griechenland will den Euro, also muss es sich an die Regeln halten. Wenn es sich nicht an die Regeln halten will, kann es auch den Euro nicht weiter haben.

Herr Lindner, ich weiß nicht, ob das noch aktuell ist, aber auf dem Kennzeichen Ihres Düsseldorfer Dienstwagens stand zumindest vor einiger Zeit noch die Zahl 2017. Was passiert denn dann?

Dann muss ich mein Mandat erneuern, weil das ist die Zeit, die ich hier von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt bin. D-CL 2017 ist mein Dienstwagen-Kennzeichen, weil genau so lang mein Vertrag mit den Bürgerinnen und Bürgern geht. Solange haben sie ihn mir zur Verfügung gestellt und danach wird neu gewählt im Land und im Bund.

Und wo sind Sie dann?

Ich will gerne im September 2017 meine politische Arbeit als Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion fortsetzen. Und da gibt es auch gar keinen Zweifel dran, das muss jeder wissen, da haben die Bürgerinnen und Bürger auch Klarheit in diesem Wahljahr, dass ich in den Deutschen Bundestag rücken will.

Herr Lindner, vielen Dank für das Gespräch.

Danke Ihnen, Herr Seidel.

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