21.01.2015FDPFDP

SUDING/STEINER-Doppelinterview: Mit Beinen gewinnt man keine Wahlen

Berlin. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Hamburger Bürgerschaftswahl KATJA SUDING und die FDP-Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl LENCKE STEINER gaben der „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Doppelinterview. Die Fragen stellten ULRICH EXNER und THORSTEN JUNGHOLT:

Frage: Glückwunsch, Frau Suding. Sie haben mit ihrem Outfit und der Unterstützung eines ARD-Kameramanns nicht nur den Tagesschau-Chef in Wallung gebracht, sondern ihrer Partei auch einen kräftigen Umfrageschub verschafft.

SUDING: Das war zwar nicht geplant, aber die Aufmerksamkeit, die diese Bilder und die folgende Debatte gebracht haben, hilft uns. Jeder weiß aber auch, dass man mit Beinen keine Wahlen gewinnt, sondern mit guter Politik. Und die machen wir.

Frage: Wenn Boulevard-Zeitungen Sie jetzt Miss „Bein“ nennen, finden Sie das eher peinlich oder lustig?

SUDING: Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas erlebe, ich habe es mir abgewöhnt, das es zu bewerten. Ich mache freidemokratische Politik, und die Aufregung drum herum nehme ich zur Kenntnis, manchmal auch schmunzelnd.

Frage: Kein Kalkül hinter solchen Auftritten?

SUDING: Ich habe den Kameramann mit Sicherheit nicht dafür bezahlt, dass er mich so oder anders filmt. Und ich habe auch Herrn Gniffke nicht gebeten, sich bei mir öffentlich zu entschuldigen.

Frage: Ist Ihre Kleidung im Wahlkampf generell Zufall oder Strategie?

SUDING: Jeder Politiker, der auf einer Bühne steht, macht sich Gedanken über seine Wirkung, dabei spielt natürlich die Kleidung auch eine Rolle. Ich versuche immer, mich so anzuziehen, dass ich mich gut fühle. Oft Jeans und Jackett, zu manchen Anlässen wie Dreikönig kleide ich mich businessmäßig. Deshalb Rock und Pumps. Oder, Lencke?

STEINER: Auf einer Bühne muss man sich wohlfühlen. Außerdem muss Frau doch wohl Frau sein dürfen. Sollen wir uns verkleiden wie ein Mann, um erfolgreich zu sein? Nö. Wir tragen, was wir wollen: Kleid, Jeans, Rock, fertig.

Frage: Sie haben ja den Slogan „kompetent, hübsch, hanseatisch“ ausgegeben, Frau Steiner. Das klingt schon ein bisschen nach Strategie, oder?

STEINER: Das war aber nicht strategisch gemeint. Das sind schlicht Tatsachen.

Frage: Ist Katja Suding ein Vorbild oder gar ein Auslöser für Ihre überraschende politische Karriere?

STEINER: Nein. Ich habe einfach als Unternehmerin und Vertreterin der Generation Y gesagt: Ich fühle mich von den Parteien der Großen Koalition in Berlin überhaupt nicht mehr vertreten. Was da an Politik gemacht wird, ist so schädlich – da musst du dich einbringen und dagegen halten.

Frage: Und dann gehen Sie ausgerechnet in die Partei von Rainer Brüderle?

STEINER: Das ist ja schon länger nicht mehr Brüderles Partei, oder? Ich spüre jedenfalls Esprit und Aufbruchstimmung bei den Freien Demokraten.

Frage: Kann man vom Äußeren auf das Potential eines Menschen schließen?

STEINER: Nö.

SUDING: Viel wichtiger sind Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Sympathie. Man muss gar nicht gut aussehen, sondern Vertrauen gewinnen. Angela Merkel ist hocherfolgreich, weil sie Ruhe und Beständigkeit ausstrahlt, nicht weil sie Modelmaße besitzt. Ich bin in Hamburg nicht nur die bekannteste Oppositionspolitikerin, weil man mich gern fotografiert. Medien und Menschen an der Elbe wissen auch: Die steht für freiheitliche Werte ein.

STEINER: Man muss nicht vor allem hübsch, sondern in erster Linie authentisch sein.

SUDING: Genau. Was wir tun ist: Wir personalisieren unsere Kampagne. Das macht Olaf Scholz übrigens auch. Haben Sie den schon mal gefragt, ob er sein Aussehen einsetzt?

Frage: Keine schlechte Idee ...

SUDING: Aber das fragen Sie ihn nicht. Nur mich. Also: Ja, ich bin eine Frau. Ich kandidiere für die Bürgerschaft. Ich habe einen politischen Plan und ein Team, mit dem ich etwas erreichen will. Ich bin wie gesagt die bekannteste Oppositionspolitikerin in Hamburg. Also werben wir natürlich mit meiner Person für unsere freidemokratischen Ziele.

Frage: Ohne Dreikönig und „Bein-Gate“, nur mit der Kritik am Busbeschleunigungsprogramm wären Sie vermutlich immer noch bei zwei Prozent.

SUDING: Sehr hypothetisch. Gegenthese: Wir sind gute Wahlkämpfer, wir kommen mit einer guten Kampagne aus dem Umfragetief. Das klappt schneller als ich es mir erträumt habe. Kurz nach dem Start von zwei auf vier Prozent, das lässt sich sehen.

Frage: Warum waren Sie überhaupt bei zwei Prozent? Schlechte Oppositionsarbeit?

SUDING: Der Bundestrend hat uns mit nach unten gezogen. Es ist schwer, mit landespolitischen Themen dagegen anzukommen, das überlagert alles. Nach der Bundestagswahl stand unsere Arbeit in der Bürgerschaft nicht so im Fokus, wie ich es mir gewünscht hätte. Jetzt im Wahlkampf ist das anders, da ist das Interesse wieder da, die Leute fragen: Was habt ihr gemacht, was wollt ihr machen?

Frage: Die Opposition hier in Hamburg, nicht nur die FDP, ist eher zahnlos, oder?

SUDING: Unsere nicht. Fragen Sie doch mal unsere politischen Gegner.

Frage: Die sagen, Sie waren sehr fleißig. Aber Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz in Schwierigkeiten zu bringen, ist Ihnen nicht gelungen.

SUDING: Scholz versteht es geschickt, sich wichtigen Debatten zu entziehen wie etwa der um seine katastrophale Verkehrspolitik, das mangelhafte Niveau der Hamburger Gymnasien oder die Hochschulen, die er kaputtspart. Probleme werden auf Fachsenatoren abgeschoben. Olaf Scholz zelebriert lieber Erfolge.

Frage: Die Hamburger sind mit Scholz offenbar ganz zufrieden: Zufriedenheit 72 Prozent. Direktwahl 66 Prozent. Wie erklären Sie sich das?

SUDING: Die Menschen halten viel von Olaf Scholz persönlich, aber die Umfragen zeigen auch, dass sie der SPD keine absolute Mehrheit mehr geben wollen.

Frage: Scholz will dann mit den Grünen regieren.

SUDING: Das werden wir sehen. Sozialliberal wird jedenfalls auch eine Option sein. Es gibt inhaltliche Knackpunkte, aber wir sind so selbstbewusst zu sagen: Wir wollen unsere Ideen für bessere Bildung, fließenden Verkehr und solides Haushalten nicht nur in der Opposition vertreten, sondern in einer Regierungskoalition umsetzen.

Frage: In Bremen ist die Lage noch eindeutiger, oder Frau Steiner?

STEINER: 69 Jahre SPD, das sagt vieles. Zeit die in die Rente zu schicken, oder?

Frage: Wie soll das funktionieren?

STEINER: Die Politikverdrossenheit ist in Bremen extrem hoch. Das führt dazu, dass die Leute sich nicht mehr damit auseinandersetzen wollen. Der schlechte Zustand der Stadt, die höchste Pro-Kopf-Verschuldung, die miserablen Schulen – das wird alles gar nicht mehr richtig wahrgenommen. Also werden wir zeigen, dass es so nicht weitergeht. Dass das kurzfristige, an Amtsperioden orientierte Ausgabenprinzip uns langfristig das Genick bricht.

Frage: Und wenn sie das gezeigt haben, dann bestätigen sie in der Bürgerschaft den amtierenden SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen und regieren mit. Als jüngste Wirtschaftssenatorin aller Zeiten?

STEINER: Würde mir gut stehen, oder? Ich sage Ihnen im Mai Bescheid.

Frage: Was wäre denn für Sie das richtige Ressort, Frau Suding?

SUDING: Ich mache jetzt erst mal Wahlkampf. Ich möchte unser Ergebnis von 2011, fast sieben Prozent, toppen. Und dann schauen wir weiter.

Frage: Mit welchen Themen?

SUDING: Beste Bildung für alle etwa: Endlich wieder vernünftigen Rechtschreibunterricht in den Grundschulen, mehr Mathe und Naturwissenschaften in den weiterführenden Schulen und ein Abitur mit Niveau. Eine Hochschulpolitik ohne Spardiktat, die die Verknüpfung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft als Zukunftsvision Hamburgs begreift. Eine solide Finanzpolitik als Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Und eine vernünftige Verkehrspolitik.

Frage: Die Busbeschleunigungsspur!

SUDING: Spotten Sie nur. Über eine Viertelmilliarde für die Stilllegung des Verkehrs mit rückgebauten Busbuchten, eliminierten Parkplätze oder gefällten Bäumen – diese sogenannte „Busbeschleunigung“ ist eine Katastrophe für eine Handelsmetropole. Moderne Mobilität muss mit zeitgemäßen Techniken wie „Schlauampeln“ oder Bus- und Bahn-Tickets per App organisiert werden. Außerdem brauchen wir dringend die Fahrrinnenanpassung im Hafen, wir wollen Olympia, eine großartige Chance für Hamburg! Und wir unterstützen das Fortschrittsthema TTIP für die Zukunft der Wirtschaftsmetropole.

Frage: Sie haben die Rituale der Kommunal- und Landespolitik ja schon vier Jahre genießen dürfen. Was hat Sie am meisten genervt?

SUDING: Die konstant langen Arbeitstage, die mir wenig Zeit für Familie und Freunde lassen. Vor allem für meine beiden Kinder, das ist am schwersten für mich.

Frage: Haben Sie Tipps für Frau Steiner, was sie auf jeden Fall vermeiden sollte?

SUDING: Nein. Mir haben alle Tipps, die ich vorher bekommen habe, nicht geholfen.

Frage: Wenn die beiden weiblichen FDP-Spitzenkandidaten die Trendwende schaffen, was bedeutet das eigentlich für Christian Lindner, den designierten männlichen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017?

SUDING: Rückenwind aus dem hohen Norden.

Frage: Müssten Sie dann nicht stattdessen Spitzenkandidatin werden?

SUDING: Der Bundesvorsitzende ist natürlich der geborene Spitzenkandidat. Ich werde die Arbeit, die in Hamburg zu erledigen ist, mit ganzer Kraft angehen.

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