30.08.2019FDPFDP

TEUTEBERG-Interview: Deutschland braucht kein Bündnis für Planwirtschaft

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gab der „Welt“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thorsten Jungholt und Martin Niewendick.

Frage: Frau Teuteberg, wir erleben tektonische Verschiebungen in der deutschen Parteienlandschaft: Die Volksparteien schrumpfen, die kleinen legen zu. Die FDP aber stagniert. Warum?

Teuteberg: Wir sind im Bund sehr stabil, haben uns nach dem Wiedereinzug in den Bundestag konsolidiert. Die Umfragewerte vor den Landtagswahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern stimmen uns zuversichtlich, sie liegen recht konstant um die fünf Prozent.

Frage: Fünf Prozent in Brandenburg, Sachsen und Thüringen stimmen Sie zuversichtlich?

Teuteberg: Im historischen Vergleich sind das sehr gute Ausgangswerte, die wir eigentlich nur 2009 hatten - sonst lagen wir meist darunter. Schließlich sind wir derzeit noch nicht in diesen drei Landtagen vertreten und kämpfen jetzt um jede Stimme, damit unser politisches Angebot von Freiheit und Vernunft dort wieder Sitz und Stimme bekommt.

Frage: Sie sind Brandenburgerin. Warum tut sich die FDP in Ostdeutschland so schwer?

Teuteberg: Das ist eine Frage der Aufmerksamkeitsökonomie, und das in allen Teilen unserer Republik. Parteien, die einfache Lösungen anbieten, bekommen mehr Beachtung. Die Grünen stellen sich als Erlöser in der Klimapolitik dar, die AfD in der Migrationspolitik. Diese Unbedingtheit wirkt auf den ersten Blick attraktiver, und genau diese beiden Parteien legen derzeit zu. Die FDP setzt auf vernünftige Lösungen der Mitte, auf realistische Schritte und Interessenausgleich. Andere erzählen Geschichten allzu häufig nicht zu Ende. Wir rechnen mit der Gesellschaft, wie sie ist, trauen dem Einzelnen etwas zu und wollen positive Veränderungen, ohne Komplexität zu ignorieren und rigorosen Planbarkeitsillusionen anzuhängen.

Frage: Ein Wahlkampfthema ist der Kohleausstieg in den ostdeutschen Revieren. Das Kabinett hat gerade milliardenschwere Strukturhilfen und die Ansiedlung von Bundesbehörden versprochen. Richtig?

Teuteberg: Mehr Geld und ein paar Bundesbehörden allein werden es nicht richten. Ohne ein langfristiges Konzept bleibt dieses Programm ein Strohfeuer, das kein nachhaltiges, selbsttragendes Wachstum bringt. Um dauerhaft Wachstumskräfte freizusetzen und neue Wertschöpfung zu ermöglichen, sollte die Bundesregierung endlich ernst machen mit der Ausweisung von Sonderwirtschaftszonen, um Forschung und Investitionen, Bürokratieabbau und den beschleunigten Ausbau von Breitband, Mobilfunk und Verkehrswegen voranzubringen. Das ist allerdings anspruchsvoller.

Frage: Von den Parteien thematisiert werden auch tiefgreifende Verletzungen der Bürger aus der Nachwendezeit. Gibt es wirklich Nachholbedarf bei der Aufarbeitung der Einheit?

Teuteberg: Wir brauchen eine offene gesamtdeutsche Diskussion über den Stand der deutschen Einheit, über Tragiken dieses beispiellosen Umbruchs ebenso wie über außerordentliche Erfolge dabei. Was wir nicht brauchen, sind Untersuchungsausschüsse zur Treuhand, wie es Linke und AfD fordern. Sie verfälschen die Geschichte. Weder ist die Treuhand die Ursache für strukturelle wirtschaftliche Probleme in Ostdeutschland, noch hat uns die Linke mit ihrem Rechtsvorgänger SED die Freiheit gebracht. Im Gegenteil, die haben die Bürger sich selbst gegen die SED erkämpft. Die Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland wollte eine schnelle Wiedervereinigung, da waren manche Schwierigkeiten unvermeidbar. Wir müssen darüber reden, was falsch gelaufen ist. Aber ohne reflexhaft Sündenböcke zu suchen. Und mit Neugier aufeinander.

Frage: Die AfD kapert auf ihren Plakaten Schlachtrufe der Friedlichen Revolution. Wie finden Sie diese Strategie?

Teuteberg: Perfide. Ich finde es wichtig, sich an diese Zeit redlich zu erinnern. Viele Menschen haben auch unter den erschwerten Bedingungen von Diktatur und Planwirtschaft beruflich und privat viel geleistet. Darauf können sie stolz sein. Zur Redlichkeit gehört auch, dass sich zum Beispiel die wirtschaftliche Stabilität in Baden-Württemberg oder Bayern zu einem guten Teil ostdeutscher Leistungsbereitschaft und Flexibilität verdankt. Viele qualifizierte junge Menschen aus dem Osten sind dorthin gezogen, was wiederum für Ostdeutschland Folgen hat. Darüber sollten wir offen und respektvoll sprechen.

Frage: Die SPD versucht eine Mobilisierung durch eine Kampagne gegen die sogenannten Reichen, die mit Vermögensteuer und nur teilweiser Abschaffung des Soli zur Kasse gebeten werden sollen. Sind das Konzepte für mehr Gerechtigkeit – oder für mehr Neid?

Teuteberg: Das soll Neid schüren und schadet unserem Land – gesellschaftlich und wirtschaftlich. Wer sachlich über Gerechtigkeit reden will, muss deshalb nicht an niedere Instinkte appellieren und so tun, als ob Wohlstand ab einer gewissen Höhe anstrengungs- und leistungslos erworben sei. Das ist plumper Linkspopulismus. Zudem sind angesichts einer Rezession andere Konzepte nötig.

Frage: Nämlich?

Teuteberg: Wir wollen die arbeitende Mitte entlasten und den Soli komplett abschaffen. Die kalte Progression gehört entschlossener angegangen und der Mittelstandsbauch bei der Einkommensteuer beseitigt. Statt Unberechenbarkeit und Protektionismus anderer zu beklagen, sollten wir unsere Unternehmensbesteuerung auf den Prüfstand internationaler Wettbewerbsfähigkeit stellen und klar für Freihandel eintreten.

Frage: Als die Mauer fiel, waren Sie in der dritten Klasse. Hatte die DDR Zeit, Sie zu prägen?

Teuteberg: Sie hat mir jedenfalls einige Erfahrungen mitgegeben. Ich habe früh gemerkt, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Schon in der Schule habe ich gelernt, dass man besser nicht darüber redet, dass man zur Christenlehre geht. Als Kind habe ich wahrgenommen, dass meine Verwandten aus dem Westen uns besuchen und frei reisen konnten, dass sie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher frei beziehen konnten. Wir konnten das nicht.

Frage: Nun scheint sich die DDR ja ein Stück weit zurückzumelden. Die Berliner Wohnungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) will staatlich vorgeschriebene Mieten für die Hauptstadt, Juso-Chef Kevin Kühnert redet von Enteignungen. Sind die Erinnerungen an den real existierenden Sozialismus schon so verblasst?

Teuteberg: Manche vertreten das mangels, andere wider besseres Wissen. In der DDR hat man dazu gesagt: Ruinen schaffen ohne Waffen. Staatlich festgesetzte, nicht rentable Mieten sind Investitionskiller und bedeuten Leben von der Substanz, das Gegenteil von Nachhaltigkeit und Verantwortung. Wir haben zu DDR-Zeiten doch gesehen, wie verheerend Innenstädte dann aussehen. Das schafft keine einzige neue Wohnung und zerstört Vertrauen in den Rechtsstaat. Sozialistische Experimente sind nicht sexy, sondern geschichtsvergessen.

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass so Rot-Rot-Grün im Bund vorbereitet werden soll?

Teuteberg: Die Signale sind nicht zu überhören. Übrigens auch die der Grünen. Vor allem aber gehen diese Vorschläge aus der sozialistischen Mottenkiste an die Substanz unseres Gesellschaftssystems. Deutschland braucht kein Bündnis für Enteignungen, Planwirtschaft und Bevormundung. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit gehören zusammen und nicht gegeneinander ausgespielt.

Frage: Die SPD öffnet sich zur Linken. Könnte die FDP in Ostdeutschland nicht auch dazu gezwungen sein, um Regierungen jenseits einer AfD-Beteiligung möglich zu machen?

Teuteberg: Wir haben ganz klar, und das ist ein Alleinstellungsmerkmal, Koalitionen sowohl mit der AfD als auch mit der Linken ausgeschlossen. Die Linke ist eine Partei, die dem einzelnen Menschen misstraut und auf umfassende staatliche Kontrolle setzt, die aus der Nato raus will und sozialistischen Diktatoren wie in Venezuela huldigt. Fundamentaler könnten die Unterschiede zu Haltung und Menschenbild der FDP kaum sein.

Frage: Auch mit einem pragmatischen Realo wie Bodo Ramelow in Thüringen geht nichts?

Teuteberg: Ramelow bedient sich des Slogans „Bodo oder Barbarei“. Ist das pragmatisch? Ich finde, das ist ein Beitrag zur Spaltung unserer Gesellschaft. Zu demokratischer Reife gehört das Bewusstsein dafür, dass es legitime Mitbewerber gibt und man nicht allein für alles Gute steht. Zwischen Koalitionen und „nichts“ gibt es übrigens viele Facetten.

Frage: In Dresden haben sich Zehntausende Menschen an der Unteilbar-Demonstration beteiligt. Die FDP war nicht dabei. Warum eigentlich nicht?

Teuteberg: Über eine Teilnahme entscheidet die Partei vor Ort und jeder selbst. Man kann unsere Demokratie durch alltägliches Engagement – gerade in Parteien – stärken. Es ist übrigens nicht hilfreich, wenn bei Unteilbar etwa unsere Bundesflagge für unerwünscht erklärt wird. Das spielt Extremisten in die Hände. Die Flagge ist ein im Grundgesetz verankertes Symbol unserer Republik. Das dürfen wir nicht einem bestimmten politischen Rand überlassen.

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