11.08.2019FDP

TEUTEBERG-Interview: Freiheit ist nicht selbstverständlich. Man muss etwas dafür tun.

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gab der „B.Z. am Sonntag“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel. 

Frage: In Brandenburg liegt die FDP bei 6, in Sachsen und Thüringen bei 5 Prozent. Warum ist es für die Liberalen im Osten so schwer?

Teuteberg: In allen drei Landtagen ist die FDP aktuell nicht vertreten. Da muss man mehr kämpfen, um Gehör zu finden. Aber ich sehe große Chancen. Aus meiner Erfahrung gibt es gerade in Ostdeutschland viele Menschen, denen bewusst ist, dass wirtschaftlicher Erfolg die richtigen Voraussetzungen braucht - gerade weil sie erlebt haben, dass sie trotz Kompetenz und Fleiß unter anderen politischen Bedingungen nicht diesen Wohlstand hatten und dass staatliche Planung nicht zum Erfolg führt. Sie haben eine klare Erwartung, welche Aufgaben der Staat erfüllen muss: Bildung, gute Infrastruktur, innere Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit - und sie sind sensibel, wenn es um ihre Bürgerrechte geht, und darum, dass sie nicht gegängelt und bevormundet werden. All das sind Kernthemen der FDP.

Frage: Gibt es eine ostdeutsche Mentalität?

Teuteberg: Die Ostdeutschen sind genauso vielfältig wie die West-, Nord- und Süddeutschen. Aber natürlich haben sie ein paar besondere Erfahrungen gemacht - zum Beispiel, dass sich Dinge sehr schnell grundlegend ändern können, und was das Menschen abverlangt. Sie haben erfahren, wie wichtig es ist, optimistisch und beharrlich zu sein und sich in Situationen großer Ungewissheit auf die eigenen Stärken zu besinnen. Viele haben sich beruflich noch einmal völlig neu orientiert. Es ist wichtig, darüber zu sprechen, was da positiv bewältigt wurde. Denn diese Qualitäten werden wieder sehr wichtig - im Zuge der Digitalisierung und schnell wechselnder Berufsbilder.

Frage: Warum wird die Kluft zwischen Ost und West wieder tiefer?

Teuteberg: Der Osten hat durchaus noch mit ein paar speziellen Problemen zu kämpfen. Aber die sind in erster Linie immer noch die Folge von 40 Jahren Diktatur und Planwirtschaft und nicht der Zeit danach. Vor allem aber wurde in den letzten 30 Jahren unglaublich viel Gutes geschafft. Schauen Sie sich die Städte an, die Umwelt! Jeder kann sagen, was er will, auch wenn es der Regierung nicht passt. Leider gibt es politische Kräfte, die den Blick nur auf Defizite richten, um ihr politisches Süppchen zu kochen. Wenn Linke und AfD heute versuchen, die Treuhand zum Sündenbock für alles zu machen, wird Geschichte verfälscht und den Menschen eingeredet, benachteiligt zu sein, wo es gar nicht der Fall ist. Das trägt zur Spaltung bei.

Frage: Was muss im Osten passieren?

Teuteberg: Wir müssen wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, die kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, zu existieren, zu wachsen und sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Vor allem in den tollen Universitätsstädten steckt noch viel Potenzial. Das Ziel muss sein, dass junge Menschen, die dort studieren, auch dort ihre Zukunft planen.

Frage: Wie kann man den Kohleregionen Perspektiven bieten?

Teuteberg: Manche Mitbewerber reden in Berlin und Potsdam anders über Energie und Klima als auf Wahlkampftour in der Lausitz. Aber die Menschen dort haben Ehrlichkeit verdient. Mit dem Umzug von ein paar Behörden ist der Strukturwandel nicht zu stemmen. Denn das ist keine neue Wertschöpfung, sondern das Ausgeben von Geld, das zuvor anderswo erwirtschaftet wurde. Es muss darum gehen, zukunftssichere Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen in die Region zu bringen - Zulieferbetriebe, Industrie. Und das muss parallel zum Kohleausstieg passieren.

Frage: Aber wie?

Teuteberg: Dazu müssen wir in die Infrastruktur, in Bildung und Hochschulen investieren. Aber am Ende zählen Menschen vor Ort, die etwas unternehmen und Risiken eingehen, um dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen, und nicht irgendwelche Strohfeuer aus Steuergeldern.

Frage: Wurden Sie durch die DDR geprägt?

Teuteberg: Sicher. In einer Diktatur bekommt man das politische System viel stärker zu spüren als in einem freiheitlichen Rechtsstaat, weil solche Regime auch ins Alltagsleben eingreifen. Ich habe schon als Kind gemerkt, dass man in der Schule besser nicht darüber redet, dass man zur Christenlehre geht. Mich ärgerte, dass wir nicht unsere Verwandten im Westen besuchen und wie sie reisen durften. Als die Mauer fiel, war ich zwar erst in der dritten Klasse. Aber ich habe das deshalb schon sehr bewusst erlebt. Und ich habe gelernt: Freiheit ist nicht selbstverständlich. Man muss etwas dafür tun.

Frage: Aktuell diskutiert das Land über höhere Steuern auf Fleisch. Was sagen Sie?

Teuteberg: Das ist unsozial und nicht sinnvoll. Für Familien und Menschen mit wenig Geld wäre es dann noch schwieriger, sich Fleisch gerade aus artgerechter Haltung zu leisten. Auch für den Klimaschutz wäre wenig gewonnen, da die Steuer beim Staat und nicht bei den Tierhaltern ankäme. Jedem Problem ein Verbot oder eine neue Steuer hinterherzuwerfen, ist Aktionismus und ein Eingeständnis von Hilflosigkeit.

Frage: Müssen wir die „schwarze Null“ für den Klimaschutz kippen, wie SPD-Politiker fordern?

Teuteberg: Das lehnen wir ab. Wir stehen für Nachhaltigkeit - ökologisch und finanziell. Dazu gehört, dass der Staat mit den Einnahmen auskommt, die erwirtschaftet werden. Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.

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