01.08.2019FDPFDP

THEURER-Gastbeitrag: Deutschland muss Wasserstoff-Land werden

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Effektiver Klimaschutz ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ob er gelingen kann, hängt wesentlich vom Einsatz modernster Technologie wie der Wasserstoff-Bremnstoffzelle und von E-Fuels im globalen Massenmarkt ab. Deutschland könnte hier global eine Vorreiterrolle einnehmen. Dies ist eine Chance für Wirtschaft, Wohlstand und Arbeitsplätze. Deutschland muss Wasserstoff-Land Nummer eins werden.

Dafür bräuchte es aber die Bündelung politischer Kräfte und vor allem aber eine Strategie.

Die sogenannte Große Koalition beweist immer wieder, dass man gleichzeitig „nicht regieren“ und „falsch regieren“ kann. Ein klassisches Beispiel ist das Thema Zukunftsmobilität. Hier läuft so ziemlich alles schief.

An vorderster Front: Ankündigungsminister Altmaier. Auf dem Papier zuständig für Wirtschaft und Energie, kündigt er immer wieder große Durchbrüche an, die dann ausbleiben. Immerhin hat er das Kabinett vom völlig falschen Weg beim Thema Antriebstechnik überzeugt. Für ihn muss es die Batterie sein, da stellt man auch mal eine Steuer-Milliarde als Subvention zur Verfügung.

Dass die deutsche Wirtschaft Schäden nimmt, scheint dem Wirtschaftsminister gleichgültig zu sein, die mindestens 100.000 Arbeitsplätze, die in der Folge gefährdet sind, auch. Er liefert weitere Widersprüche: während Peter Altmaier sonst für möglichst geschlossene Ressourcenkreisläufe wirbt und vor Abhängigkeiten von China warnt, nimmt er bei der Lithium-Ionen-Batterie genau das in Kauf: die Abhängigkeit bei strategischen Rohstoffen wie seltenen Erden oder Kobalt von wenigen Lieferländern wie China oder Kongo.

Dass die Batterie von der Herstellung bis zur Entsorgung alles andere als klima- und auch nicht umweltfreundlich ist: Wen kümmert das schon, solange es nur grün klingt? Dass wir bei Verbrennungsmotor und Brennstoffzelle Weltklasse sind, bei der Batterie aber nicht: Kümmert den Wirtschaftsminister nicht. Dass er als Energieminister weder die für CO2-neutralen Strom notwendigen Netze besorgen kann, noch die Speicherkapazität, noch Versorgungssicherheit: Völlig Wurst. Schlüssiges Konzept? Fehlanzeige.

Immerhin eine im Kabinett profitiert davon: Forschungsministerin Karliczek konnte in einem völlig intransparenten Verfahren offenbar gegen den Expertenrat 500 Millionen Euro in ihren Wahlkreis und angrenzende Regionen umleiten. Kaum ein Aufschrei, also kein Problem für die Union.

Woher er diese verkorksten Ideen hat, kann ich mir gut vorstellen. Der grüne Fraktionschef Anton Hofreiter leiert die Ablehnung von Technologieoffenheit hoch und runter. Angeblich zu teuer. Angeblich könnten wir uns nur eine Technologie, die Batterie betriebene Elektromobilität leisten. Ich sage: Es ist zu teuer, nicht auf Technologieoffenheit zu setzen! Den Verzicht auf Technologieoffenheit können wir uns nicht leisten. Dieser Irrweg der Glaskugelpolitiker führt uns noch an den Abgrund!
Meine These: Mit Offenheit für Wasserstoff könnte vieles besser funktionieren. Diese These ist bei näherem Betrachten zumindest so plausibel, dass ein Ende der Diskriminierung schnell mehrheitsfähig werden könnte.

Wasserstoff hat einen großen Nachteil und viele Vorteile.

Der Nachteil: Die Herstellung des Wasserstoffs ist nicht energieeffizient – und wenn man daraus sogenannte E-Fuels, also erneuerbares Benzin, Diesel oder Kerosin herstellt, ist das noch weniger energieeffizient. Die Vorteile: Er bietet viel mehr Reichweite als Batterien, weshalb er sich auch für LKW, Züge ohne Oberleitung und Busse eignet. Das aus ihm hergestellte Kerosin kann als sogenanntes E-Fuel Flugzeuge CO2-neutral machen, da bei der Herstellung gleich viel CO2 aus der Luft entfernt wird wie hinterher hineinkommt. Brennstoffzellenautos sind schon ab 250 Kilometer Reichweite über ihre Lebensdauer klimaschonender als Batterieautos. Arbeitsplätze bleiben erhalten, da bei der Herstellung von Brennstoffzellen statt überproportional für Rohstoffe, für die Meisterung der Komplexität bezahlt wird. Die sinnlosen Abschaltungen von Anlagen erneuerbarer Energien bei Überschussstrom können beendet werden. Wasserstoff ist leicht lager- und transportierbar.

Aufgrund dieser Vorteile sollte sich die Bundesregierung zumindest einmal dafür öffnen. Wie könnte eine solche Öffnung aussehen?

Zunächst muss die Diskriminierung von selbst genutzten erneuerbaren Energien aufhören. Wer erneuerbare Energien statt für das Stromnetz für die Herstellung von Wasserstoff verwendet, bekommt bisher keine EEG-Umlage, muss sie aber bezahlen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist längst ein Erneuerbare-Energien-Verhinderungsgesetz geworden. Am besten wäre ein Auslaufen, zumindest muss unbedingt die Diskriminierung enden, denn sie ist ein unvorstellbarer Kostentreiber.

Auf europäischer Ebene muss die Diskriminierung von E-Fuels, etwa bei der Berechnung des Flottenverbrauchs, beendet werden: Wenn ein Diesel CO2-neutral betrieben wird hat er auch als CO2-neutral betrieben zu gelten. Generell sollten Ökobilanzen die gesamte Erzeugungs- und Nutzungsphase sowie alle Umweltwirkungen berücksichtigen. Wenn CO2 bepreist wird, muss außerdem die Entfernung von CO2 aus der Luft entgolten werden.

Aus meiner Sicht wäre sogar eine europäische Initiative zur Herstellung von Wasserstoff und E-Fuels, insbesondere in Regionen mit hoher Eignung, wünschenswert. Denken wir nur mal an die Möglichkeiten der Freiflächen-Photovoltaik in Südeuropa oder sogar Nordafrika. Dort könnten wir in signifikanten Mengen gut speicherbaren grünen Wasserstoff erzeugen. Eine ganze Wasserstoffwirtschaft könnte hier entstehen und tausende Arbeitsplätze mit ihr.

Hier ließe sich Klimaschutz und Stabilisierung der Euro-Südstaaten und über die Sektorkopplung auch die Stabilisierung unseres Stromnetzes miteinander kombinieren – eine Win-Win-Win-Situation. Das Know-how und die Wirtschaftskraft sind da; die Technologie steht in den Startlöchern – jetzt warten alle darauf, dass die Bundesregierung endlich den Weg in eine technologieoffene Zukunft frei macht.

 

 

 

 

 

 

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