10.11.2017FDP

THEURER-Interview: Steuer-Schlupflöcher müssen geschlossen werden

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab dem "NDR" das folgende Interview. Die Fragen stellte Liane Koßmann:

Frage: Herr Theurer, was halten Sie denn von der Äußerung Ihres Parteikollegen Kubicki (zu den Paradise Papers), hat er Recht?

Theurer: Wolfgang Kubicki hat ja gestern nochmals präzisiert und klargestellt, dass wir Freien Demokraten für eine Vereinheitlichung der Körperschaftsteuerbasis in Europa sind. Ich kann nur sagen: Ich war der erste Abgeordnete im Europäischen Parlament, der die vollständige Aufklärung der LuxLeaks-Affäre damals gefordert hat. Wir hatten hierzu zwei Sonderausschüsse und meine beiden Sonderberichte sind mit breitester Mehrheit im Europäischen Parlament verabschiedet worden.
Ganz klare Position der Freien Demokraten: Wir wollen Steuerwettbewerb, aber er muss fair sein. Wir haben hier Steuerschlupflöcher, die nach unserer Meinung dringend geschlossen werden müssen.

Frage: Jetzt ist ja Ihre Partei möglicherweise bald an der Regierung beteiligt, wenn es zu einem Jamaika-Bündnis kommt. Und die FDP liebäugelt ja auch mit dem Posten des Finanzministers. Was würden Sie denn tun, um da Druck zu machen; um diese Steuerschlupflöcher zu schließen?

Theurer: In der Tat spielen die Paradise Papers eine Rolle in den Sondierungsgesprächen. Wir haben zum Beispiel von dem geschäftsführenden Finanzminister [Auskunft darüber] erbeten, wie groß denn die Steuerausfälle sind durch diese aggressive Steuervermeidung. Einige Experten sprechen ja davon, dass Deutschland alleine 17 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch windige Konstruktionen der Konzerne verliere.
Wenn wir uns überlegen, unsere Forderung der FDP, eine maßvolle Entlastung der arbeitenden Mitte bei der Einkommenssteuer zu erreichen - die ist jetzt in Frage gestellt weil eben nicht genug Geld in der Kasse sein soll, - also wenn es gelingt, durch veränderte Gesetze die Steuerschlupflöcher zu schließen, dann ist auch Geld da für eine Steuerentlastung. Und unsere Vorschläge konzentrieren sich darauf, dass die Mitgliedsstaaten, die für die Steuerpolitik zuständig sind, endlich in der gesamten Europäischen Union eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftssteuerbasis schaffen, damit die Manipulation der Bemessungsgrundlage beendet wird.
Worüber auch gesprochen werden muss, sind die sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen - denn die führen heute dazu, dass häufig doppelt nicht besteuert wird und am Ende einige es schaffen ihren Steuersatz gegen Null zu senken. Das finden wir nicht in Ordnung.

Frage: Ich hab's gesagt, Sie sind sehr lange im Europaparlament gesessen und auch da heißt es ja jetzt nach der Veröffentlichung der Paradise Papers, dass man da ja dran sei am Thema, dass es aber schwierig sei, weil einige Länder ja ganz gut fahren mit den zwielichtigen Konstrukten - warum ist das so schwierig, dagegen vorzugehen? Warum ist das so schwierig, eine gemeinsame Position da zu finden in Europa? Wer blockiert da besonders auf europäischer Ebene?

Theurer: Also erstmal ist Steuerpolitik nicht vergemeinschaftet. Das heißt, (heute noch 28) Mitgliedsstaaten müssen alle zu solchen Gesetzesveränderungen "ja" sagen und da gibt es immer einige, die sich da zieren oder ganz dagegen sind; immer schwierig war Großbritannien. Es gibt auch Hinweise darauf, dass diejenigen, die für den Brexit gearbeitet haben, wie Nigel Farage, der ja selbst einen Finanzindustrie-Hintergrund hat, auch von einer dieser Steueroasen - Isle of Man - kommt, dass die ein Interesse daran hatten, dass Großbritannien austritt, um sich nicht den gemeinsamen neuen Regeln zu unterwerfen.
Aber es ist jetzt auch schon einiges gemacht worden. Die liberale Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager beispielsweise ist ja eingestiegen und sagte: "Es kann nicht sein, dass der Mittelständler seine Steuern bezahlt, aber internationale Konzerne nicht." Und deshalb muss ja Irland 13 Milliarden Euro von Apple zurückfordern, die zu wenig bezahlt wurden. Ich finde es richtig, dass die liberale Wettbewerbskommissarin hier auch mal den Konzernen die Stirn geboten hat, und genau diesen Weg müssen wir weiter gehen. Aber die gemeinsame Gesetzesgrundlage fehlt halt. Auch Länder wie Niederlande, Luxemburg und Malta waren in der Vergangenheit hier eher im Bremserhäuschen.

Frage: Sie haben auch Großbritannien ja eben schon erwähnt, in den Paradise Papers tauchen ja gerade die Isle of Man auf, die Kanalinseln - und bisher standen die ja unter dem Schutz Großbritanniens und mussten deshalb nicht mit Sanktionen rechnen. Was denken Sie denn, wird sich das nach dem Brexit ändern oder wird Großbritannien möglicherweise sogar das neue Steuerparadies?

Theurer: Das ist die große Befürchtung, dass nun ganz Großbritannien solche Steuerkonstruktionen installieren oder dulden könnte, die dann dazu führen, dass die Schlupflöcher eben nicht geschlossen werden. Und in der Tat, die Jurisdiktionen, die Sie gerade genannt haben, die tauchen regelmäßig in den Enthüllungen auf. Die Paradise Papers zeigen zum Beispiel, dass Apple jetzt in Jersey und in der Isle of Man und in anderen dieser Steueroasen Gesellschaften gegründet hat, um eben den Aktivitäten der EU-Kommission auszuweichen und die Steuerlast zu verschieben. Und gerade auch US-amerikanische Konzerne, hat man den Eindruck, bunkern praktisch steuerfreien Cashflow in diesen Oasen, um eben damit eine Marktgewinnungsstrategie zu finanzieren. Und genau das ist nicht in Ordnung, denn die anderen Wettbewerber, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen hier in Europa und in Deutschland, die können solche Steuerkonstruktionen nicht nutzen und kommen in einen Nachteil. Das muss geändert werden.

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