FDPNach der Bundestagswahl

Unions-Kompromiss ist Grundlage für Jamaika-Gespräche

ReichstagUnions-Kompromiss ist erste Basis für Jamaika-Gespräche
16.10.2017

CDU und CSU haben sich auf einen Kompromiss in ihrem seit 2015 tobenden Streit über die Flüchtlingspolitik verständigt. FDP-Chef Christian Lindner begrüßt, dass die Union jetzt offenbar gesprächsfähig ist und die Sondierungen in der kommenden Woche beginnen können. Dass die Unionsparteien "überhaupt wieder miteinander sprechen", sei schon mal die "erste Basis" und die Voraussetzung, überhaupt in Gespräche über eine Jamaika-Koalition gehen zu können, sagte FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann im ZDF-Morgenmagazin. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sieht in dem Kompromiss der Union allerdings nur einen "ersten Schritt". Die FDP geht weiter und fordert ein Einwanderungsgesetz.

Nicola Beer

Es sei wichtig, dass eines der größten unionsinternen Hindernisse für Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition damit offenbar aus dem Weg geräumt sei, sieht Beer den Unions-Kompromiss zur Migration als gute Grundlage für Sondierungsgespräche. Für Deutschland sei es ein gutes Signal, dass die Sondierungsgespräche nun endlich beginnen könnten. Nicht zuletzt dadurch würde es Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Die Freien Demokraten aber würden weiter gehen. "Wir sind der festen Überzeugung, dass Deutschland ein Einwanderungsrecht braucht." So müsse klar zwischen Flüchtlingen und Migranten aus wirtschaftlichen Gründen unterschieden werden. Gleichzeitig müsse Deutschland gezielt Fachkräfte anlocken. Nötig sei ein Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas.

Die Union sei mit dem Kompromiss, in dem nicht mehr von einer Obergrenze die Rede sei, zu einem Realitätsbezug zurückgekehrt. Eine Obergrenze für Asylanten sei "mit der FDP nicht zu machen", betonte sie. Die Zahl von bis zu 200.000 Flüchtlingen, die Deutschland laut Unions-Kompromiss pro Jahr maximal aufnehmen soll, wirke auf sie willkürlich, sagte Beer.

Wir werden uns auf ein Einwanderungsgesetz verständigen müssen

FDP-Vize Wolfgang Kubicki räumte dem Konzept der Union nur eine "kurze Halbwertzeit" ein. Er will sich bei den anstehenden Sondierungsgesprächen für die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes einsetzen. Das sei der Schlüssel, um die Zuwanderung nach Deutschland vernünftig zu regeln, sagte Kubicki im Deutschlandfunk. Diese Position hätten auch die Grünen. Zahlen, wie die Unionsparteien sie jetzt mit ihrem Kompromiss präsentiert hätten, spielten da keine große Rolle. Bemerkenswert sei jedoch, dass es der CDU gelungen sei, die CSU in Richtung eines solchen Einwanderungsgesetzes zu bewegen. Entscheidend sei auch, dass man nun endlich in die Gespräche zur Regierungsbildung gehen könne. Dabei müsse man eine Lösung finden, mit der alle vier Parteien leben könnten. Die Einigung von CDU und CSU werde nicht die Grundlage für eine gemeinsame Regierungsarbeit sein.

Auch Strack-Zimmermann äußerte sich kritisch über die von der Union verabredeten Zahl. "Eine Zahl ist einfach gegriffen worden", sagte die FDP-Vizechefin. "Wir werden uns, was das Asylrecht betrifft, immer auf dem Boden des  Rechtsstates bewegen. Wer hier Asyl beantragt, hat das Recht  darauf", will sie keine Abstriche machen. Die FDP werde sich auch "immer weiter um Flüchtlinge, die vor Krieg und Terror davonrennen" kümmern. Diese müssten, wenn wieder Frieden herrsche, aber auch wieder "nach Hause" begleitet werden, wirbt sie für das Flüchtlings- und Zuwanderungskonzept der Freien Demokraten. Strack-Zimmermann begrüßt aber zugleich, dass die Unionsparteien sich zu einem Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte bereit erklärten: "Es ist schon mal eine gute Nachricht, dass die Union offensichtlich erkannt hat, dass wir nicht nur seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland sind, sondern das endlich mal sortieren müssen."

Lindner: Wir wollen Trendwenden erreichen

FDP-Chef Christian Lindner sagte der Passauer Neuen Presse: "Der Kompromiss der Union ist noch nicht die strategische Zuwanderungspolitik, die wir für erforderlich halten." Er sei nur ein Signal, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich bewege. Deutschland benötige ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, um Fachkräfte anzuziehen. Gleichzeitig betonte er: "Die Einwanderungspolitik ist nicht das einzige Themenfeld, wo die Partner unterschiedliche Vorstellungen haben", erinnert er daran, dass CDU, SPD und Grüne vier Jahre kaum unterscheidbar waren. "In diesen Mainstream ordnen wir uns nicht ein", verweist er auf die Trendwenden, die die FDP erreichen will.

Die FDP fordert schon seit geraumer Teit ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, in dem nach einem Punktesystem entschieden wird, wer ins Land kommt. Denn: "Wir brauchen Fachkräfte. Aber wir brauchen nicht nur im Handwerk Fachkräfte. Wir brauchen dringend Menschen bei der Pflege, in den Kliniken. Es gibt so viele Ebenen, wo wir wirklich Unterstützung brauchen. Und wenn wir diesen Wohlstand und diese Sicherheit in Deutschland weiter aufrechterhalten wollen, brauchen wir Menschen, die hier einreisen." Auch Flüchtlinge könnten sich "natürlich bewerben, sofern sie die Sprache gelernt haben und bereit sind, sich zu integrieren", erläutert Strack-Zimmermann.

Erst einmal auf unterschiedliche Konzepte einlassen

Mit Blick auf Äußerungen aus den Reihen der Grünen, reagierte Beer mit Unverständnis: "Wir können nicht nachvollziehen, dass es jetzt schon Äußerungen von den Grünen gibt, die vieles in Bausch und Bogen verdammen." Sie müssten sich fragen lassen, ob sie bereit seien, "die Realität zur Kenntnis zu nehmen". Es gehe darum, sich für Sondierungen erst einmal auf unterschiedliche Konzepte einzulassen, forderte Beer. Die Freien Demokraten würden abgesehen von der Migrationspolitik ein Aufbruchsprojekt organisieren.

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