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Vorratsdatenspeicherung ist Verfassungsbruch übelster Sorte

Wolfgang KubickiFDP-Vize Wolfgang Kubicki will gegen das Gesetz - so es umgesetzt wird - klagen.
16.04.2015

Die schwarz-rote Regierung versucht mal wieder, mit fadenscheinigen Argumenten die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière legten am Mittwoch in Berlin ihren Vorschlag für eine Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung vor. Für die Liberalen ist die Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig und unnötig. "Heute ist ein schwarzer Tag für die Freiheit in Deutschland", sagte FDP-Chef Christian Lindner. FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki kündigte an: "Ich werde in meiner Funktion als Anwalt und als Abgeordneter – sollten die großkoalitionären Pläne umgesetzt werden – gegen dieses Gesetz klagen. Wir dürfen uns rechtsstaatliche Mindeststandards nicht abkaufen lassen.“

Union und SPD können es nicht lassen: Schon das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist 2010 vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Beschlossen wurde es 2007 von der großen Koalition aus Union und SPD. Federführend war damals Justizministerin Brigitte Zypries, eine Sozialdemokratin. Jetzt liegt der nächste Plan für eine Wiedereinführung des Überwachungsinstruments vor - dieses Mal vom Sozialdemokraten Heiko Maas, unterstützt durch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel.

FDP-Chef Christian Lindner findet es besonders ignorant, wie Union und SPD versuchen, die Entscheidungen höchster Gerichte bei Seite zu wischen. Gegenüber der dpa betonte er: "Durch das Umfallen der SPD, die sich widerstandslos den Überwachungspolitikern der Union ergeben hat, ist heute auch endgültig Sigmar Gabriels Seifenblase geplatzt, seine Partei könnte stärker auch liberale Werte vertreten."

FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki konstatiert: "Bei der Vorratsdatenspeicherung haben die Sozialdemokraten nach 2007 nun ein zweites Mal bewiesen, dass der Kotau vor der Union zum festen Bestandteil ihrer Bürgerrechtspolitik gehört. Dass dieses verfassungswidrige Instrument auch dem erklärten VDS-Gegner, Bundesjustizminister Heiko Maas, plötzlich rechtssicher erscheint, ist fachpolitisch reichlich armselig."

Vorschlag zur #VDS Rechtsstaatskosmetik statt Grundrechtschutz https://t.co/dITxdqlyT8 pic.twitter.com/W7rhxv4uS0

— DigitaleGesellschaft (@digiges) 15. April 2015

Verfassungsbruch der übelsten Sorte

Für Kubicki ist es Fakt, dass die anlasslose und massenhafte Datenspeicherung auch mit dem jetzt von Union und SPD ausgehandelten Kompromiss ein „Verfassungsbruch der übelsten Sorte“ ist. „Wer glaubt, es gäbe schlüssige und vernünftige Gründe, in die Privatsphäre von 82 Millionen unbescholtenen Bundesbürgern einzugreifen, der stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht und hebelt die Unschuldsvermutung rücksichtslos aus“, prangert der Jurist an.

Er erinnert: „Die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofes, dass Berufsgeheimnisträger grundsätzlich nicht von der Datensammlung erfasst werden dürfen, ist eindeutig.“ Er werde daher in seiner Funktion als Anwalt und als Abgeordneter gegen dieses Gesetz klagen.

Christian Lindner ergänzte gegenüber der dpa: "Mit der neuen Vorratsdatenspeicherung sollen nun alle Bürger von der Regierung als im Prinzip verdächtig abgestempelt werden. Wer sich aber dauerhaft bespitzelt fühlt, der wird langsam sein Verhalten ändern. Die große Koalition macht die Bürger durch solche Politik klein. Der Charakter des Rechtsstaats wird verkehrt, denn er sollte Bürgerrechte wie die Privatsphäre verteidigen und nicht gefährden. Dagegen wenden wir uns als Freie Demokraten notfalls auch wieder in Karlsruhe."

Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kündigte an, gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ein solcher Schritt sei unausweichlich, unterstrich Baum im "NDR"-Interview. Die gesamte Bevölkerung werde "ohne einen Anlass in eine Speicherung hineingezogen", kritisierte er. "Und das ist verfassungsrechtlich zumindest nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht möglich." Während andere Staaten wie die Niederlande die Vorratsdatenspeicherung inzwischen aufgegeben hätten, mache Deutschland nun einen Alleingang, der "höchst problematisch" sei – für Baum ein unverständlicher Schritt.

Gerhart Baum früherer Innnenminister @fdp will gegen #Vorratsdatenspeicherung der #GroKo klagen. Das Interview hier: http://t.co/q5QeILDF1B

— NDR Info (@NDRinfo) 16. April 2015

Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt ein Überwachungsmonster

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Bundesjustizministerin a. D., kritisiert die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung durch die Bundesregierung scharf: "Die Bundesregierung verschachert die Privatsphäre der Bürger aus Populismus, anstatt endlich in Europa für wirksamen Datenschutz zu sorgen. Die NSA ist der lachende Dritte. Die Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt ein Überwachungsmonster. Die Einigung ist kaum mehr als Augenwischerei."

FDP-Präsidiumsmitglied und -Rechtsexperte Volker Wissing bekräftigte gegenüber dem "Wiesbadener Tagblatt", warum die Vorratsdatenspeicherung für die FDP aus rechtlicher Sicht unakzeptabel bleibt: "Im Grundgesetz steht, dass der Bürger eine Rechtswege-Garantie hat. Aber bei der Vorratsdatenspeicherung haben Sie als Bürger überhaupt keine Chance, sich zu wehren, weil Sie erst mal nichts erfahren."

Zur Erinnerung: #VDS lehne ich entschieden ab - verstößt gg Recht auf Privatheit u Datenschutz. Kein deutsches Gesetz! #Maas in #SZ

— Thorsten Jungholt (@AutorToto) 15. April 2015

Hintergrund

Die Bundesregierung plant nun einen deutschen Alleingang für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten. Anlass dafür sind nicht nur die jüngsten Terrorwarnungen in Deutschland, sondern auch die Erwartung, dass es mittelfristig keine EU-weite Regelung geben wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die EU-weiten Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung im April 2014 gekippt, weil sie gegen die Grundrechte verstoßen. Die Speicherung der Telefon- und Internetdaten und der Zugriff darauf ohne das Wissen der Betroffenen sei dazu geeignet, ein Gefühl der ständigen Überwachung des Privatlebens hervorzurufen, begründeten die Richter damals ihre Entscheidung.

 

Leider wahr...(TL)

Posted by Christian Lindner on Samstag, 11. April 2015

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