FDPFremde Federn

Zurück in die Zukunft

ZeitungsstapelLudwig-Georg Braun und Jürgen Hambrecht werben für einen Politikwechsel
25.05.2016

Trotz Rekordsteuereinnahmen und extremen Niedrigzinsen werden die Ausgaben ausgeweitet, als ob es kein Morgen gäbe. Abbau von Verbindlichkeiten? Fehlanzeige. Vorsorge für eine Zukunft, die durch Digitalisierung, Globalisierung und demographischen Wandel die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellen wird? Fehlanzeige. Ludwig-Georg Braun und Jürgen Hambrecht brechen in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" eine Lanze für die Zukunft - und für "Ideen, Mut und liberale Politik". Sie sind sich sicher: "Mit einem Politikwechsel können und müssen wir diese Dinge zum Besseren wenden."

Die beiden, die sich im Wirtschaftsforum der Freien Demokraten für die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft engagieren, zerpflücken in allen Bereichen die Politik der aktuellen Regierung und legen die Alternativen dar. Ihr Wunsch:  Die Regierung müsse den Mut zur Gestaltung der Zukunft zurückgewinnen. "Es ist an der Zeit, das moralisch Wünschenswerte mit dem Machbaren und langfristig Notwendigen abzugleichen. Wir müssen uns darauf besinnen, was uns in der Vergangenheit stark gemacht hat und daraus die richtigen Schritte ableiten."

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag

Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik erinnert zunehmend an die Truthahn- Metapher des berühmten Mathematikers und Philosophen Bertrand Russell: Weil der Vogel über Monate jeden Morgen von seinem Bauern gefüttert wird, glaubt er irgendwann, es gehe immer so weiter. Mit jeder Fütterung wächst seine Zuversicht, da er sich allein auf seine bisherigen Erfahrungen stützt. Doch dann naht Weihnachten, und am Morgen hält der Bauer nicht den Futtereimer, sondern das Schlachtermesser in der Hand.

Zugegeben, ein drastischer Vergleich, aber die große Koalition verhält sich ähnlich. Trotz Rekordsteuereinnahmen und extremen Niedrigzinsen werden die Ausgaben ausgeweitet, als ob es kein Morgen gäbe. Abbau von Verbindlichkeiten? Fehlanzeige. Vorsorge für eine Zukunft, die durch Digitalisierung, Globalisierung und demographischen Wandel die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellen wird? Fehlanzeige. Stattdessen werden Belastungen aufgetürmt, als wenn die derzeitige Rekordbeschäftigung gottgegeben wäre. Das könnte sich in der nächsten Krise als genauso falsch erweisen wie das naive Vertrauen des Truthahns.

Regieren, nicht nur reagieren

Gewiss, es sind keine leichten Zeiten: Euro-Schuldenkrise, Flächenbrand im Nahen Osten, jetzt die Flüchtlingskrise. Die Politik agiert im Krisenmodus. Aber sie darf sich trotzdem nicht darauf beschränken. Sie muss regieren, nicht nur reagieren. Sie muss den Mut zur Gestaltung der Zukunft zurückgewinnen. Es ist an der Zeit, das moralisch Wünschenswerte mit dem Machbaren und langfristig Notwendigen abzugleichen. Wir müssen uns darauf besinnen, was uns in der Vergangenheit stark gemacht hat und daraus die richtigen Schritte ableiten.

Was bedeutet das für unser Land? Für die Wissensgesellschaft braucht Deutschland das beste Bildungssystem der Welt. Doch statt eine überfällige Bildungsreform auf den Weg zu bringen, die frühkindliche Bildung und Modelle der dualen Ausbildung stärkt, gleiten wir ins Mittelmaß ab. Wir investieren weniger in Bildung als viele Nachbarländer.

Die größten Innovationssprünge finden durch Aus- und Neugründungen von Unternehmen statt. Aber in kaum einem anderen hochentwickelten Land werden neue Technologien und Gründungen so durch Risikoaversion, Angst vor Veränderung und Bürokratie behindert wie hier. Deshalb haben wir zwar viele Weltmarktführer in traditionellen Industrien, auf die wir stolz sein können, aber viel zu wenige in wichtigen Zukunftsbranchen.

Mit Politikwechsel können wir diese Dinge zum Besseren wenden

Die Basis moderner Volkswirtschaften ist eine leistungsfähige Infrastruktur, trotzdem mangelt es uns an der Bereitschaft, das Geld dafür bereitzustellen. Unsere Ausgaben reichen noch nicht einmal für den Erhalt bestehender Verkehrs- und Energieinfrastruktur aus, geschweige denn für die digitale Infrastruktur. Dabei ist die Digitalisierung ein Megatrend, der zu rasanten Veränderungen führt, während wir Gefahr laufen, abgehängt zu werden, weil die Datenübertragungsgeschwindigkeit die digitale Wirtschaft und Gesellschaft ausbremst. Doch Veränderung beginnt zuerst in den Köpfen. Wie leichtfertig wird bei uns die Chance eines selbstbestimmteren Lebens durch die digitalisierte Arbeitswelt dem Klein-Klein weiterer Regelungen etwa über dienstliche E-Mails nach Büroschluss geopfert?

Deutschland ist ein Einwanderungsland, aber es mangelt an einer Strategie, welche die Anforderungen des Arbeitsmarktes in den Mittelpunkt stellt. Viele unserer mittelständischen Weltmarktführer befinden sich im ländlichen Raum, gerade hier führen Urbanisierung und Entvölkerung zu einem sich verschärfenden Fachkräftemangel.

Das sind Entwicklungen, die sich abzeichnen oder schon beobachtbar sind. Aber es ist kein Schicksal, das man stumm und tatenlos ertragen muss. Mit einem Politikwechsel können und müssen wir diese Dinge zum Besseren wenden.

Deutschland ist ein starkes Land.

Was ist zu tun? Deutschland braucht Rahmenbedingungen, die auf die Zukunft ausgerichtet sind. Das bedeutet erstens, den Markt in der Sozialen Marktwirtschaft wieder zu stärken und staatliche Eingriffe wie das Erneuerbare-Energien- Gesetz, verzerrende Subventionen oder Hemmnisse in der Arbeitsmarktpolitik zurückzudrängen. Stattdessen brauchen Arbeitsmarkt und Wirtschaft mehr Flexibilität und Liberalität. Ein vereinfachtes Steuersystem und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bergen Potentiale, die Deutschland heben muss. Zweitens müssen wir mit Milliardeninvestitionen die Weichen für Unternehmensgründungen, Forschung, Bildung und Infrastruktur - sei es für Daten oder Verkehr - auf Zukunft stellen. Auf diesen Gebieten müssen die Prioritäten der öffentlichen Ausgaben liegen. Weil sich diese Investitionen oft erst nach Jahren auszahlen, ist es so wichtig, schon jetzt damit anzufangen.

Deutschland ist ein starkes Land. Es hat Menschen, die jeden Tag viel leisten und bereit sind, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Ihnen - aber vor allem sich selbst - sollte die Politik mehr zutrauen. Dafür bedarf es Ideen, Mut und liberaler Politik.

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