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Zusammenarbeit mit Tsipras hängt von Neuwahlen ab

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff sieht die innenpolitischen Entwicklungen in Griechenland skeptisch
24.08.2015

Im griechischen Finanz-Epos beginnt ein neuer Akt: Allerdings bezweifelt Alexander Graf Lambsdorff, dass die angekündigten Neuwahlen ein Ende der Schuldenkrise herbeiführen werden. Athen werde auch in drei Jahren nicht auf eigenen Füßen stehen, sagte der Vizepräsident des EU-Parlaments dem "Deutschlandfunk". Dann werde ein viertes Hilfspaket nötig. Es wäre deswegen besser gewesen, auf ein drittes Hilfspaket zu verzichten und einen neuen Weg einzuschlagen.

Der Freidemokrat verdeutlichte außerdem, dass das dritte Hilfspaket rechtswidrig sei. "Die Eurozone als Ganzes war nicht in Gefahr", hob Lambsdorff hervor. Er ist überzeugt: Griechenland werde im Euro seine Wettbewerbsfähigkeit nicht wiederherstellen können. Die FDP fordert deswegen einen zeitweisen Austritt des Landes aus der Eurozone mit Verbleib in der EU, begleitet von einem Schuldenschnitt und Strukturhilfen.

Lambsdorff attestierte dem nun technisch zurückgetretenen Regierungschef Alexis Tsipras einen radikalen Wandlungsprozess. Tsipras sei als Linksextremist gewählt worden, "der massiv gegen die Sparauflagen angetreten ist", erinnerte er. Als Ministerpräsident habe der Syriza-Chef allerdings das Sparprogramm unter Aufsicht der Troika umsetzen müssen – eine Art "Tsipras 2.0", stellte Lambsdorff fest. Die weitere Zusammenarbeit mit Tsipras werde vom Ergebnis der Neuwahlen sowie von der Weiterentwicklung der Syriza-Partei und ihren Splittergruppen abhängen.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Graf Lambsdorff, rechnen Sie nach Tsipras eins mit Tsipras zwei?

Herr Heinemann, ich finde, wir haben schon Tsipras zwei. Der Tsipras eins, der mal gewählt worden ist, war ein Linksextremist, der massiv gegen die Sparauflagen angetreten ist, der den Griechinnen und Griechen erklärt hat, man lehne ab, was aus Brüssel da kommt. Und heute haben wir Tsipras zwei, einen Ministerpräsidenten, der dem Volk erklärt, es habe nicht mehr herausgeholt werden können, aber die Politik, das Programm unter Aufsicht der Troika muss jetzt umgesetzt werden. Also wir haben sozusagen bereits Tsipras 2.0.

Wird ein Tsipras 2.0, 3.0, oder wie auch immer es dann nach der Wahl ist, vielleicht ein bisschen pflegeleichter sein im Umgang als der ursprüngliche?

Das wird sehr stark vom Wahlergebnis abhängen. Aber das wird auch davon abhängen, wie seine eigene Partei sich aufstellt jetzt im Vorfeld dieser Wahl. Die in der Syriza noch einmal linksextremeren Kräfte um Lafazanis sind ja offensichtlich dabei, sich separat zu organisieren, selbst in die Wahl zu gehen, zusammen mit den sehr starken Kommunisten. In Griechenland haben wir also ein linksextremes Lager, bei dem mir, ehrlich gesagt, nicht klar ist, wie viel Unterstützung der traditionellen Syriza-Wähler es haben wird, ob das tatsächlich Tsipras Stimmen wegnehmen wird in einem signifikanten Ausmaß. Wir haben auf der anderen Seite die neue Demokratie, die Konservativen, die ja im Prinzip seit Längerem schon für die Umsetzung des Programms plädieren, und wir sehen dann in den Augen des griechischen Wählers eine große Ähnlichkeit in der Mitte des politischen Spektrums, wo jetzt Syriza hingerückt ist mit Tsipras zwei, und Nea Dimokratia. Das kann dazu führen, dass die Extreme gestärkt werden, und dann, in dem Fall haben wir keinen pflegeleichteren Ministerpräsidenten Tsipras, so er denn wiedergewählt wird, sondern einen, der von rechts und von links stark unter Druck steht.

Das Hilfspaket ist rechtswidrig

Rechnen Sie dann in absehbarer Zeit mit einem Hilfspaket Nummer vier?

Das ist Position der FDP. Wir haben gesagt, dass dieses Hilfspaket jetzt rechtswidrig ist. Die Eurozone als Ganzes war nicht in Gefahr. Und ich glaube auch, dass die Reformpolitik Griechenlands nicht in drei Jahren dazu führen kann, dass das Land bereits wieder auf eigenen Füßen steht. Insofern: Die Prognose der FDP ist, dass es ein viertes Hilfspaket geben muss, sofern man nicht bereit ist, andere Wege zu gehen, also mit anderen Worten, dem Land zu erlauben, aus der Eurozone auszuscheiden, abzuwerten und so die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.

Und wenn es so käme, wäre das dann die große Chance einer griechenlandskeptischen FDP, wieder politisch Fuß fassen zu können?

Nein. Ich glaube, unsere Chance liegt einfach darin, dass wir als Liberale deutlich machen, wofür wir stehen. Griechenland ist eines der wichtigen Themen, aber Sie wissen, genau wie die Hörerinnen und Hörer, dass wir natürlich auch in der Flüchtlingspolitik, bei den Bürgerrechten, in der Frage der marktwirtschaftlichen Reformen in Deutschland mit unserer liberalen Stimme gehört werden wollen. Ich glaube aber, dass die marktwirtschaftliche Position im Falle Griechenlands jetzt eine sein muss, die das beschreibt, was ich gerade erklärt habe, nämlich Griechenland wird im Euro seine Wettbewerbsfähigkeit nicht wiederherstellen können. Es wäre deswegen besser gewesen, jetzt auf ein drittes Hilfspaket zu verzichten, nicht noch einmal 86 Milliarden nach Athen zu schicken, sondern einen neuen Weg zu gehen.

Die gemeinsame Währung ist eine Errungenschaft

Die künftige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat den Euro jetzt offen in Frage gestellt. Es zeige sich insbesondere an Griechenland, dass der Euro immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeuge. Das hat sie der Tageszeitung „Die Welt“ gesagt. Darum beginnt bei der Linken jetzt zurecht eine Debatte über diese Währung, die auch langsam Demokratie abschaffe. In der Linksfraktion oder Partei soll darüber debattiert werden. Ist diese Debatte überfällig jetzt?

Nein, das glaube ich nicht. Frau Wagenknecht hat wirtschaftspolitische Ansichten, das sind absolute Randpositionen. Ich glaube, es gibt keinen verantwortlichen Politiker in irgendeiner der anderen relevanten Parteien in Deutschland, der allen Ernstes vorschlagen würde, den Euro abzuschaffen. Das ist eine sektiererische Diskussion, die da die Frau Wagenknecht mit ihrer kommunistischen Plattform und ihrer Linksfraktion betreiben kann. Aber für Union, SPD, Grüne und Liberale ist vollkommen klar: Der Euro nützt Deutschland. Alle unsere Wirtschaftsverbände sagen das. Fragen Sie mal die Unternehmen, ob die wieder Wechselkursrisiken haben wollen für ihre Exporte in die Eurozone. Da kommt ein ganz klares Nein. Man will beim Euro bleiben. Wir wollen beim Euro bleiben. Das ist gut für Deutschland und das macht auch Sinn. Das heißt nicht, dass es nicht Probleme geben kann in der Eurozone. Das sehen wir mit Griechenland. Aber dass man deswegen hingeht und den Euro abschaffen würde, das ist in meinen Augen völlig hanebüchen.

Sahra Wagenknecht argumentiert ja anders als die FDP nicht aus der Sicht der Wirtschaft. Sie sagt, wenn in Zukunft die Haushalts- oder sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztendlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben. – Wo sie recht hat, hat sie recht!

Nein, Herr Heinemann. Da hat sie natürlich nicht recht. Niemand in Brüssel denkt daran, dass die Lohnpolitik aus Brüssel von Technokraten festgelegt werden sollte.

Die Haushaltspolitik durchaus.

Bei der Haushaltspolitik haben wir ein Thema, aber das ist natürlich ein Teil einer Währungsunion, der im Grunde nicht mitgestaltet worden ist bei der Einführung des Euro. Da kann man noch herangehen, das muss man diskutieren. Jedes Mitgliedsland hat seine eigene Budget-Hoheit und wird die auch behalten. Das Bundesverfassungsgericht hat das für Deutschland ja sehr klar dargelegt. Die Haushaltshoheit darf man nicht ohne Weiteres abgeben. Aber in einer Währungsunion heißt Haushaltspolitik natürlich auch, dass die eigene Politik der Verantwortung für die Stabilität der gemeinsamen Währung gerecht werden muss. Das ist, wenn man so will, eine gewisse Einschränkung unserer Souveränität, der Souveränität aller Mitglieder der Eurozone. Aber alle Mitglieder der Eurozone wussten das bei Beginn dieser Währungsunion und wenn Länder dagegen verstoßen, nachhaltig, wiederholt und in großem Umfang, wie das bei Griechenland der Fall war, dann gerät man in Schwierigkeiten. Dann kommt man in eine Situation, wo man von den Märkten kein Geld mehr kriegt, sondern in der Tat sich von Brüssel aus, sich von den anderen Partnern aus bestimmte Vorschriften machen lassen muss. Das ist dann nicht erfreulich, aber das ist eine Ausnahmesituation in einer Währungsunion. Es ist nicht die Regel. Insofern hat Frau Wagenknecht auch hier nicht recht.

Stellt sich nur die Frage, was ist das Ganze. Vereinigt der Euro eine Gruppe von Staaten politisch oder finanztechnisch?

Nun, beides! Ich glaube, dass das europäische Einigungsprojekt mit dem Euro natürlich einen wichtigen Schritt nach vorne gegangen ist. Wir dürfen nicht vergessen: Das Ganze geschah ja im zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands. Unsere Partner haben da auch großen Wert drauf gelegt, dass wir das Ganze fester zusammenfügen in Europa, mit einem neuen, mit einem starken Deutschland. Deutschland hat – und das sehen wir ja in den letzten Monaten und Jahren – eine inzwischen dominierende Rolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sich auch auf die Politik insgesamt erstreckt. Auch außenpolitisch spielt Deutschland eine größere Rolle als früher. Insofern ist der Euro eines der Instrumente im Rahmen des europäischen Einigungsprojekts, das die europäischen Nationen enger zusammenbringt, und ich glaube, genau das muss ja unser Ziel sein. Wir wollen ein einiges Europa und das bedeutet, wir müssen unserer Verantwortung für die Stabilität der Währung gerecht werden. Griechenland hat das über viele Jahre vernachlässigt. Das ist die Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind. Aber für Deutschland, Frankreich, Spanien und die anderen Länder gilt, dass die Verantwortung für die Stabilität des Euro eine Verantwortung für Europa insgesamt ist.

Wir sprachen eben über die Regierung Tsipras eins, zu der auch ja der ehemalige Finanzminister gehörte. Es gehört in der Regel nicht zu unserer Fragetechnik in dieser Sendung, aber gestatten Sie mir vielleicht, dass ich Ihnen einen Halbsatz vorgebe mit Bitte um Vervollständigung. Jannis Varoufakis war ein ...

... irrlichternder Akademiker, den es in die Politik gespült hat und der dort, wie ich finde, mit seinem wenig diplomatischen Auftreten seinem Land keinen Dienst erwiesen hat, sondern vielmehr dazu beigetragen hat, dass die Stimmung sich derartig gegen Griechenland gedreht hat, dass selbst geduldige Menschen diese Geduld anfingen zu verlieren.

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