24.04.2020FDPFDP

THEURER-Gastbeitrag: Klare Kriterien entwickeln

FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für die „Neckar-Chronik“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag.

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie kann ein, zwei oder drei Jahre dauern. Die Corona-Krise ist erst vorbei, wenn ein wirksamer Impfstoff gefunden und in ausreichender Menge produziert, eine zuverlässige und wirksame Behandlungsmethode gefunden oder womöglich strategielos die Immunität der Bevölkerung erreicht ist.

Daraus folgt die Erkenntnis, dass wir nicht bis zur Ausrottung von Corona im vollständigen gesellschaftlichen Herunterfahren und wirtschaftlichen Stillstand verbleiben können. Teilweise wird es so dargestellt, als sei die Abwägung hier zwischen wirtschaftlichen Interessen auf der einen Seite und Gesundheit auf der anderen Seite. Doch selbst wenn Gesundheitsschutz nicht nur ein prioritäres, sondern das einzige Staatsziel wäre, würden die Schäden eines dauerhaften Herunterfahrens womöglich größer werden als die Schäden durch Corona selbst. Denn nicht nur sind Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektiv- und Beschäftigungslosigkeit gesundheitsschädlich, auch muss die Bezahlung der im Gesundheitssystem Beschäftigten und ihre Ausstattung irgendwie finanziert werden.

Das bedeutet, dass wir nicht auf Dauer in einem Shutdown-Szenario verbleiben können. Somit ist eine realistische Öffnungsstrategie, die Planungssicherheit für das wirtschaftliche und soziale Leben schafft, notwendig – ein differenzierter Stufenplan, der öffentlich vorgestellt und diskutiert werden muss. Denn auch in der Krise bleibt der Staat begründungspflichtig, wenn er die Freiheit seiner Bürger einschränken will, und darf der Freiheit nicht mehr Raum nehmen als erforderlich.

Alle getroffenen Maßnahmen, die die Grundrechtsausübung erheblich einschränken und teilweise fast unmöglich machen, müssen zudem regelmäßig wissenschaftlich und politisch auf ihre Verhältnismäßigkeit hin bewertet werden. Für den Übergang von einer Stufe zur nächsten müssen epidemiologische Kennzahlen und Kapazitäten des Gesundheitswesens entscheidend sein. Ein Stufenplan bedeutet aber auch: Verschlechtern sich Faktoren wie Reproduktionsrate oder Verdopplungszeit, müssen die Schutzmaßnahmen unter Umständen wieder verschärft werden. Umgekehrt kann die Entwicklung neuer Medikamente schnellere Lockerungen erlauben. Zentral für die Begründbarkeit und die Befolgung der Vorgaben wird sein, dass sie nach infektiologischen Kriterien erfolgen. Doch vieles ist Willkür: Läden bis 800 Quadratmeter dürfen öffnen – aber müsste das gesundheitspolitische Kriterium nicht Kunden pro Quadratmeter und einhaltbarer Abstand sein?

Oder die Hotels und Gaststätten, wo die Schließung gerade akut eine ganze Branche gefährdet: Restaurants dürfen Essen und Getränke an Kunden übergeben, und die Kunden sich mit dem Essen auch irgendwo hin setzen, aber nicht auf die Außenflächen des Restaurants, selbst wenn ein Sicherheitsabstand eingehalten wird? Das kann man wohl niemandem erklären.

Es muss möglichst allgemein definiert sein, wer unter welchen Umständen was darf. Denkbar wäre sogar eine Covid-19-Zertifizierung, um einen Kriterienkatalog, was etwa Abstand, Kunden pro Quadratmeter oder die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und Schutzmasken angeht, zu vereinheitlichen. Die Bürger wie die Unternehmen brauchen derzeit vor allem Planungssicherheit. Krisenadäquates Vorgehen ist jetzt, das alles durchzudeklinieren.

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