FDP|
01.04.2012 - 02:00DÖRING-Interview für "Bild am Sonntag"
Berlin. Der designierte FDP-Generalsekretär, FDP-Bundesschatzmeister und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, PATRICK DÖRING, gab "Bild am Sonntag" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten BURKHARD UHLENBROICH und MICHAEL BACKHAUS:
Frage: Herr Döring, wie fühlt man sich als Generalsekretär der Herzlos-Partei?
DÖRING: Man versucht gerade, uns dieses Etikett anzukleben. Mit unserer Politik in der Realität hat das nichts zu tun. Die FDP sorgt sich wie andere Parteien sehr um das Schicksal der Beschäftigten von Schlecker. Im Gegensatz zu den anderen sind wir aber der Überzeugung, dass die dezentral aufgestellte Bundesanstalt für Arbeit den Mitarbeitern, die jetzt im ganzen Bundesgebiet arbeitslos werden, schneller und besser wieder in Arbeit vermitteln kann als eine erst zu gründende zentrale Transfergesellschaft. 2011 gab es in Deutschland 30.000 Insolvenzen, bei denen in einigen Fällen auch Transfergesellschaften gegründet wurden. Doch in keinem Fall gab es staatliche Bürgschaften. Es wäre eine Perversion der sozialen Marktwirtschaft, wenn es künftig hieße: Bei großen Pleiten kommt der Bundesadler, bei kleinen der Pleitegeier.
Frage: Als Argument gegen die Transfergesellschaft wurde von Ihrer Partei ins Feld geführt, es dürfe kein Steuergeld für ein Unternehmen geben, das schlecht gewirtschaftet hat. Die staatlichen Kreditgarantien sollte aber nicht der Familie Schlecker zugute kommen, sondern 11.000 Mitarbeitern. Werden die Ihnen abnehmen, dass die FDP nur ihr Bestes im Sinn hat?
DÖRING: Ich habe die Hoffnung, dass auch die Betroffenen eines Tages sehen, dass unser Weg richtig ist. Einige Mitarbeiter und Betriebsräte sehen das übrigens schon heute. Viele wollen gar nicht "gerettet" werden. Auch, weil sie dann Ansprüche gegen das Unternehmen verlieren würden. Wir übersehen in der Debatte, dass die Transfergesellschaft vor allem dem Konzern helfen sollte, weil er so Mitarbeiter billiger loswerden sollte. Das war Propaganda auch der Gewerkschaften und von Rot-Grün. In Wahrheit ging es doch nie um die Mitarbeiter. Denn denen ist in der staatlichen Transfergesellschaft, der Bundesagentur für Arbeit, genauso gut geholfen.
Die Aufgabe einer Transfergesellschaft besteht darin, Mitarbeiter eines insolventen Unternehmens zu qualifizieren und im Arbeitsmarkt unterzubringen. In einer Situation, in der es mehr als 25.000 offene Stellen im Einzelhandel in Deutschland gibt, werden die Arbeitsagenturen die auf ganz Deutschland verteilten Schlecker-Mitarbeiter ohne Probleme vermitteln können. Auch die Bundesagentur sagt ja, dass der Markt aufnahmefähig ist. Ich sehe nicht, was eine zentral in Baden-Württemberg ansässige Transfergesellschaft besser machen könnte.
Frage: Dennoch: Die Frauen fühlen sich vom Staat und der Politik total im Stich gelassen.
DÖRING: Das kann ich einen Tag nach der Entscheidung gut verstehen. Aber, wie gesagt, das gilt längst nicht für alle. Viele wissen auch, dass eine Transfergesellschaft auch nur eine Scheinsicherheit geboten hätte. Sie hätte jemanden gesucht, der für das Übergangsgeld aufkommt. Übergangsgeld gibt es auch jetzt. Uns geht es darum, für die Schlecker-Mitarbeiter möglichst schnelle neue Perspektiven zu schaffen und nicht alte Strukturen zu zementieren. Denn am Ende wickelt eine Transfergesellschaft nur etwas ab.
Frage: Haben die Beschäftigten bei Schlecker jetzt gar keinen Nachteil?
DÖRING: Nach meiner Kenntnis gibt es für die Betroffenen keinen Nachteil gegenüber der Lösung mit einer Transfergesellschaft. Im Gegenteil, sie behalten auch ihre Rechtsansprüche gegenüber Schlecker. Es gibt außerdem den Vorteil einer schnelleren Vermittlung in neue Jobs. Ich appelliere aber auch an Arbeitgeber, die Mitarbeiter suchen, auf ehemalige Schlecker-Leute zuzugehen. Das sind fleißige und gute Mitarbeiter. Die sollen bessere Arbeitsplätze bekommen als sie bisher hatten.
Frage: Würden Sie sich trauen, auf einer Versammlung von Schlecker-Mitarbeitern das zu wiederholen?
DÖRING: Ja, jederzeit. Wir haben gute Argumente für unsere Entscheidung und können die auch gegenüber den Schlecker-Mitarbeitern geltend machen.
Frage: Welche Reaktionen gibt es auf das Vorgehen der FDP?
DÖRING: Da gibt es viel Kritik bis hin zum Hass, nicht zuletzt im Internet. Aber wir registrieren auch viel Zustimmung, sogar Lob. Gerade Mittelständler legen großen Wert darauf, dass es keine Sonderbehandlung für Schlecker gibt. Aber auch Arbeitnehmer wollen kein Zweiklassensystem. Fassungslos macht mich das Verhalten der Gewerkschaft. Verdi-Chef Bsirske hat noch vor einigen Monaten zum Boykott von Schlecker wegen der angeblich so schlechten Bezahlung und Arbeitsbedingungen aufgerufen. Bsirske hat entscheidend zum Niedergang der Firma Schlecker beigetragen. Und nun fordert Bsirske eine Transfergesellschaft, die einen Verbleib der Mitarbeiter in den Schlecker-Strukturen verlängert. Das ist pure Heuchelei.
Frage: Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil am selben Tag, an dem er die Schlecker-Verhandlungen platzen ließ, Staatshilfen für eine bayerische Bäckereikette bewilligt. Wem wollen Sie das noch erklären?
DÖRING: Der Fall lag völlig anders. Dabei ging es um ein Unternehmen in einer strukturschwachen Region, deren Pleite auf einen Schlag eine große Zahl von Beschäftigten arbeitslos gemacht hätte. Die könnte der Arbeitsmarkt nicht aufnehmen. Jeder Fall muss einzeln bewertet werden.
Frage: CSU-Chef Horst Seehofer nannte die Entscheidung der FDP unfassbar. Unverständnis herrscht in weiten Teilen der Union. Gefährdet die FDP mit ihrem Vorgehen Schwarz-Gelb in den Ländern und dann auch im Bund?
DÖRING: Die Union ist in ordnungspolitischen Fragen häufig wankelmütig. Das kann uns nicht überraschen. Dafür gibt und braucht es ja die FDP. Über Seehofers Wortwahl habe ich mich auch gewundert. Denn er hatte als Ministerpräsident ja den Beschluss mitgefasst, dass Bayern nur eine Bürgschaft gibt, wenn alle anderen Länder es auch tun. Dies war nicht der Fall. Deshalb hat Bayern Nein gesagt. Seehofer hätte es im Übrigen zur Koalitionsfrage machen können, hat er aber nicht getan. So schlecht können unsere Argumente also nicht gewesen sein.
Frage: Glauben Sie wirklich, dass die FDP in den kommenden Wahlen mit ihrem harten Nein zur Schlecker-Hilfe punkten kann?
DÖRING: Darauf kommt es nicht an. In der Politik muss man Entscheidungen treffen, wenn sie anstehen. Von Umfragen und Wahltaktik darf man sich dabei nicht leiten lassen. Die FDP steht zu ihren ordnungspolitischen Überzeugungen, ob sie in Umfragen bei vier oder bei 14 Prozent steht. Dass uns jetzt wahltaktische Motive unterstellt werden, damit muss ich leben.
fdk1090412_1_9.pdf
DÖRING-Interview für "Bild am Sonntag"
Berlin. Der designierte FDP-Generalsekretär, FDP-Bundesschatzmeister und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, PATRICK DÖRING, gab "Bild am Sonntag" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten BURKHARD UHLENBROICH und MICHAEL BACKHAUS:
Frage: Herr Döring, wie fühlt man sich als Generalsekretär der Herzlos-Partei?
DÖRING: Man versucht gerade, uns dieses Etikett anzukleben. Mit unserer Politik in der Realität hat das nichts zu tun. Die FDP sorgt sich wie andere Parteien sehr um das Schicksal der Beschäftigten von Schlecker. Im Gegensatz zu den anderen sind wir aber der Überzeugung, dass die dezentral aufgestellte Bundesanstalt für Arbeit den Mitarbeitern, die jetzt im ganzen Bundesgebiet arbeitslos werden, schneller und besser wieder in Arbeit vermitteln kann als eine erst zu gründende zentrale Transfergesellschaft. 2011 gab es in Deutschland 30.000 Insolvenzen, bei denen in einigen Fällen auch Transfergesellschaften gegründet wurden. Doch in keinem Fall gab es staatliche Bürgschaften. Es wäre eine Perversion der sozialen Marktwirtschaft, wenn es künftig hieße: Bei großen Pleiten kommt der Bundesadler, bei kleinen der Pleitegeier.
Frage: Als Argument gegen die Transfergesellschaft wurde von Ihrer Partei ins Feld geführt, es dürfe kein Steuergeld für ein Unternehmen geben, das schlecht gewirtschaftet hat. Die staatlichen Kreditgarantien sollte aber nicht der Familie Schlecker zugute kommen, sondern 11.000 Mitarbeitern. Werden die Ihnen abnehmen, dass die FDP nur ihr Bestes im Sinn hat?
DÖRING: Ich habe die Hoffnung, dass auch die Betroffenen eines Tages sehen, dass unser Weg richtig ist. Einige Mitarbeiter und Betriebsräte sehen das übrigens schon heute. Viele wollen gar nicht "gerettet" werden. Auch, weil sie dann Ansprüche gegen das Unternehmen verlieren würden. Wir übersehen in der Debatte, dass die Transfergesellschaft vor allem dem Konzern helfen sollte, weil er so Mitarbeiter billiger loswerden sollte. Das war Propaganda auch der Gewerkschaften und von Rot-Grün. In Wahrheit ging es doch nie um die Mitarbeiter. Denn denen ist in der staatlichen Transfergesellschaft, der Bundesagentur für Arbeit, genauso gut geholfen.
Die Aufgabe einer Transfergesellschaft besteht darin, Mitarbeiter eines insolventen Unternehmens zu qualifizieren und im Arbeitsmarkt unterzubringen. In einer Situation, in der es mehr als 25.000 offene Stellen im Einzelhandel in Deutschland gibt, werden die Arbeitsagenturen die auf ganz Deutschland verteilten Schlecker-Mitarbeiter ohne Probleme vermitteln können. Auch die Bundesagentur sagt ja, dass der Markt aufnahmefähig ist. Ich sehe nicht, was eine zentral in Baden-Württemberg ansässige Transfergesellschaft besser machen könnte.
Frage: Dennoch: Die Frauen fühlen sich vom Staat und der Politik total im Stich gelassen.
DÖRING: Das kann ich einen Tag nach der Entscheidung gut verstehen. Aber, wie gesagt, das gilt längst nicht für alle. Viele wissen auch, dass eine Transfergesellschaft auch nur eine Scheinsicherheit geboten hätte. Sie hätte jemanden gesucht, der für das Übergangsgeld aufkommt. Übergangsgeld gibt es auch jetzt. Uns geht es darum, für die Schlecker-Mitarbeiter möglichst schnelle neue Perspektiven zu schaffen und nicht alte Strukturen zu zementieren. Denn am Ende wickelt eine Transfergesellschaft nur etwas ab.
Frage: Haben die Beschäftigten bei Schlecker jetzt gar keinen Nachteil?
DÖRING: Nach meiner Kenntnis gibt es für die Betroffenen keinen Nachteil gegenüber der Lösung mit einer Transfergesellschaft. Im Gegenteil, sie behalten auch ihre Rechtsansprüche gegenüber Schlecker. Es gibt außerdem den Vorteil einer schnelleren Vermittlung in neue Jobs. Ich appelliere aber auch an Arbeitgeber, die Mitarbeiter suchen, auf ehemalige Schlecker-Leute zuzugehen. Das sind fleißige und gute Mitarbeiter. Die sollen bessere Arbeitsplätze bekommen als sie bisher hatten.
Frage: Würden Sie sich trauen, auf einer Versammlung von Schlecker-Mitarbeitern das zu wiederholen?
DÖRING: Ja, jederzeit. Wir haben gute Argumente für unsere Entscheidung und können die auch gegenüber den Schlecker-Mitarbeitern geltend machen.
Frage: Welche Reaktionen gibt es auf das Vorgehen der FDP?
DÖRING: Da gibt es viel Kritik bis hin zum Hass, nicht zuletzt im Internet. Aber wir registrieren auch viel Zustimmung, sogar Lob. Gerade Mittelständler legen großen Wert darauf, dass es keine Sonderbehandlung für Schlecker gibt. Aber auch Arbeitnehmer wollen kein Zweiklassensystem. Fassungslos macht mich das Verhalten der Gewerkschaft. Verdi-Chef Bsirske hat noch vor einigen Monaten zum Boykott von Schlecker wegen der angeblich so schlechten Bezahlung und Arbeitsbedingungen aufgerufen. Bsirske hat entscheidend zum Niedergang der Firma Schlecker beigetragen. Und nun fordert Bsirske eine Transfergesellschaft, die einen Verbleib der Mitarbeiter in den Schlecker-Strukturen verlängert. Das ist pure Heuchelei.
Frage: Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil am selben Tag, an dem er die Schlecker-Verhandlungen platzen ließ, Staatshilfen für eine bayerische Bäckereikette bewilligt. Wem wollen Sie das noch erklären?
DÖRING: Der Fall lag völlig anders. Dabei ging es um ein Unternehmen in einer strukturschwachen Region, deren Pleite auf einen Schlag eine große Zahl von Beschäftigten arbeitslos gemacht hätte. Die könnte der Arbeitsmarkt nicht aufnehmen. Jeder Fall muss einzeln bewertet werden.
Frage: CSU-Chef Horst Seehofer nannte die Entscheidung der FDP unfassbar. Unverständnis herrscht in weiten Teilen der Union. Gefährdet die FDP mit ihrem Vorgehen Schwarz-Gelb in den Ländern und dann auch im Bund?
DÖRING: Die Union ist in ordnungspolitischen Fragen häufig wankelmütig. Das kann uns nicht überraschen. Dafür gibt und braucht es ja die FDP. Über Seehofers Wortwahl habe ich mich auch gewundert. Denn er hatte als Ministerpräsident ja den Beschluss mitgefasst, dass Bayern nur eine Bürgschaft gibt, wenn alle anderen Länder es auch tun. Dies war nicht der Fall. Deshalb hat Bayern Nein gesagt. Seehofer hätte es im Übrigen zur Koalitionsfrage machen können, hat er aber nicht getan. So schlecht können unsere Argumente also nicht gewesen sein.
Frage: Glauben Sie wirklich, dass die FDP in den kommenden Wahlen mit ihrem harten Nein zur Schlecker-Hilfe punkten kann?
DÖRING: Darauf kommt es nicht an. In der Politik muss man Entscheidungen treffen, wenn sie anstehen. Von Umfragen und Wahltaktik darf man sich dabei nicht leiten lassen. Die FDP steht zu ihren ordnungspolitischen Überzeugungen, ob sie in Umfragen bei vier oder bei 14 Prozent steht. Dass uns jetzt wahltaktische Motive unterstellt werden, damit muss ich leben.
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