FDP|
13.06.2016 - 10:45AfD-Empörungstaktik nicht auf den Leim gehen
Mit Parolen und Populismus versucht die AfD Aufmerksamkeit zu generieren. FDP-Chef Christian Lindners Appell: "Ignorieren. Der Geist des Grundgesetzes ist nämlich plural." Er führte aus, dass die Öffentlichkeit auf Macht und Skandale reagiere: "Macht haben wir momentan keine, aber unseriös, skandalös und schmierig sind wir auch nicht. Das ist das Geschäft der AfD." Im Gespräch mit der "mopo24.de" erklärte Lindner: "Die Aufgabe der FDP ist, ein eigenes optimistisches Angebot zu machen: Man muss nicht radikal wählen, man muss nicht das andere Deutschland wählen, um dennoch eine andere Politik zu bekommen."
Die Freien Demokraten hätten bei den letzten Wahlkämpfen bereits erfolgreich gezeigt, dass die neue programmatische und personelle Aufstellung bei den Wählern gut ankomme. "Wir sagen klar und deutlich, was wir für richtig und wichtig halten: Das ist etwa eine digitale Bildungsrevolution in Deutschland. Wir sind überzeugt, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Erfolg ausbauen kann, wenn die Politik die Menschen nicht mit Bürokratie lähmt und abkassiert, sondern in Bildung und Glasfaser investiert."
Er monierte, dass in der politischen Debatte das Dringliche über das Wichtige gestellt werde. "Natürlich muss die Flüchtlingskrise besser gemanagt werden. Das ist eine dringliche Aufgabe. Aber neben dem dringlichen Thema gibt es auch ein wichtiges Thema wie etwa die Digitalisierung, die unser Leben und Arbeiten vollständig verändern wird. Und deren Chancen drohen an Deutschland vorbeizurauschen." Wenn die Regierung es nicht schaffe, das Thema schnellstmöglich fokussiert anzugehen, "dann wird es im nächsten Jahrzehnt keinen Unterschied machen, ob wir Kupferkabel haben oder Rohrpost nutzen – dann sind wir abgekoppelt von der Wettbewerbsfähigkeit", warnte Lindner. Staaten, die bei der Digitalisierung echte Fortschritte machten, bündelten alle erforderlichen Kompetenzen an einer Stelle und seien deshalb viel schneller.
Lesen Sie hier das vollständige Interview.
Frage: Deutschland sucht einen neuen Bundespräsidenten. Beim letzten Mal hatte die FDP Joachim Gauck (76) ins Spiel gebracht, so dass die Kanzlerin mitziehen musste. Wer soll‘s diesmal werden?
LINDNER: Wir schauen jetzt erst einmal, welche Kandidaten aufgestellt werden. Und dann ist für uns die Frage zentral, für welche Botschaften die Persönlichkeiten stehen. Wir diskutieren das nicht unter Koalitionsgesichtspunkten. Ich wünsche mir einen Bundespräsidenten oder eine -präsidentin, die eine starke Stimme für ein liberales Deutschland ist. Aber vor Herbst wird sich wohl nichts tun.
Frage: Die Umfragewerte für Ihre Partei sind wieder recht ordentlich. Liegt es an der Stärke der FDP oder der Schwäche der anderen?
LINDNER: Das eine wie das andere. Wir haben uns neu aufgestellt, politisch und personell erneuert. Die FDP von 2016 ist eine andere als 2013. Die guten Umfragewerte machen es uns leichter. Denn in den Medien findet man als APO nicht so stark statt. Die Öffentlichkeit konzentriert sich einerseits auf Macht und andererseits auf Skandal. Macht haben wir momentan keine, aber unseriös, skandalös und schmierig sind wir auch nicht. Das ist das Geschäft der AfD.
Frage: Wie wollen Sie denn die Rückkehr in den Bundestag schaffen?
LINDNER: Wir haben bei den letzten Wahlkämpfen erfolgreich gezeigt, wie es geht. Wir sagen klar und deutlich, was wir für richtig und wichtig halten: Das ist etwa eine digitale Bildungsrevolution in Deutschland. Wir sind überzeugt, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Erfolg ausbauen kann, wenn die Politik die Menschen nicht mit Bürokratie lähmt und abkassiert, sondern in Bildung und Glasfaser investiert.
Frage: Und im Falle des Bundestagseinzugs wird Ihre Partei wieder Mehrheitsbeschaffer?
LINDNER: Die staatstragenden Parteien – CDU, CSU, SPD und Grüne – sind leider sehr verwechselbar geworden. Da ist es nicht die Aufgabe der FDP, irgendjemandem Mehrheiten zu sichern. Sondern die Aufgabe der FDP ist, ein eigenes optimistisches Angebot zu machen. Man muss nicht radikal wählen, man muss nicht das andere Deutschland wählen, um dennoch eine andere Politik zu bekommen.
Frage: Welche Vorteile hat denn die außerparlamentarische Opposition?
LINDNER: Das ist zweischneidig. Man findet weniger öffentlich statt, weil die Bühne der parlamentarischen Auseinandersetzung fehlt. Auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, grundsätzlicher an Fragen ranzugehen.
Frage: Fehlt genau das derzeit hierzulande?
LINDNER: Die politische Diskussion widmet sich dem Dringlichen, aber lässt das Wichtige außer Betracht. Natürlich muss die Flüchtlingskrise besser gemanagt werden. Das ist eine dringliche Aufgabe, und wir können uns nicht einseitig auf Herrn Erdogan verlassen, sondern müssen auch wieder gemeinsame europäische Lösungen finden. Aber neben dem dringlichen Thema gibt es auch ein wichtiges Thema wie etwa die Digitalisierung, die unser Leben und Arbeiten vollständig verändern wird. Und deren Chancen drohen an Deutschland vorbei zu rauschen.
Frage: Warum?
LINDNER: Weil sich Union und SPD diesem Thema nicht mit der hinreichenden Aufmerksamkeit widmen. So setzt die Bundesregierung weiter auf den Monopolanbieter Telekom, der auf das Kupferkabel vertraut, während Rumänien in das modernste Glasfasernetz investiert auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft. Wenn wir uns politisch auf diese technologische Sackgasse einlassen, dann wird es im nächsten Jahrzehnt keinen Unterschied machen, ob wir Kupferkabel haben oder Rohrpost nutzen – dann sind wir abgekoppelt von der Wettbewerbsfähigkeit.
Frage: Wie lässt sich das ändern?
LINDNER: Bei einem so wichtigen Thema halte ich eigentlich einen Digitalisierungsminister für nötig, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Erfolgreichere Staaten, die bei der Digitalisierung echte Fortschritte machen, um wie Israel daraus mehr Wirtschaftskraft zu gewinnen, bündeln das an einer Stelle und sind deshalb viel schneller.
Frage: Wo fehlt es?
LINDNER: Die Bundesregierung schafft es nicht einmal, den öffentlichen Bereich zu digitalisieren. Wie wäre es, bei der Beantragung eine polizeilichen Führungszeugnisses, bei der Frage, wie viel Punkte man in Flensburg hat, bei der Anmeldung eines Wohnsitzes, der Beantragung eines neuen Personalausweises, nicht mehr zum Amt zu müssen, sondern alles online machen zu können? Millionen Stunden Lebenszeit könnten eingespart und genutzt werden für pure Lebensfreude oder den eigenen beruflichen Erfolg.
Frage: Also muss die FDP rasch wieder in die Regierungsmannschaft – womöglich zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb?
LINDNER: Die FDP ist bereit zur Verantwortung. Das unterscheidet uns von anderen. Eine schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament würde aber nicht mehr bedeuten, dass es automatisch eine schwarz-gelbe Regierung gibt. Denn wir haben bis 2013 unsere spezifischen Erfahrungen mit der CDU von Frau Merkel gemacht. Das hat die FDP verändert.
Frage: Apropos Team: Wie halten Sie es vor dem ersten Spiel der deutschen Mannschaft heute mit der Fußball-EM?
LINDNER: Ich bin leidenschaftlicher Motorsportler und habe Benzin im Blut. Fußball verfolge ich aus sicherer Distanz.
Frage: Fahren Sie denn selbst Rennen?
LINDNER: Ich habe einen alten Porsche. Der ist ungefähr so alt wie ich selbst. Ein luftgekühlter Heckmotor-Sportwagen. Damit mache ich mal ab und an eine Oldtimer-Rallye mit. Das Auto hat eine wunderbare Form, die Kotflügel sind wie ein Dekolleté. Der Motor ist noch echter Maschinenbau. Die Armaturen sind noch echte Uhren und echte Instrumente. Es ist ein echtes Kulturgut. Das fasziniert mich.
Frage: Aber zurück zum Fußball und der Stimmung im Land: Ist das mit schwarz-rot-goldener Schminke, Deutschland-Fähnchen am Auto und dem sonstigen Deko-Kram dann doch etwas zu viel Nationalismus?
LINDNER: Keinesfalls. Das ist selbstverständlich okay. Wir dürfen doch den Patriotismus nicht der AfD überlassen, die ihn für ihre Zwecke instrumentalisieren will. Patriotismus ist doch nicht gegen andere oder gegen Minderheiten gerichtet, sondern ist zunächst einmal ein positives Gefühl gegenüber dem eigenen Land und der eigenen Identität.
Frage: Dürfen wir denn stolz sein auf Deutschland?
LINDNER: Natürlich, wir können doch stolz sein auf unsere liberale Verfassungskultur, die in der AfD einen neuen Feind gefunden hat. Die AfD will das zerstören, worauf wir nach 1949 und 1989 stolz sein dürfen – nämlich ein freiheitliches Land, das sich der Welt geöffnet hat. AfD und Pegida sind doch nicht die Sachwalter unseres Deutschlands und unserer Kultur. Denn dazu gehört das Erbe der französischen Revolution, die Aufklärung nach Kant oder Lessings Ring-Parabel. All das ist Deutschland und jedenfalls nicht das Geblöke, das man montags abends hört.
Frage: Ob Kinderfotos auf Schokoladenpackungen, Jerome Boateng (27) als möglicher Nachbar oder Mesut Özil (27) als Mekka-Pilger: Die AfD – etwa Parteichefin Frauke Petry (41) oder ihr Vize Alexander Gauland (75) – schießt gegen unsere Fußball-Nationalspieler mit Migrationshintergrund. Wie geht man damit am besten um?
LINDNER: Ignorieren, weil es keine Relevanz hat. Wenn mit der AfD streiten, dann über Sachthemen, aber nicht deren Empörungstaktik auf den Leim gehen. Jerome Boateng verkörpert den Geist des Grundgesetzes und nicht Frau Petry. Deshalb sollten die Boatengs der Nationalmannschaft Äußerungen von Frau Petry und Herrn Gauland cool abtropfen lassen. Denn all das, was sie vortragen und sagen, hat nichts mit der Würde und Freiheit des Menschen zu tun. Der Geist des Grundgesetzes ist nämlich plural. Und getauft ist es auch nicht. Es ist offen in alle Richtungen, wenn man sich an die Regeln hält.
Frage: Müssen unsere Nationalspieler dann auch immer die Hymne mitsingen, wie es mancher fordert?
LINDNER: Es sollte das eigene Bedürfnis sein, die Nationalhymne mitzusingen. Aber ich will daraus kein Gesetz machen.
Frage: Wo schauen Sie denn heute Abend Fußball?
LINDNER: Das schaue ich privat mit Freunden. Mit Fleisch und Bier – ich glaube aber nicht, dass es Fähnchen gibt. Und irgendwann gehört während so einer EM auch einmal Public Viewing dazu. Das ist ein ganz anderes Fußball-Gefühl.
Frage: Und wie geht’s aus?
LINDNER: Deutschland gewinnt 2:0 gegen die Ukraine.
AfD-Empörungstaktik nicht auf den Leim gehen
Mit Parolen und Populismus versucht die AfD Aufmerksamkeit zu generieren. FDP-Chef Christian Lindners Appell: "Ignorieren. Der Geist des Grundgesetzes ist nämlich plural." Er führte aus, dass die Öffentlichkeit auf Macht und Skandale reagiere: "Macht haben wir momentan keine, aber unseriös, skandalös und schmierig sind wir auch nicht. Das ist das Geschäft der AfD." Im Gespräch mit der "mopo24.de" erklärte Lindner: "Die Aufgabe der FDP ist, ein eigenes optimistisches Angebot zu machen: Man muss nicht radikal wählen, man muss nicht das andere Deutschland wählen, um dennoch eine andere Politik zu bekommen."
Die Freien Demokraten hätten bei den letzten Wahlkämpfen bereits erfolgreich gezeigt, dass die neue programmatische und personelle Aufstellung bei den Wählern gut ankomme. "Wir sagen klar und deutlich, was wir für richtig und wichtig halten: Das ist etwa eine digitale Bildungsrevolution in Deutschland. Wir sind überzeugt, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Erfolg ausbauen kann, wenn die Politik die Menschen nicht mit Bürokratie lähmt und abkassiert, sondern in Bildung und Glasfaser investiert."
Er monierte, dass in der politischen Debatte das Dringliche über das Wichtige gestellt werde. "Natürlich muss die Flüchtlingskrise besser gemanagt werden. Das ist eine dringliche Aufgabe. Aber neben dem dringlichen Thema gibt es auch ein wichtiges Thema wie etwa die Digitalisierung, die unser Leben und Arbeiten vollständig verändern wird. Und deren Chancen drohen an Deutschland vorbeizurauschen." Wenn die Regierung es nicht schaffe, das Thema schnellstmöglich fokussiert anzugehen, "dann wird es im nächsten Jahrzehnt keinen Unterschied machen, ob wir Kupferkabel haben oder Rohrpost nutzen – dann sind wir abgekoppelt von der Wettbewerbsfähigkeit", warnte Lindner. Staaten, die bei der Digitalisierung echte Fortschritte machten, bündelten alle erforderlichen Kompetenzen an einer Stelle und seien deshalb viel schneller.
Lesen Sie hier das vollständige Interview.
Frage: Deutschland sucht einen neuen Bundespräsidenten. Beim letzten Mal hatte die FDP Joachim Gauck (76) ins Spiel gebracht, so dass die Kanzlerin mitziehen musste. Wer soll‘s diesmal werden?
LINDNER: Wir schauen jetzt erst einmal, welche Kandidaten aufgestellt werden. Und dann ist für uns die Frage zentral, für welche Botschaften die Persönlichkeiten stehen. Wir diskutieren das nicht unter Koalitionsgesichtspunkten. Ich wünsche mir einen Bundespräsidenten oder eine -präsidentin, die eine starke Stimme für ein liberales Deutschland ist. Aber vor Herbst wird sich wohl nichts tun.
Frage: Die Umfragewerte für Ihre Partei sind wieder recht ordentlich. Liegt es an der Stärke der FDP oder der Schwäche der anderen?
LINDNER: Das eine wie das andere. Wir haben uns neu aufgestellt, politisch und personell erneuert. Die FDP von 2016 ist eine andere als 2013. Die guten Umfragewerte machen es uns leichter. Denn in den Medien findet man als APO nicht so stark statt. Die Öffentlichkeit konzentriert sich einerseits auf Macht und andererseits auf Skandal. Macht haben wir momentan keine, aber unseriös, skandalös und schmierig sind wir auch nicht. Das ist das Geschäft der AfD.
Frage: Wie wollen Sie denn die Rückkehr in den Bundestag schaffen?
LINDNER: Wir haben bei den letzten Wahlkämpfen erfolgreich gezeigt, wie es geht. Wir sagen klar und deutlich, was wir für richtig und wichtig halten: Das ist etwa eine digitale Bildungsrevolution in Deutschland. Wir sind überzeugt, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Erfolg ausbauen kann, wenn die Politik die Menschen nicht mit Bürokratie lähmt und abkassiert, sondern in Bildung und Glasfaser investiert.
Frage: Und im Falle des Bundestagseinzugs wird Ihre Partei wieder Mehrheitsbeschaffer?
LINDNER: Die staatstragenden Parteien – CDU, CSU, SPD und Grüne – sind leider sehr verwechselbar geworden. Da ist es nicht die Aufgabe der FDP, irgendjemandem Mehrheiten zu sichern. Sondern die Aufgabe der FDP ist, ein eigenes optimistisches Angebot zu machen. Man muss nicht radikal wählen, man muss nicht das andere Deutschland wählen, um dennoch eine andere Politik zu bekommen.
Frage: Welche Vorteile hat denn die außerparlamentarische Opposition?
LINDNER: Das ist zweischneidig. Man findet weniger öffentlich statt, weil die Bühne der parlamentarischen Auseinandersetzung fehlt. Auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, grundsätzlicher an Fragen ranzugehen.
Frage: Fehlt genau das derzeit hierzulande?
LINDNER: Die politische Diskussion widmet sich dem Dringlichen, aber lässt das Wichtige außer Betracht. Natürlich muss die Flüchtlingskrise besser gemanagt werden. Das ist eine dringliche Aufgabe, und wir können uns nicht einseitig auf Herrn Erdogan verlassen, sondern müssen auch wieder gemeinsame europäische Lösungen finden. Aber neben dem dringlichen Thema gibt es auch ein wichtiges Thema wie etwa die Digitalisierung, die unser Leben und Arbeiten vollständig verändern wird. Und deren Chancen drohen an Deutschland vorbei zu rauschen.
Frage: Warum?
LINDNER: Weil sich Union und SPD diesem Thema nicht mit der hinreichenden Aufmerksamkeit widmen. So setzt die Bundesregierung weiter auf den Monopolanbieter Telekom, der auf das Kupferkabel vertraut, während Rumänien in das modernste Glasfasernetz investiert auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft. Wenn wir uns politisch auf diese technologische Sackgasse einlassen, dann wird es im nächsten Jahrzehnt keinen Unterschied machen, ob wir Kupferkabel haben oder Rohrpost nutzen – dann sind wir abgekoppelt von der Wettbewerbsfähigkeit.
Frage: Wie lässt sich das ändern?
LINDNER: Bei einem so wichtigen Thema halte ich eigentlich einen Digitalisierungsminister für nötig, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Erfolgreichere Staaten, die bei der Digitalisierung echte Fortschritte machen, um wie Israel daraus mehr Wirtschaftskraft zu gewinnen, bündeln das an einer Stelle und sind deshalb viel schneller.
Frage: Wo fehlt es?
LINDNER: Die Bundesregierung schafft es nicht einmal, den öffentlichen Bereich zu digitalisieren. Wie wäre es, bei der Beantragung eine polizeilichen Führungszeugnisses, bei der Frage, wie viel Punkte man in Flensburg hat, bei der Anmeldung eines Wohnsitzes, der Beantragung eines neuen Personalausweises, nicht mehr zum Amt zu müssen, sondern alles online machen zu können? Millionen Stunden Lebenszeit könnten eingespart und genutzt werden für pure Lebensfreude oder den eigenen beruflichen Erfolg.
Frage: Also muss die FDP rasch wieder in die Regierungsmannschaft – womöglich zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb?
LINDNER: Die FDP ist bereit zur Verantwortung. Das unterscheidet uns von anderen. Eine schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament würde aber nicht mehr bedeuten, dass es automatisch eine schwarz-gelbe Regierung gibt. Denn wir haben bis 2013 unsere spezifischen Erfahrungen mit der CDU von Frau Merkel gemacht. Das hat die FDP verändert.
Frage: Apropos Team: Wie halten Sie es vor dem ersten Spiel der deutschen Mannschaft heute mit der Fußball-EM?
LINDNER: Ich bin leidenschaftlicher Motorsportler und habe Benzin im Blut. Fußball verfolge ich aus sicherer Distanz.
Frage: Fahren Sie denn selbst Rennen?
LINDNER: Ich habe einen alten Porsche. Der ist ungefähr so alt wie ich selbst. Ein luftgekühlter Heckmotor-Sportwagen. Damit mache ich mal ab und an eine Oldtimer-Rallye mit. Das Auto hat eine wunderbare Form, die Kotflügel sind wie ein Dekolleté. Der Motor ist noch echter Maschinenbau. Die Armaturen sind noch echte Uhren und echte Instrumente. Es ist ein echtes Kulturgut. Das fasziniert mich.
Frage: Aber zurück zum Fußball und der Stimmung im Land: Ist das mit schwarz-rot-goldener Schminke, Deutschland-Fähnchen am Auto und dem sonstigen Deko-Kram dann doch etwas zu viel Nationalismus?
LINDNER: Keinesfalls. Das ist selbstverständlich okay. Wir dürfen doch den Patriotismus nicht der AfD überlassen, die ihn für ihre Zwecke instrumentalisieren will. Patriotismus ist doch nicht gegen andere oder gegen Minderheiten gerichtet, sondern ist zunächst einmal ein positives Gefühl gegenüber dem eigenen Land und der eigenen Identität.
Frage: Dürfen wir denn stolz sein auf Deutschland?
LINDNER: Natürlich, wir können doch stolz sein auf unsere liberale Verfassungskultur, die in der AfD einen neuen Feind gefunden hat. Die AfD will das zerstören, worauf wir nach 1949 und 1989 stolz sein dürfen – nämlich ein freiheitliches Land, das sich der Welt geöffnet hat. AfD und Pegida sind doch nicht die Sachwalter unseres Deutschlands und unserer Kultur. Denn dazu gehört das Erbe der französischen Revolution, die Aufklärung nach Kant oder Lessings Ring-Parabel. All das ist Deutschland und jedenfalls nicht das Geblöke, das man montags abends hört.
Frage: Ob Kinderfotos auf Schokoladenpackungen, Jerome Boateng (27) als möglicher Nachbar oder Mesut Özil (27) als Mekka-Pilger: Die AfD – etwa Parteichefin Frauke Petry (41) oder ihr Vize Alexander Gauland (75) – schießt gegen unsere Fußball-Nationalspieler mit Migrationshintergrund. Wie geht man damit am besten um?
LINDNER: Ignorieren, weil es keine Relevanz hat. Wenn mit der AfD streiten, dann über Sachthemen, aber nicht deren Empörungstaktik auf den Leim gehen. Jerome Boateng verkörpert den Geist des Grundgesetzes und nicht Frau Petry. Deshalb sollten die Boatengs der Nationalmannschaft Äußerungen von Frau Petry und Herrn Gauland cool abtropfen lassen. Denn all das, was sie vortragen und sagen, hat nichts mit der Würde und Freiheit des Menschen zu tun. Der Geist des Grundgesetzes ist nämlich plural. Und getauft ist es auch nicht. Es ist offen in alle Richtungen, wenn man sich an die Regeln hält.
Frage: Müssen unsere Nationalspieler dann auch immer die Hymne mitsingen, wie es mancher fordert?
LINDNER: Es sollte das eigene Bedürfnis sein, die Nationalhymne mitzusingen. Aber ich will daraus kein Gesetz machen.
Frage: Wo schauen Sie denn heute Abend Fußball?
LINDNER: Das schaue ich privat mit Freunden. Mit Fleisch und Bier – ich glaube aber nicht, dass es Fähnchen gibt. Und irgendwann gehört während so einer EM auch einmal Public Viewing dazu. Das ist ein ganz anderes Fußball-Gefühl.
Frage: Und wie geht’s aus?
LINDNER: Deutschland gewinnt 2:0 gegen die Ukraine.