FDP|
28.08.2006 - 02:00NIEBEL-Interview für die "Berliner Zeitung"
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Berliner Zeitung" (Montagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIGRID AVERESCH.
Frage: Herr NIEBEL, Sie engagieren sich politisch sehr stark für Israel. Trotzdem lehnen Sie eine Beteiligung Deutschlands am UN-Einsatz im Nahen Osten ab. Wie paßt das zusammen?
NIEBEL: Es ist immer Staatsräson der Bundesrepublik gewesen, für ein Israel in Frieden und in sicheren Grenzen einzutreten. Wir können nicht neutral sein. Aber eine UN-Friedenstruppe muß im Zweifel die Konfliktparteien auseinander halten. Deshalb dürfen keine deutschen Soldaten im Nahen Osten stationiert werden als Kampftruppe, weder zu Lande, zu Wasser noch in der Luft. Wir appellieren an Frau MERKEL: Deutschland darf sich hier neben dem Kongo-Einsatz nicht auf ein noch größeres militärisches Abenteuer einlassen. Jetzt wird die bittere Wahrheit scheibchenweise serviert. Der Verteidigungsminister und der Vizekanzler sprechen inzwischen von Kampfeinsatz und robustem militärischem Mandat. Wir sagen dagegen: Deutschland kann als anerkannter Verhandlungspartner beider Konfliktparteien mehr bewirken für eine friedliche Konfliktlösung als durch Soldaten.
Frage: Aber Israels Regierung will ausdrücklich deutsche Soldaten...
NIEBEL: Das kann ich verstehen. Natürlich sind die Skrupel Deutscher, gegen Israelis vorzugehen hoch. Bei einem solchen Verhalten würden deutsche Soldaten aber Partei für eine Konfliktpartei ergreifen. Das geht an der Aufgabe der UN-Friedenstruppe völlig vorbei.
Frage: Die FDP muß immer ihr Nein zum Einsatz begründen. Stehen Sie mit dem Rücken an der Wand?
NIEBEL: Nein. Nicht wir stehen in der Begründungsnotwendigkeit, sondern die Regierung. Sie ist es, die begründen muß, warum sie die Bundeswehr im Nahen Osten einsetzen will, ohne den konkreten Auftrag der UN zu kennen. Die Bundesregierung tut gut daran, sich an internationalen Friedenseinsätzen zu beteiligen. Aber sie tut auch gut daran, nicht bei jedem Einsatz dabei zu sein, gerade nicht bei diesem Einsatz.
Frage: Wann sollte Deutschland bei Auslandseinsätzen nein sagen?
NIEBEL: Wir müssen Auslandseinsätze von unseren eigenen politischen Interessen abhängig machen. Militärische Einsätze sind immer das allerletzte Mittel. Sie können nicht die Diplomatie ersetzen. Zudem sind die Kapazitäten der Bundeswehr voll ausgeschöpft.
Frage: Aber Verteidigungsminister JUNG hat den Bundeswehr-Einsatz als erster gefordert
NIEBEL: Es war falsch, diese Debatte anzustoßen, bevor eine UN-Friedenstruppe überhaupt spruchreif war. Er ist vorgeprescht und hat die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin und die Rechte des Bundestags ignoriert, der über den Einsatz befindet. Damit hat JUNG ohne Not die Regierung in Zugzwang gebracht.
Frage: Es ist guter Brauch, daß Auslandseinsätze einer breiten Zustimmung im Deutschen Bundestag bedürfen. Diesen Einsatz lehnen FDP und die Linkspartei ab. Was raten Sie der Regierung?
NIEBEL: Sie muß akzeptieren, daß der Bundestag über die Auslandseinsätze entscheidet. Vor einer Entscheidung des Parlaments darf sie sich deshalb international nicht derart festlegen. Sonst wird die Bereitschaft des Parlaments zu einer Zustimmung sinken. Die FDP fordert zudem ein Entsendegesetz, damit auch schnelle Entscheidungen unter Wahrung der Parlamentsrechte möglich werden.
Frage: Frankreich wollte erst 5 000 Soldaten in den Nahen Osten schicken, dann nur 200. Jetzt werden es 2000 Soldaten sein. Wie bewerten Sie das Taktieren Frankreichs?
NIEBEL: Die Bundesregierung vermittelt den Eindruck, als stünde die gesamte westliche Welt für den UN-Einsatz bereit. Frankreichs Verhalten zeigt, daß dies so nicht stimmt. Außer Frankreich beteiligt sich bislang kein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats an dem Einsatz, weil alle wissen, daß die Voraussetzung für einen Friedensprozeß - die Entwaffnung der Hisbollah - nicht gegeben ist. Syrien wird die Hisbollah nicht entwaffnen, der Libanon will es nicht, Israel kann es nicht und die UN-Truppen dürfen es nicht. Frankreich ist als frühere Kolonialmacht für die heutigen Probleme im Nahen Osten mitverantwortlich. Deshalb ist es zu begrüßen, daß Paris nun mehr Soldaten schickt. Aber auch Großbritannien als frühere Kolonialmacht sollte sich an dem Einsatz beteiligen.
NIEBEL-Interview für die "Berliner Zeitung"
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Berliner Zeitung" (Montagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIGRID AVERESCH.
Frage: Herr NIEBEL, Sie engagieren sich politisch sehr stark für Israel. Trotzdem lehnen Sie eine Beteiligung Deutschlands am UN-Einsatz im Nahen Osten ab. Wie paßt das zusammen?
NIEBEL: Es ist immer Staatsräson der Bundesrepublik gewesen, für ein Israel in Frieden und in sicheren Grenzen einzutreten. Wir können nicht neutral sein. Aber eine UN-Friedenstruppe muß im Zweifel die Konfliktparteien auseinander halten. Deshalb dürfen keine deutschen Soldaten im Nahen Osten stationiert werden als Kampftruppe, weder zu Lande, zu Wasser noch in der Luft. Wir appellieren an Frau MERKEL: Deutschland darf sich hier neben dem Kongo-Einsatz nicht auf ein noch größeres militärisches Abenteuer einlassen. Jetzt wird die bittere Wahrheit scheibchenweise serviert. Der Verteidigungsminister und der Vizekanzler sprechen inzwischen von Kampfeinsatz und robustem militärischem Mandat. Wir sagen dagegen: Deutschland kann als anerkannter Verhandlungspartner beider Konfliktparteien mehr bewirken für eine friedliche Konfliktlösung als durch Soldaten.
Frage: Aber Israels Regierung will ausdrücklich deutsche Soldaten...
NIEBEL: Das kann ich verstehen. Natürlich sind die Skrupel Deutscher, gegen Israelis vorzugehen hoch. Bei einem solchen Verhalten würden deutsche Soldaten aber Partei für eine Konfliktpartei ergreifen. Das geht an der Aufgabe der UN-Friedenstruppe völlig vorbei.
Frage: Die FDP muß immer ihr Nein zum Einsatz begründen. Stehen Sie mit dem Rücken an der Wand?
NIEBEL: Nein. Nicht wir stehen in der Begründungsnotwendigkeit, sondern die Regierung. Sie ist es, die begründen muß, warum sie die Bundeswehr im Nahen Osten einsetzen will, ohne den konkreten Auftrag der UN zu kennen. Die Bundesregierung tut gut daran, sich an internationalen Friedenseinsätzen zu beteiligen. Aber sie tut auch gut daran, nicht bei jedem Einsatz dabei zu sein, gerade nicht bei diesem Einsatz.
Frage: Wann sollte Deutschland bei Auslandseinsätzen nein sagen?
NIEBEL: Wir müssen Auslandseinsätze von unseren eigenen politischen Interessen abhängig machen. Militärische Einsätze sind immer das allerletzte Mittel. Sie können nicht die Diplomatie ersetzen. Zudem sind die Kapazitäten der Bundeswehr voll ausgeschöpft.
Frage: Aber Verteidigungsminister JUNG hat den Bundeswehr-Einsatz als erster gefordert
NIEBEL: Es war falsch, diese Debatte anzustoßen, bevor eine UN-Friedenstruppe überhaupt spruchreif war. Er ist vorgeprescht und hat die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin und die Rechte des Bundestags ignoriert, der über den Einsatz befindet. Damit hat JUNG ohne Not die Regierung in Zugzwang gebracht.
Frage: Es ist guter Brauch, daß Auslandseinsätze einer breiten Zustimmung im Deutschen Bundestag bedürfen. Diesen Einsatz lehnen FDP und die Linkspartei ab. Was raten Sie der Regierung?
NIEBEL: Sie muß akzeptieren, daß der Bundestag über die Auslandseinsätze entscheidet. Vor einer Entscheidung des Parlaments darf sie sich deshalb international nicht derart festlegen. Sonst wird die Bereitschaft des Parlaments zu einer Zustimmung sinken. Die FDP fordert zudem ein Entsendegesetz, damit auch schnelle Entscheidungen unter Wahrung der Parlamentsrechte möglich werden.
Frage: Frankreich wollte erst 5 000 Soldaten in den Nahen Osten schicken, dann nur 200. Jetzt werden es 2000 Soldaten sein. Wie bewerten Sie das Taktieren Frankreichs?
NIEBEL: Die Bundesregierung vermittelt den Eindruck, als stünde die gesamte westliche Welt für den UN-Einsatz bereit. Frankreichs Verhalten zeigt, daß dies so nicht stimmt. Außer Frankreich beteiligt sich bislang kein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats an dem Einsatz, weil alle wissen, daß die Voraussetzung für einen Friedensprozeß - die Entwaffnung der Hisbollah - nicht gegeben ist. Syrien wird die Hisbollah nicht entwaffnen, der Libanon will es nicht, Israel kann es nicht und die UN-Truppen dürfen es nicht. Frankreich ist als frühere Kolonialmacht für die heutigen Probleme im Nahen Osten mitverantwortlich. Deshalb ist es zu begrüßen, daß Paris nun mehr Soldaten schickt. Aber auch Großbritannien als frühere Kolonialmacht sollte sich an dem Einsatz beteiligen.